Hörerpostsendung 8.11.2015
Heute mit einem Kommentar zum Brandunglück in Bukarest und Zuschriften von Lutz Winkler, Jörg Hoffmann, Bernd Seiser, Heiner Finkhaus, Ulrich Wicke, Michael Lindner und Herbert Jörger.
Sorin Georgescu, 08.11.2015, 17:30
Zu aller erst möchte ich mich für die Anteilnahme unserer Hörer am tragischen Brandunglück in einem Bukarester Nachtclub bedanken, das mittlerweile 39 Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte. Während eines Rockkonzerts mit pyrotechnischen Einlagen am 30. Oktober hat zunächst eine Säule, dann die ganze Decke Feuer gefangen. Laut überlebenden Augenzeugen sei darauf eine Massenpanik ausgebrochen, wobei am Anfang nur ein enger Ausgang zur Verfügung stand. Die zumeist jungen Konzertbesucher hätten sich gegenseitig niedergetrampelt, viele Opfer starben an den Folgen der Brandwunden oder der Vergiftung mit Rauch und giftigen Gasausstößen, von den knapp 180 Verletzten schweben 48 noch in Lebensgefahr.
Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus) schrieb uns schon am nächsten Tag:
Liebe Mitglieder der deutschen Redaktion in Bukarest,
ich möchte Ihnen auf diesem Weg meine herzliche Anteilnahme an dem tragischen
Unglück mit den vielen Verletzten und Toten in Bukarest übermitteln.
Meine Gedanken sind bei den Angehörigen.“
Und Jörg-Clemens Hoffmann (aus Alsbach-Hähnlein, Hessen) schrieb:
Liebe deutsche Redaktion von Radio Rumänien International!
Ich möchte allen betroffenen Angehörigen meine tief empfundene Anteilnahme bezüglich der verheerenden Brandkatastrophe in Bukarest aussprechen. Ich war sehr betroffen, als ich die schlimme Nachricht aus den Medien erfuhr. Nur weil einfache, grundlegende Regeln scheinbar nicht beachtet wurden, fanden so viele junge Leute den Tod. Das ist sehr schlimm. Bleibt zu hoffen, dass aus dem Brand die notwendigen Konsequenzen gezogen werden und verbesserte Kontrollen durchgeführt werden, um zukünftig solche Tragödien zu verhindern.“
Auch Bernd Seiser (aus Ottenau, Baden-Württemberg) schrieb:
Unsere Anteilnahme, auch im Namen unserer gesamten Familie, möchte ich zu dem schrecklichen Brand vom Freitagabend ausdrücken.“
Vielen Dank für Ihre Anteilnahme, liebe Freunde, es war tatsächlich eine der schlimmsten Tragödien seit Jahrzehnten in Rumänien, die Regierung hat daraufhin eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen.
Das Unglück hat viele Fragen aufgeworfen, die so schnell nicht zu beantworten sein werden. Zum einen stellt sich die Frage nach der Schuld für den schrecklichen Unfall. Bereits hier gehen die Meinungen weit auseinander. Einige sehen die Inhaber des Clubs als die Hauptverantwortlichen, denn sie hatten die Kapazität des Lokals mit 80 Menschen bei den Behörden eingetragen, während in der Nacht des Konzerts mit tödlichem Ausgang nach bisherigen Ermittlungen 300 bis 500 Menschen auf engstem Raum gewesen sein sollen; die Medien berichteten, es habe sogar eine Abmachung mit der auftretenden Band gegeben, wonach diese keine Miete für den Abend hätte bezahlen müssen, wenn sie es schafft, mindestens 300 Fans in den Club zu bringen. Es liegt auf der Hand, dass es an kriminelle Fahrlässigkeit grenzt, hunderte Menschen in einen Raum ohne genügend Fluchtwege hereinzulassen. Zum anderen soll die Schallisolation des Raums aus leicht entflammbarem Schaumstoff gewesen sein, der überdies bei Brand giftige Gase freisetzt. Ein Vertreter der Firma, die die Schallabdichtung im Club bewerkstelligt hat, behauptet nun, er habe den Club-Betreibern feuerfesten Stoff empfohlen, was diese aber aus Kostengründen abgelehnt hätten. Fraglich ist auch, wer unter solchen Umständen die Pyrotechnik im geschlossenen Raum zu verantworten hat und ob sie überhaupt erlaubt war. Der inzwischen zurückgetretene Bürgermeister des 4. Bukarester Stadtbezirks zeigte sich, eingedeckt mit allerhand Papierkram, unbeeindruckt und wies jede Verantwortung von sich: Die Behörden unter seiner Obhut würden laut Gesetz keine Verfügungen erlassen dürfen, die Betreiber von Spaßstätten und Events bräuchten allein eine Erklärung auf eigener Verantwortung abzugeben, dass sie für Sicherheit garantieren – alles andere überprüfe die Feuerwehr bei Bedarf. Erst vor einigen Tagen hat man die Gesetzeslage entsprechend geändert – nun darf der Katastrophenschutz Lokale sofort schließen, die den bau- oder feuerpolizeilichen Vorschriften nicht entsprechen.
Andere Kommentatoren (darunter auch ausländische Journalisten) übten sich in einer Rhetorik der diffusen Kollektivverantwortung in einem von Korruption befallenen Staat. Viel zu leicht würden Genehmigungen gegen Bestechung erteilt. Und die Gesetzgebung sei so unübersichtlich und oft so kompliziert, dass man als Unternehmer dem Bau- oder Feuerwehrinspekteur lieber etwas zustecke, als für ordentliche Verhältnisse zu sorgen. Oder, im Umkehrschluss: Die Inspekteure würden die geplagten Unternehmer mit Kontrollen für jede Kleinigkeit überhäufen, bis diese einknicken und den allgemein üblichen Obolus entrichten würden. Und schließlich seien auch die Bürger dafür mitverantwortlich, wenn sie sich gegen Missstände nicht beschweren.
Nun, ich teile diese Auffassung nicht ganz. Es stimmt zwar, dass zu Korruption immer zwei Parteien gehören: der, der Schmiergeld bezahlt, und der, der sich bestechen lässt. Doch mit solchen verallgemeinernden Binsenwahrheiten lassen sich weder Schuldige finden noch tragische Unfälle dieser Art künftig vermeiden. Für das Unglück sind keineswegs nur die Konzertveranstalter oder die Konzertbesucher verantwortlich zu machen, die vielleicht sogar in Kauf nahmen, dass in solchen Zappelläden jederzeit etwas passieren kann. Leichtsinn ist – vor allem im jungen Alter – keine seltene Erscheinung. Wer ist aber dafür verantwortlich, dass das Brandschutzamt in der Millionenstadt Bukarest offensichtlich nur ineffizient kontrolliert? Wer ist für die verworrene Gesetzeslage verantwortlich und dafür, dass viel zu viele Lokale in ungeeigneten Räumlichkeiten überhaupt eröffnet werden durften? Korruption allein reicht da als Erklärung nicht aus, man muss auch das Desinteresse der politischen Akteure erwähnen und jene neoliberale Gedankenschule hinterfragen, die seit Jahren von einer aufgebauschten Bürokratie faselt und den Staat am liebsten abschaffen würde. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin weder für Überregulierung noch für einen allmächtigen Staat, der Unternehmer schikaniert. Wenn man aber grundlegende Bereiche wie die Sicherheit der Bürger oder Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, sich selbst oder dem Markt überlässt, kommt es zwangsläufig zu unberechenbaren und unkontrollierbaren Entwicklungen. Und wenn die Ärzte Rumänien weiterhin massenhaft verlassen und Krankenhäuser geschlossen werden oder nur mit spärlichen Mitteln und Ausrüstung auskommen müssen, wird eine schlimmere Katastrophe die Hölle auf Erden sein. Ganz treffend formulierte es ein Bukarester Arzt, der die Opfer des Brandunglücks versorgte, er schrieb sinngemäß auf seiner Facebook-Seite: Wir waren alle Ärzte im Einsatz, etwa 800 bis 1000 Ärzte für 180 Patienten mit schweren Verletzungen; genauso viele Ärzte braucht man in solchen Fällen, mehr sind wir nicht, das waren alle in Bukarest verfügbaren Ärzte. Und dann frage ich: Was würde passieren, wenn uns eine Naturkatastrophe mit 2000 Verletzten beschert wird? Ich sage Euch, was passiert: Dann holt uns alle der Teufel!“
Kurzum: Die Justiz wird klären müssen, ob die inzwischen in U-Haft sitzenden Betreiber des Lokals wegen fahrlässiger Tötung oder – wie die Staatsanwaltschaft fordert – wegen Mordes zur Verantwortung gezogen werden. Und welche Rolle der Pyrotechniker dabei hatte und ob das Feuerwerk im Club genehmigt war. Eine Durchsuchung bei der Firma, die die Feuerwerkskörper zur Verfügung stellte, ergab, dass man Beweismittel zu zerstören versucht habe. Daraufhin wurden die Inhaber festgenommen und Unterlagen sichergestellt. Ob auch Politiker oder Behördenleiter zur Verantwortung gezogen werden, muss sich noch zeigen; wenn man sich die Geschichte ähnlicher Tragödien weltweit anschaut, kam es aber eher selten vor, dass Politiker mehr als nur ihr Amt danach verloren haben. Immerhin wurde auch der Bezirksbürgermeister am Freitag festgenommen, über die Untersuchungshaft sollte ein Gericht schon Samstag entscheiden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Bürgermeister und anderen Beamten Amtsmissbrauch vor, die Genehmigung für die Betreibung des Clubs soll unrechtmäßig ausgestellt worden sein.
[Update nach Aufzeichnung dieser Sendung: Die Zahl der Todesopfer des Brandunglücks beziffert sich inzwischen auf 44; über 100 Verletzte werden noch in Krankenhäusern behandelt, etwa 40 schweben weiterhin in Lebensgefahr. Rund 20 Verletzte wurden zur weiteren Behandlung ins Ausland geflogen. Cristian Popescu, der Bürgermeister des 4. Bukarester Statdbezirks, und zwei Beamtinnen aus dem Ressort Gewerbegenehmigungen sind nach der Entscheidung des Bukarester Landgerichts für 30 Tage in U-Haft genommen worden. Die Genehmigung für die Betreibung des Unglück-Clubs sei ohne Bescheid des Brandschutzes und damit unrechtmäßig und amtsmissbräuchlich erteilt worden, begründete die Staatsanwaltschaft ihren Antrag. Ebenfalls in U-Haft landeten die beiden Inhaber der Feuerwerksfirma und ein im Unternhemen angestellter Pyrotechniker. Dem Pyrotechniker wird angelastet, die Feuerwerkskörper ohne die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen im Raum aufgestellt zu haben, die Unternehmer beschuldigt, Firmenunterlagen über den Auftrag in Form von elektronischen Dateien zu löschen versucht zu haben.]
Und jetzt zu anderen Themen. Immer wieder sind uns Hörer dankbar, dass wir auch aus dem Nachbarland Moldaurepublik berichten. So etwa schrieb Heiner Finkhaus (aus Gescher im Münsterland) in seinem Postbrief:
Mit fällt in Ihren politischen Beiträgen immer wieder auf, dass Sie oft aus Moldawien berichten. In unseren Medien ist kaum etwas über dieses Land zu finden, es sei denn, man sucht gezielt z.B. im Internet.“
Und auch Ulrich Wicke (Felsberg, Hessen) schrieb:
Immer wieder lobenswert finde ich, dass Ihr auch über die Lage in Eurem Nachbarland Moldawien berichtet. Aus Eurem heutigen Bericht geht hervor, dass sich aufgrund der zunehmenden innenpolitischen Spannungen Moldawien zu einem weiteren europäischen Krisenland entwickeln könnte. In den deutschen Medien ist das bislang noch kein Thema. Als Hörer des Auslandsrundfunks (natürlich auf analoger Kurzwelle) hat man einen Informationsvorsprung.“
Vielen Dank für Ihre Zeilen, liebe Freunde. Es gehört zum Auftrag unseres Senders, auch die Situation im Nachbarland zu beobachten und regelmäßig darüber zu berichten.
Der Hörertag vom vergangenen Sonntag zum Thema Flüchtlinge in Europa ist auf Interesse gestoßen. Insgesamt sechs Beiträge aus Deutschland und je einen aus Österreich und der Schweiz erhielten wir, mit weiteren Beiträgen von Hörern aus anderen Ländern, haben wir einen gelungenen Mix gebracht, bescheinigen uns die Hörer. So etwa schrieb Michael Lindner (aus Gera, Thüringen) per E-Mail:
Liebe Freunde in der deutschen Redaktion!
Wieder ist ein sehr interessanter Hörertag zu Ende gegangen. Wie ich es schon vermutete, wurde das diesjährige Thema „Flüchtlinge” sehr unterschiedlich von den vielen Hörerfreunden kommentiert. Daran ist in der Tat zu erkennen, dass es für das Flüchtlingsproblem leider keine Lösung gibt, mit der alle Parteien zufrieden leben können. Fakt ist, dass die vielen unterschiedlichen Meinungen letztendlich dazu beitragen, dass das eigentliche Problem nicht gelöst wird und die Flüchtlinge darunter zu leiden haben. Eigentlich sollten in Notsituationen alle Parteien und Organisationen konsequent an einem Strang ziehen, nur so wären Erfolge schnell und nachhaltig zu erreichen. Aber davon sind momentan Deutschland und Europa weit ab. Die Flüchtlinge werden weiterhin kommen, das Chaos wird immer größer, wie lange sollen das Deutschland und Europa noch aushalten?“
Und Herbet Jörger (aus Bühl, Baden-Württemberg) meinte:
Die Hörersendung am 1.11.2015 war sehr interessant. Es zeigte sich, dass viele Hörer sich ernsthaft mit der Flüchtlingspolitik befassen. Die Parteien in Deutschland sind zerstritten, auch die europäischen Länder finden momentan keinen Weg, um die vielen nachfolgenden Immigranten aufzuhalten. Die Kriege müssen beendet werden, damit die Menschen in ihren Ländern bleiben und die einheimische Industrie Fortschritte machen kann. Den Schleuserbanden in Asien und Afrika muss dringend das Handwerk gelegt werden, damit nicht noch mehrere im Mittelmeer ihren Tod finden.“
Bernd Seiser (aus Ottenau) freute sich, seine Hobby-Kollegen und Freunde gehört zu haben:
Mit großem Interesse habe ich die Hörertag-Beiträge unserer Hörerklubmitglieder Herbert Jörger, Werner Schubert, Hans Verner Lollike und Michael Lindner verfolgt, die damit einmal mehr unseren RTI-Hörerklub Ottenau repräsentiert haben und bei denen ich mich an dieser Stelle für ihre Teilnahme am Hörertag von RRI bedanken möchte.“
Liebe Freunde, danke für das Feedback, und damit gehe ich gleich zur Posteingangsliste über.
Briefe oder Empfangsberichte per Post erhielten wir von Brian Webb (Neuseeland), Wolfgang Waldl (Wien, Österreich), Sandro Blatter (Schweiz) sowie von Gerhard Marschall (u.a. mit einer schönen Postkarte), Christoph Paustian (mit gleich zwei Briefen und mehreren Zeitungsausschnitten), Peter Thränert, Wolfgang Kühn, Thomas Jeske, Christoph Jestel, Heiner Finkhaus, Monika und Horst Kuhn, Ulrich Wicke (alle aus Deutschland).
E-Mails erhielten wir bis Samstagnachmittag von Klaus Karusseit (Schweden), Hans-Martin Friedrich (Schweiz), Georg Pleschberger (Österreich), Arman Sabciyan (Türkei) sowie von Klaus Nindel, Ralf Urbanczyk, Michael Lindner, Werner Schubert, Lutz Winkler, Bernd Seiser, Jörg-Clemens Hoffmann, Herbert Jörger, Erik Öffinger, Dietmar Wolf und Heinz-Günter Hessenbruch (alle aus Deutschland).
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