Hörerpostsendung 9.8.2015
Heute mit der Beantwortung einer Hörerfrage von Lutz Winkler zum Thema Brotsorten in Rumänien und einem dazu passenden Musiktitel.
Sorin Georgescu, 09.08.2015, 17:30
Heute möchte ich eine Hörerfrage, die ich mir zwecks Recherche aufgehoben hatte, ausführlich beantworten und zum Schluss gibt es einen zum Thema passenden Musiktitel zu hören.
Lutz Winkler (der in Schmitten im Taunus zuhause ist) schreibt uns jeden Monat, meistens per E-Mail. Heute bringe ich einen Auszug aus seinen Zeilen vom Monat Juni und anschließend werde ich seine Fragen beantworten:
In den kommenden Monaten ist ja wieder Reisesaison in Europa und viele Menschen besuchen fremde Länder. Und da müssen sich auch die Reisenden in der Ernährung umstellen. Was ich auf Reisen immer vermisse – und da bin ich wahrscheinlich sehr deutsch –, ist das Schwarzbrot. Zumindest nach einigen Tagen. Deutschland ist ja in Sachen Brotvielfalt Weltmeister – es gibt wohl regional ca. 300 verschiedene Brotsorten. Ich bevorzuge da das schwarze und gut ausgebackene und haltbare Sauerteigbrot, was es bei uns in der Nähe in einer Museumsbäckerei gibt. Das Brot ist zwar erheblich teurer als im Supermarkt, dafür sehr haltbar. Am deutschen Supermarktbrot stören mich der gleiche Geschmack und die Verderblichkeit. Es passiert sehr oft, dass dieses Brot schimmelt, weil es zu viel Feuchtigkeit enthält und dann weggeworfen werden muss. Und so etwas tut mir in der Seele weh. Welche Brotsorten gibt es in Rumänien und wo wird es hauptsächlich verkauft?
Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Winkler. Das Schwarzbrot – so wie Sie es in Deutschland kennen – würden Sie auch in Rumänien vermissen, die Rumänen stehen eher auf Weißbrotsorten. Generell ist das Sortiment eher begrenzt, es gibt zwar verschiedene Sorten von Weizen-, Roggen- und Haferkornbrot, die haben aber meistens keine bestimmte Markenbezeichnungen. Das Vollkornbrot aus Weizenmehl nennt man z.B. einfach nur Bauernbrot. In Siebenbürgen, insbesondere in Ostsiebenbürgen, im Siedlungsgebiet der ungarischsprachigen Szekler, ist außerdem das Kartoffelbrot verbreitet und beliebt. Das kommt nicht von ungefähr – dort ist die Getreideernte aufgrund von Relief und Bodenbeschaffenheit nicht besonders ertragreich, hingegen die Kartoffelernte viel ergiebiger. Kleingebäck wie Brötchen, Kipferl und Kornspitz gibt es mit verschiedenen Zutaten und in unterschiedlicher Größe natürlich auch, bloß heißen diese Brotprodukte im Rumänischen meistens nur einfach Brötchen“ oder Hörner“. Laut rumänischen Wörterbüchern gibt es nebst dem allgemein verständlichen Wort für Brot, nämlich pâine (das aus dem lateinischen panem, der Akkusativform von pan, panis kommt), auch regional verwendete Wörter für dieses Grundnahrungsmittel, die z.T. aus dem Deutschen kommen. Beispielsweise wird in Siebenbürgen und in der Bukowina das Wort jimblă für Brot verwendet. Es wird als ein Lehnwort aus dem ungarischen zsemlye oder aus dem polnischen žemla betrachtet, Wörter, die in diesen Sprachen wiederum aus dem süddeutschen Wort Semmel entstanden sein sollen. Und Semmel soll seinerseits aus dem spätlateinischen Wort simĭla entlehnt worden sein, das soviel wie feinstes Weizenmehl“ bedeutete. Ein weiteres dialektales Wort für Brot, das heute fast niemand mehr in Rumänien kennt, ist viglă. Es bedeutet soviel wie langes Weißmehlbrot und soll vom deutschen Wort Weig(e)l abgeleitet sein – so steht’s zumindest im Wörterbuch der rumänischen Sprache. Ich konnte mir zunächst keinen Reim daraus machen und nahm an, dass ein gewisser Herr Weigel ein besonders tüchtiger Bäckermeister gewesen sein muss, wenn sein Name für das Brot schlechthin herhalten musste. Das schien mir dann aber etwas zu weit hergeholt zu sein, daher schaute ich im Grimmschen Wörterbuch nach und erfuhr, dass der Weigel eine Glättrolle oder ein Walkholz ist, abgeleitet vom Verb weigeln, das im Steirischen Teig auseinander treiben“ bedeuten soll. Und altösterreichische Siedler gab es ja im rumänischsprachigen Raum, beispielsweise die evangelischen Landler in Siebenbürgen, die aus Oberösterreich stammen, und die katholischen Banater Berglanddeutschen, die aus Böhmen oder unterschiedlichen Teilen Ostösterreichs kamen. Anina, eine Ortschaft im Banater Bergland, heißt sogar Steierdorf auf deutsch.
Apropos Bäckermeister: In Siebenbürgen wurde die Bäckerin früher als pecăriţă bezeichnet, was eine direkte weibliche Derivation vom deutschen Wort Bäcker ist. Das gängigste rumänische Wort für Bäcker ist brutar, eine Ableitung von brut, einem veralteten, nicht mehr gebräuchlichen Wort für Schwarzbrot. Zwar stellt das Wörterbuch hier einen Zusammenhang mit dem altslawischen Wort brotŭ her, womit eine Entlehnung aus der Sprache der südslawischen Nachbarn möglich ist. Beide Wörter sind aber nach Meinung mehrerer Sprachwissenschaftler entweder auf das siebenbürgisch-sächsische Dialektwort Brut oder auf das hochdeutsche Brot zurückzuführen. Womit wir wieder bei den Deutschen als Weltmeister in Sachen Brotvielfalt und – wie man sieht – auch im einschlägigen (Wort-) Export landen.
Doch zurück zum Schwarzbrot und zur Frage von Herrn Winkler. Das Sortiment ist hier nicht besonders reichhaltig. In einer in ganz Europa bekannten Supermarktkette und auch bei einem Discounter (übrigens beide deutsche Investitionen hierzulande) habe ich nur dunkles Vollkornbrot aus Hafer oder Roggen erblickt, letzteres auch unter der Bezeichnung Pumpernickel. Es gibt in Bukarest auch Feinbäckereien, die meistens von Ausländern betrieben werden; die sind aber eher etwas für gut Betuchte, denn die Preise sind für rumänische Verhältnisse recht stolz. Generell ist mein Eindruck, dass die Zahl der Feinbäckereien etwas abgenommen hat. Vor ein paar Jahren gab es unweit von meiner Wohnung gleich zwei: eine deutsche Bäckerei, die sich nicht besonders einfallsreich nur Deutschland“ nannte, wohl nach dem Motto der Name ist Programm“, und eine italienische. Beide haben relativ schnell geschlossen, die Umsätze liefen wohl nicht so wie geplant.
So, nach diesen etwas umschweifenden Ausführungen zum Thema Brot ist es Zeit, ein bisschen Musik zu hören. Doch zunächst die Posteingangsliste. Einen dicken Umschlag mit Ausschnitten aus österreichischen Zeitungen und Magazinen nebst zwei Empfangsberichten erhielten wir von Paul Gager (aus dem burgenländischen Deutschkreutz, Österreich). E-Mails erhielten wir bis Samstagmittag von Fritz Andorf, Ralf Urbanczyk, Bernd Seiser, Dieter Feltes, Horst Kuhn, Volker Willschrey, Jörg-Clemens Hoffmann, Reiner Holtmann, Beate Hansen und Hans Kaas (alle aus Deutschland). Das Internetformular nutzten Paul Gager (Österreich) und Hans-Joachim Pellin (Deutschland).
Und jetzt zur angekündigten Musik. Im folgenden Musiktitel der moldawischen Ethno-Rock-Band Zdob şi Zdub geht es just um Brot – im moldauischen Dialekt, versteht sich. DJ Vasile“ heißt der witzige Hit, der sich vor knapp 10 Jahren eines großen Erfolgs in Rumänien erfreute, und im Refrain heißt es in etwa:
DJ Vasile, dreh doch die Scheibe,
Auf dass es Brot gibt,
Dann wird alles gut.“
Im späteren Verlauf des Lieds singt dann ein Frauenchor einen etwas abgewandelten Text, in dem der zuvor als DJ bezeichnete Vasile sich als Müller entpuppt. Hier eine sinngemäße Übersetzung:
Tag und Nacht, Jahr für Jahr
Mahlt er den Weizen, der Meister Vasile.
Im Winter und im Sommer, Jahr für Jahr
Dreht er das Rad, der gute Vasile.
Er dreht das Rad, Mehl kommt heraus,
Gedeckt ist der Tisch und Wohlstand gedeiht dem Haus.
Brot und Kuchen in Hülle und Fülle
Bringen den Frieden und alles wird gut.
Sorin Georgescu sagt an dieser Stelle danke, dass Sie eingeschaltet haben, und nun hören wir den rockig-folkloristischen Song von Zdob şi Zdub über den Meisterbäcker DJ Vasile.
Audiobeitrag hören: