Hörerpostsendung 27.3.2016
Heute mit der Beantwortung der Fragen unserer Hörerin Beate Hansen und den Zeilen von Lutz Winkler.
Sorin Georgescu, 27.03.2016, 17:30
Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI, heute am Ostersonntag in der Katholischen und der Evangelischen Kirche. Daher: Fröhliche Ostertage im Namen unserer Redaktion an alle, die heute feiern! In Rumänien leben laut der Volkszählung von 2011 knapp 870.000 Menschen römisch-katholischen Glaubens unterschiedlicher Muttersprache, etwa 600.000 meistens ungarischstämmige Anhänger der Reformierten Kirche, knapp 60.000 ungarischsprachige Unitarier und etwa 20.000 lutherisch-evangelische Gläubige – die zuletzt genannten sind meistens Siebenbürger Sachsen. Für all diese Menschen in Rumänien ist heute der Ostersonntag; für die 16,3 Millionen Menschen zählende orthodoxe Mehrheit und für und die etwa 160.000 Gläubigen der Griechisch-Katholischen Kirche ist heute ein Sonntag wie jeder andere, und Ostern wird bei ihnen erst fünf Wochen später gefeiert, also just am 1. Mai. Im Jahr 2014 haben Ost- und Westkirchen am selben Sonntag Ostern gefeiert, nämlich am 20. April. Das ist eher die Ausnahme, denn meistens fällt das orthodoxe Osterfest später. Die Differenz beträgt null bis fünf Wochen, bei der Berechnung des Osterfestes halten alle orthodoxen Kirchen (mit Ausnahme der finnisch-orthodoxen Kirche) am julianischen Kalender fest. Gemeinsam gefeiert wird erneut 2017 und dann erst in den Jahren 2025 und 2028 wieder. An dieser Stelle vielen Dank an alle Hörer für die Ostergrüße, die Sie in fünf Wochen natürlich wiederholen dürfen, wenn Sie möchten.
Und jetzt zu Hörerzuschriften.
Beate Hansen (aus Hessen) schrieb uns vor knapp drei Wochen eine längere E-Mail mit mehreren Fragen zu den Sendinhalten:
Guten Tag, liebe deutschsprachige RRI-Redaktion,
heute möchte ich mal einige Anmerkungen zu Ihrem Programm schreiben, von dem ich praktisch keine Sendung (jedenfalls keine der 19-Uhr-UTC-Sendungen) verpasse (meist höre ich sie allerdings erst am Wochenende via Internet nach).
Zuerst ein paar Bemerkungen, die Ihnen zeigen sollen, dass Ihre Beiträge sich nicht einfach „ins Nichts versenden”, auch wenn Sie womöglich keine konkreten Hörer-Reaktionen darauf bekommen:
Die Lektüreempfehlung der Bücher von Patrick Leigh Fermor vor ein paar Wochen (und deren Wiederholung in der Abendsendung vom Freitag ist auch Anlass für diese Mail) hat mich dazu animiert, seine Reisebeschreibung in der hiesigen Bibliothek auszuleihen. Historische Reiseberichte habe ich schon immer gemocht, aber der Name Fermor war mir bisher nicht über den Weg gelaufen. Nun lese ich den ersten Teil (gerade ist er in Wien gen Osten aufgebrochen) schon seit dem vorigen Wochenende mit viel Vergnügen und Genuss – also herzlichen Dank für diesen Tipp!
Der Bericht über Conservation Carpathia in der vorletzten Woche war spannend und hat mich dazu veranlasst, den Schweizer Verein „Bergwaldprojekt” (dem ich schon im Urlaub in den Alpen bei der Waldarbeit geholfen habe) zu kontaktieren, weil der – außer in den Alpen – auch in den ukrainischen Karpaten wirkt und m.E. gut zu Conservation Carpathia passt. Mal sehen, was draus wird.
„Pro Memoria” – sowieso eine meiner Lieblingssendungen bei RRI – trägt manchmal auch zum Verständnis der aktuellen Entwicklungen bei, so z.B. die Sendung „Die Amis kommen” über die Befreiungshoffnungen auf die US-Armee: Damit wird schon ein bisschen klarer, warum Rumänien sich so eng an die USA anschließt, was u.a. in den häufigen Erwähnungen des US-Botschafters zum Ausdruck kommt – Hans Klemm hat die Korruptionsbekämpfung in Rumänien gelobt, zum Thema x dies und zum Thema y das gesagt; hier im „alten Europa”, wo kaum jemand weiß, wie der aktuelle US-Botschafter heißt, geschweige denn, wie er sich kürzlich wozu geäußert hat, wirkte das ohne diese Hintergrundinformationen etwas merkwürdig.
Und nun noch ein paar Fragen zu den Sendungen der letzten Wochen – die sind nicht sonderlich aktuell, weil ich noch eine Weile auf „Aufklärung” in einer weiteren Sendung gewartet hatte:
Von der Affäre der rumänisch-norwegischen Familie Bodnariu mit der norwegischen Regierung bzw. Kinderschutzbehörde ist seit einiger Zeit nichts mehr zu hören – aber was war da eigentlich los, und was wollten die Unterstützer-Demonstranten in Rumänien? Dass Kinder das Eigentum ihrer Eltern sind und von diesen geschlagen werden dürfen? Soweit ich weiß, ist die Körperstrafe in Rumänien ebenso wie in Norwegen und anderen zivilisierten Ländern verboten – also muss doch irgendwie mehr dahinterstecken?
Die Diskussionen über das Wahlgesetz zu den Kommunalwahlen habe ich nicht verstanden: Warum sind manche für die zweistufige Wahl und manche für einen einzigen Wahlgang, und welche Rolle spielt die derzeitige Regierung dabei?
Ähnlich unklar waren mir die Debatten um das Briefwahlgesetz – wieso meinte der Ungarnverband, das Gesetz (aus hiesiger Sicht das Normalste von der Welt) sei verfassungswidrig?
Sie merken schon, an manchen Stellen fehlen mir Hintergrundinformationen und vor allem auch Kommentare, die uns Hörern – für die RRI ja meist die einzige Informationsquelle über Rumänien ist – die „fremdartigen” Phänomene erklären: An Ausdrücke wie „promulgieren” und „Akte” hat man sich ja mittlerweile gewöhnt, aber zum wirklichen Verständnis wäre gelegentlich eine prononcierte Einordnung und Bewertung doch hilfreich.
Nach dieser leisen Kritik bzw. „Vermisstenanzeige” möchte ich zum Schluss aber vor allem Ihre Sendungen loben – die sind nicht nur informativ und sympathisch präsentiert, sondern geben auch ein schönes umfassendes Bild Ihres Landes, und was will man als Hörer schließlich mehr :-).
Liebe Frau Hansen, zunächst einmal vielen Dank für die freundlichen Worte und für das Lob. Und natürlich nehmen wir auch Kritik gerne entgegen, zumal ich auch finde, dass die Nachrichtenredaktion manchmal bestimmte Geschichten nicht einleuchtend genug für ausländisches Publikum präsentiert oder nicht lange genug am Ball bleibt, so dass beim Mediennutzer eine gewisse Unzufriedenheit entsteht. Aber das passiert auch in den westlichen Medien, wenn z.B. etwas Dramatisches wie ein Attentat passiert, werden alle anderen Themen plötzlich vernachlässigt.
Aber nun zu Ihren Fragen. Die Affäre Bodnariu hat vielleicht gar nicht die Aufmerksamkeit verdient, die sie hierzulande erlangt hat. Und es war vor allem die Yellow Press, also die Boulevardpresse, die den Fall genüsslich breittrat und damit Emotionen hochkommen ließ. Worum ging es: Einem in Norwegen lebenden rumänisch-norwegischen Ehepaar (sie ist Norwegerin und Krankenschwester, er ist Rumäne und IT-Spezialist) hat das dortige Jugendamt das Sorgerecht für die fünf Kinder im Alter von vier Monaten bis 9 Jahren entzogen. Eine Lehrerin soll von den älteren Mädchen erfahren haben, dass die Kinder zuhause körperlich gezüchtigt werden. Daraufhin schaltete sich das unter dem Namen Barnavernet bekannte norwegische Kinderschutzamt ein. Zusätzlich warf man dem Ehepaar, das der Pfingstler-Gemeinschaft angehört, vor, die Kinder religiös zu indoktrinieren. Die Bodnarius sahen das allerdings als Missbrauch und prangerten die Behörde an, die traditionellen Familienwerte zerstören zu wollen und sie wegen ihrer Religion zu diskriminieren. Der Fall ist äußerst umstritten und wird immer noch vor Gericht verhandelt – die Bodnarius haben die erstinstanzliche Entscheidung angefochten. Und das ist es eigentlich schon, denn mehr weiß man dazu noch nicht und mehr als eine Meldung wäre der Vorfall vorerst nicht wert gewesen. Laut rumänischen Medien soll aber die Akte unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden, was wiederum einige Fragen aufwerfe. Beispielsweise dass das norwegische Jugendamt voreilig handle und dass es auch in der Vergangenheit Fälle gegeben habe, in denen die Eltern vor Gericht entlastet worden seien, und dass die Behörde ohnehin nur versuche, die eigenen Fehler zu vertuschen. Ich kann leider kein Norwegisch und daher auch die Medien aus diesem Land nicht lesen. Und den rumänischen Medien – insbesondere denen, die den Fall ausgeschlachtet haben – traue ich nicht, zumal da im Unterton angedeutet wurde, dass ein Klaps auf den Po oder eine Ohrfeige ja eine Lappalie seien, die in der traditionellen Erziehung schon mal vorkommen dürften.
Und gerade diese Art von Berichterstattung hat eine bestimmte Sorte von Protestlern auf den Plan gerufen, die immer noch traditionelle rumänische Sprüche klopfen wie Ich hab’ dich gezeugt, ich bring‘ dich um“ oder Eine Tracht Prügel ist ein Stück Himmel auf Erden“. Was Sie also in unserer Sendung über Proteste gehört oder nachträglich auf der Webseite gelesen haben, war bloß ein bisschen unglücklich übersetzt, da hätte man getrost den Konjunktiv etwas mehr bedienen müssen. Denn es ging nicht darum, dass DIE Rumänen gegen das norwegische Jugendamt Sturm liefen, sondern nur dass in Rumänien und einigen westeuropäischen Städten insgesamt höchstens ein paar tausend Rumänen auf die Straße gingen, um die Bodnarius zu unterstützen und ihren Frust gegen die säkulare Gesellschaft loszuwerden. Dem ersten Eindruck nach stammen die Leute, die da protestierten, größtenteils aus der erzkonservativen und ultrareligiösen Ecke, die körperliche Strafen immer noch befürwortet. Selbstverständlich sind auch in Rumänien Körperstrafen gesetzlich verboten. Doch immer wieder tauchen Medienberichte oder heimlich aufgezeichnete Filme auf, in denen überforderte Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrerinnen und Lehrer zu sehen sind, die Kinder unter ihrer Obhut anbrüllen oder drangsalieren. Das Phänomen der körperlichen Züchtigung scheint also durchaus immer noch eine gewisse Verbreitung zu haben.
Hinsichtlich des Wahlgesetzes: In manchen Regionen stehen bestimmte Parteien besser in der Wählergunst, daher sind diese Parteien für einen einzigen Wahlgang bei den Kommunalwahlen, denn eine zweistufige Wahl könnte dem Favoriten u.U. einen Strich durch die Rechnung machen. Und was die Briefwahl anbelangt: Die Ungarnpartei lehnte nicht die Briefwahl per se ab, sondern nur das Briefwahlgesetz in seiner damaligen Form, und hatte das Verfassungsgericht mit einigen Änderungsvorschlägen angerufen. Konkret beanstandete die Partei der ungarischen Minderheit, dass die Briefwahl nur für die Parlamentswahl, aber nicht auch für die Präsidentenwahl gilt. Denn die Verfassung schreibt die Direktwahl des Staatschefs vor, womit die Wähler verpflichtet werden, an den Urnen vorstellig zu werden. Somit werde den Auslandsrumänen erneut die Wahl des Staatsoberhauptes erschwert, lautete das Argument der Ungarnpartei. Außerdem wurden einige Formalien kritisiert, die das Wahlgeheimnis gefährden würden. Das Verfassungsgericht hat aber Anfang November 2015 anders entschieden und die Verfassungsbeschwerde des Ungarnverbands abgelehnt. Das Verfassungsgericht begründete das Urteil damit, dass eine Briefwahl für die Präsidentenwahl, die nur für Auslandsrumänen gelte, diesen Bürgern einen Privilegiertenstatus einräumen würde, womit Artikel 16 des Grundgesetzes verletzt werde. Dort steht nämlich ausdrücklich: Alle Bürger haben gleiche Rechte vor dem Gesetz und den staatlichen Behörden, ohne Privilegien und ohne Diskriminierung.“
Liebe Frau Hansen, ich hoffe, Ihre Fragen damit zufriedenstellend beantwortet zu haben.
Zum Schluss noch die Zeilen von Lutz Winkler aus Schmitten im Taunus, wo es Anfang des Monats noch eher nach Winter aussah:
Liebe Freunde der deutschen Redaktion in Bukarest,
der erste Frühlingsmonat steht im Kalender – doch vom Frühling ist kaum etwas zu spüren. Täglich schneit es – es ist aber nasskalt, so dass vom Schnee kaum etwas liegen bleibt. So kann ich dem Radiohobby noch etwas länger frönen – bevor der Garten ruft. Der Empfang der Sendungen ist wie immer sehr gut, ich habe neulich eine alte Aufnahme gefunden, in der Radio Rumänien International in Sachen Verständlichkeit und Empfangsstärke mein Sorgenkind war. Aber das ist lange her. Die Sendungen sind klar und deutlich zu verstehen.
Die Sendungen von Radio Rumänien International gefallen mir eigentlich immer wieder, diese sind sehr authentisch. Mir gefallen besonders die Kultursendungen und die Musiksendungen, aber auch die Sendungen, in denen Sie über die Schattenseiten der rumänischen Gesellschaft sprechen: Korruption und Vetternwirtschaft. Ich glaube aber, da muss sich Deutschland auch nicht verstecken, wenn ich z.B. die jetzige Entwicklung der Energiepreise sehe. Das Erdöl ist billig wie nie – jedoch der Gaspreis, dessen Entwicklung aus mir unverständlichen Gründen an den Ölpreis gebunden ist, fällt auf keinen Fall. Da hilft es nur, sich einen preiswerteren Anbieter zu suchen.
Lieber Herr Winkler, vielen Dank für Ihre Zeilen und für das Feedback zu unseren Sendungen. Auch in Bukarest will es nicht so richtig Frühling werden, einige Tage Sonnenschein hatten wir zwar, doch in dieser Woche war es eher regnerisch und kalt.
Ganz zum Schluss die Posteingangsliste. Briefe habe ich mir erst am Freitag aushändigen lassen und lese sie daher bis nächsten Sonntag durch. E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Christian Mayer (Österreich), Bernd und Willi Seiser, Hans Vollmer, Heinrich Eusterbrock, Herbert Jörger, Andreas Pawelczyk, Andreas Fessler, Michael Lindner, Klaus Nindel, Dieter Feltes, Johannes Wenzel, Werner Schubert, Elke und Hans Kopyciok sowie Sieghart Brodka (alle aus Deutschland).
Sorin Georgescu sagt danke fürs Zuhören und wünscht Ihnen frohe Ostertage.
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