Hörerpostsendung 9.7.2017
Im letzten Funkbriefkasten vor der Sommerpause kommen wie immer unserer Hörer zu Wort. Außerdem gibt es eine Aufzeichnung aus unserem Audioarchiv zu hören: Günter Grass war im November 1969 bei einer Literaturtagung in Bukarest zugegen.
Sorin Georgescu, 09.07.2017, 17:45
Liebe Freunde, willkommen zur letzten Hörerpostsendung in diesem Sommer. Heute möchte ich zum Schluss eine interessante Aufzeichnung aus unserem Audioarchiv senden, doch zuvor sollen noch unsere Hörer zu Wort kommen.
Aus Grafing in der Nähe von München meldete sich Werner Schubert unlängst per E-Mail:
Hallo Sorin, hallo liebe Redaktion,
der allgemeine Untertauch-Trend auf Kurzwelle färbt auch auf mich ab, ich höre immer weniger direkt über den Empfänger und schreibe kaum noch Empfangsberichte. QSLs gibt es ohnehin nur noch aus wenigen Ländern, so hat mich die Post gefreut, die ich im Mai bekommen habe: Eine QSL für meinen Bericht vom Juli letzten Jahres. Ich muss allerdings gestehen, dass ich kein so fanatischer Kartensammler bin, deswegen freue ich mich zwar über die Kärtchen, ich kann aber auch ohne leben…
Als Betreuer des Radio-Tirana-Hörerklubs erinnere ich mich an einen Hörer, der mir vor Jahren eine Reklamation schickte bezüglich fehlender QSL-Karten aus Albanien. Die Berichte waren allerdings teilweise schon über 20 Jahre alt. Nun ja, ich habe seine Bitte nach Tirana weitergeleitet und der gute Mann hat wohl auch seine Karten bekommen. Allerdings neuere Auflagen, denn seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes hat der Hörerklub den Druck der QSL-Karten übernommen. Das klappt ganz gut, die Bilder stammen von Hörern oder von Astrit Ibro, der auch Direktor des Auslandsdienstes ist. Probleme mit dem Versand gibt es bei den albanischen Kollegen auch nicht, die Karten füllen Astrit und seine Kollegin Svjetllana selbst aus und senden sie ab. Leider sendet Radio Tirana nun auch nicht mehr direkt, sondern nur noch über den Shortwave-Service in der Eifel und über Anlagen in Florida.
Zwischen Albanien und Rumänien gibt es ja historisch auch einige Beziehungen, nicht nur die Hymne der Albaner, die ja von einem rumänischen Komponisten stammt. Als Albanien 1913 einen „neutralen” Herrscher brauchte, fiel die Wahl auf den deutschen Fürsten Wilhelm zu Wied und seine Frau Sophie von Schönburg-Waldenburg. Ich erwähne das, weil das Paar nach 1925 in Rumänien lebte, wo Wilhelm auch 1945 starb. Das Grab der Wieds befindet sich in der Evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses in Bukarest mit einem Stein mit deutscher Aufschrift. Aber das nur so am Rande.
Heute kam das Thema „Honig” zur Sprache. Bei uns ist es gerade üblich, Blumen für Honigbienen anzupflanzen, weil die Bienen u.a. durch die üblichen Monokulturen immer weniger wurden. Kennt man dieses Problem auch in Rumänien? Bei uns in Grafing ist es die Initiative „Grafing summt”, ein Ableger von „Deutschland summt”, die sich besonders dafür stark macht. Sie gehört zu unserem Bürgerzentrum, in dem ich auch aktiv bin, wir haben jetzt am Zaum unseres Hofes auch Blumen gepflanzt.
Liebe Grüße und bis bald,
Werner Schubert (mit [den beiden Vierbeinern] Speedy und Molly)
Vielen Dank für Ihre Zeilen und Gruß zurück nach Grafing, lieber Herr Schubert. Ja, auch in Rumänien beklagen Imker die Folgen der Monokulturen in ihren Fachzeitschriften und Online-Portalen. Die evangelische-lutherische Kirche AB in Bukarest kenne ich gut – als Schüler bin ich oft sonntags in diese Kirche gegangen, weil es nach der Messe, die auf deutsch abgehalten wurde, immer Orgenkonzerte gab. Pfarrer war damals der aus Siebenbürgen stammende Otto Reich, seine Gattin, Ilse Maria Reich, war schon damals eine über die Landesgrenzen hinaus bekannte Organistin und auch die Söhne des Ehepaars waren als Musiker im Kirchenchor aktiv. Nach der Wende übersiedelte die Familie nach Deutschland, Ilse Maria Reich konzertiert aber jedes Jahr in ihrer alten Heimat, und zwar auf der Bühne des Bukarester Athenäums und in mehreren Städten in Siebenbürgen.
Alexandru Buşneag ist ebenfalls in Deutschland zu Hause – er machte sich Sorgen wegen des geplanten Ausbaus der Kernenergie in Rumänien:
Sehr geehrte Redakteure von RRI,
aus Ihren Sendungen habe ich erfahren, dass Rumänien das AKW in Cernavodă ausbauen will, anstatt dieses in Zukunft durch andere Energiequellen zu ersetzen – wie es beispielsweise in Deutschland der Fall ist.
Abgesehen von den nicht einkalkulierbaren Risiken der Kernenergie müsste man all denen, die behaupten, dass Atomenergie billig“ oder rentabel“ sei, folgende Fragen stellen:
Wer bezahlt für die Atommüll-Endlager, die praktisch auf alle Ewigkeit“ gesichert werden müssen? Was werden hunderte und tausende künftiger Generationen von uns denken – auch nur in Anbetracht der anfallenden Kosten, die sie tragen werden –, wenn wir ihnen diese Last aufbürden, nur um einige Jahre billigeren“ Strom zu erzeugen?
Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Buşneag. Prinzipiell gebe ich Ihnen Recht, nur kann sich Rumänien momentan nicht leisten, allein auf erneuerbare Energiequellen zu setzen, wenn es einigermaßen selbstständig in der Energieversorgung bleiben will, um nicht von Russlands Gnade abhängig zu werden. In den vergangenen Jahren wurde dennoch in erneuerbare Energie investiert, ich habe in der Dobrudscha zahlreiche Windkraftanlagen gesehen, deren Nutzen ist allerdings umstritten. Und auch in Deutschland wurden nicht alle AKWs über Nacht ausgeschaltet, es wurden auch dort Übergangsfristen geregelt.
Weiter geht es nach Mannheim, wo unser Hörer Andreas Pawelczyk zu Hause ist. Folgendes Feedback gab er uns zu einem Thema, das im Wirtschaftsmagazin behandelt wurde:
Beeindruckend fand ich am 13.06.17 Ihren Bericht über die Fischerei im kommunistischen Rumänien, und zwar im Business Club. Die Fischerei des Landes hatte ja zur damaligen Zeit einen hohen Platz im Kommunismus. So sollen früher 6.000 Leute auf den Schiffen gearbeitet haben. Der Fang in den Ozeanen soll bei 150.000 Tonnen gelegen haben. Zudem wurden 100.000 t Fisch exportiert. Damals wurden in Rumänien 8-10 kg Fisch pro Kopf und Jahr gegessen. Bis jetzt soll die Produktion allerdings stark gesunken sein. Auch der Pro-Kopf-Fischverbrauch ist mittlerweile auf 4-5 kg pro Kopf und Jahr gesunken. So ändern sich die Zeiten durch die Marktwirtschaft. Die Rumänen essen zudem heute am liebsten Lachs und Forelle. Mir hat der Bericht sehr gut gefallen, da ich leider im damaligen Westdeutschland und auch heute an solche Informationen nicht drankam.
Vielen Dank für Ihr Feedback, lieber Herr Pawelczyk. Ich möchte gerne auch den poetischen Gruß verlesen, den Sie uns vor einigen Woche schickten:
Zum bevorstehenden Sommer auch in Rumänien wünsche ich Ihnen und den Hörern alles Beste und möchte dies mit einem Sommergedicht von Johann Wolfgang von Goethe ausdrücken. Dies lautet (leicht gekürzt) so:
Der Sommer folgt. Es wachsen Tag und Hitze,
und von den Auen dränget uns die Glut; […]
Der Donner rollt, schon kreuzen sich die Blitze,
die Höhle wölbt sich auf zur sichern Hut.“
Und schließlich einen letzten E-Mail-Schreiber möchte ich zitieren. Christian Siebert meldete sich aus Berlin mit folgenden Zeilen:
Liebe Redaktion,
lange Zeit habe ich keinen Empfangsbericht mehr gesendet, obwohl ich nach wie vor einige Male pro Woche Ihr Programm höre. Heute habe ich RRI mit meinem Collins 51J-4 und einigen Metern Draht als Antenne im 4. Stock eines Berliner Mietshauses gehört. Ich hatte diesen großen Empfänger wegen einer kritisch zu empfangenen Station ohnehin in Betrieb – für das starke, saubere Signal von RRI brauche ich ihn eigentlich nicht.
Besonders interessant fand ich heute den Bericht über die neue Regierung, den Besuch des amerikanischen Präsidenten in Polen und die Energiepolitik. Außerdem die Digitalisierung des Gastgewerbes, die ja auch bei uns immer weiter voran geht und den Bericht über Theater auf dem Land.
Auch Ihnen vielen Dank für das Feedback, lieber Herr Siebert.
So, das war’s im letzten Funkbriefkasten vor der Sommerpause. In den folgenden Wochen werden Sie Wiederholungen hören, mit frischer Hörerpost melde ich mich wieder am 17. September. Ich werde natürlich nicht die ganze Zeit weg sein und zumindest E-Mails lese ich auch zwischendurch. Bevor es zur versprochenen Audiodatei geht, noch schnell die Postliste:
Postbriefe erhielten wir von Brian Webb (Neuseeland), Christoph Paustian, Uwe Haferkorn, Michael Brawanski, Wolfgang Kühn und Georg Koch (alle aus Deutschland). E-Mails erhielten wir in den vergangenen zwei Wochen bis einschließlich Freitagnachmittag von Dmitriy Kutuzov (Dmitrij Kutusow) aus Russland, Josef Robl aus Österreich, Michal Hudák aus Tschechien sowie von Werner Schubert, Bernd und Willi Seiser, Alexandru Buşneag, Burkhard Müller, Petra Kugler, Michael Willruth, Siegbert Gerhard, Andreas Pawelczyk und Christian Siebert (alle aus Deutschland).
Und jetzt zur kleinen Sensation aus unserem Audioarchiv. Günter Grass hielt sich im November 1969 kurz in Bukarest auf. Anlass dazu war eine Literaturkonferenz des deutschen Germanisten und Komparatisten Eberhard Lämmert zum 20-jährigen Jubiläum der BRD und eine geplante Buch-Ausstellung mit zeitgenössischer deutscher Literatur. Doch dann kam es zu einem Eklat: Die rumänischen Behörden wollten aus Rücksicht auf das Bruderland DDR einige Bücher aus der Ausstellung herausnehmen – es ging namentlich um Autoren, die aus der DDR in die Bundesrepublik übersiedelt waren (oder rübergemacht hatten“, wie man damals sagte). Nach der Konferenz von Eberhard Lämmert sprach auch Günter Grass einige Minuten. Das Publikum war wohl sorgfältig ausgewählt worden, denn Grass amüsiert sich prächtig über die braven Zuhörer, die Professor Lämmert – anders als in Deutschland, wo die Jugend damals rebellierte – fast andächtig zugehört hatten. Und dann kam er nicht drum herum, als den Vorfall mit den Büchern zu erwähnen und als Zensur zu kritisieren. Daraufhin meldet sich eine Dame aus dem Publikum, vermutlich eine Lehrkraft der Bukarester Germanistik, und meint ziemlich linientreu“ (im Sinne der Kommunistischen Partei), dass das sozialistische Rumänien Rücksicht auf die internationale Politik nehmen müsse, gerade weil es im Vorjahr 1968 die bekannten Ereignisse“ in der Tschechoslowakei gegeben habe. Gemeint waren damit der Prager Frühling und der darauf folgende Einmarsch der Sowjettruppen in die Tschechoslowakei. Danach bricht die Aufzeichnung abrupt ab. (Mehr über die Hintergründe der Bukarester Literaturtagung ist einem interessanten Artikel von Ingmar Brandsch in der Siebenbürgischen Zeitung zu entnehmen.) Unser damalige Redakteur Jürgen Salzer war dabei in der Aula der Bukarester Jura-Fakultät und ließ das Tonbandgerät laufen. Gut verstaut und in äußerst schlechtem Zustand fand ich das Band vor ca. zwei Jahren in einem Schrank. Für die Restaurierung des Tonbandes, die mir die anschließende Digitalisierung ermöglichte, bedanke ich mich herzlichst bei Herrn André Huthmann vom Deutschen Rundfunkarchiv.
Im Folgenden hören Sie die Wortmeldung von Günter Grass, aufgezeichnet am 6. November 1969 in Bukarest. Sorin Georgescu dankt Ihnen fürs Zuhören und wünscht Ihnen einen angenehmen Sommer.
Audiobeitrag hören: