Hörerpostsendung 22.3.2015
Heute mit Zuschriften von unseren Hörern Andreas Pawelczyk und Ralf Urbanczyk aus Deutschland sowie ein paar Gedanken zur Korruption und Korruptionsbekämpfung in Rumänien.
Sorin Georgescu, 22.03.2015, 17:45
Heute in einer Woche werden Sie unseren Sender auf den neuen Sommerfrequenzen empfangen können, daher möchte ich heute zu Beginn die Frequenzen erneut durchgeben, damit auch Hörer ohne Internetzugang die Möglichkeit haben, sie mitzubekommen. Hörer mit Internetzugang brauchen nicht mitzuschreiben, die Sommerfrequenzen finden Sie bereits auf unserer Homepage, und zwar im Abschnitt Über uns“ – Unterabschnitt Frequenzen“. Dort sind auch alle Frequenzen seit Frühjahr 2013 zu finden, falls jemand eine Übersicht der in den letzten Jahren genutzten Wellenlängen braucht. Der Button Frequenzen“ oben rechts auf unserer Webseite führt momentan noch zu den aktuellen Winterfrequenzen, ab dem 29. März wird er dann zu den Sommerfrequenzen führen.
[Durchsage Sommerfrequenzen 2015]
Und jetzt zu Hörerzuschriften. Andreas Pawelczyk (der in Mannheim zuhause ist) hört nicht nur unsere Sendungen, sondern liest auch den einen oder den anderen Beitrag gerne auf unserer Homepage nach. Gleich zweimal schrieb er uns dazu in den letzten Wochen. Zunächst zu einer unlängst veröffentlichten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über Jugendliche in Rumänien, über die wir im Sozialreport berichteten, schrieb uns Herr Pawelczyk:
Vor etwa zwei Monaten lief eine interessante Sendung bei Ihnen und zwar über Jugendliche in Rumänien, die ich nochmals intensiv in Ihrem Internetauftritt nachgelesen habe.
Was wurde da von der Friedrich-Ebert-Stiftung festgestellt? Jugendliche in Rumänien sind 15-29 Jahre alt, so deren Definition. Über 50% meinen, dass das Land sich nicht auf dem richtigen Weg befindet. Fast 50% leben noch bei den Eltern. Das Heiratsalter steigt dauernd an. 8,6% der Dorfjugendlichen haben überhaupt kein Buch im Haus, während 19% von ihnen über 100 Bücher im Haus haben. Von den Stadtjugendlichen haben 4,4% kein Buch im Haus, während 27% mehr als 100 Bücher besitzen. 30% der Jugendlichen besuchen schon eine Universität. Gebildete haben auch wieder verstärkt gebildete Kinder.
80% der Jugendlichen sind orthodoxen Glaubens und ein Drittel glaubt nicht an Gott. 33% von ihnen haben einen Vollzeitarbeitsplatz. Für die Wahl des Arbeitsplatzes ist das Gehalt entscheidend. Die meisten wollen in der Privatwirtschaft arbeiten. 19% von ihnen wollen ein totales Verbot der Abtreibung und 37% wollen die Abtreibung nur in Notsituationen.
Über 75% meinen, dass gut aussehen, frei und unabhängig sein, Sport treiben und Karriere machen heute modisch sei.
Ich finde solche Umfragen sehr interessant. Deshalb – machen Sie weiter so!“
Und nach den letzten Korruptionsskandalen und strafrechtlichen Ermittlungen gegen Spitzenpolitiker in Rumänien meldete sich Herr Pawelczyk diese Woche erneut, nun etwas fassungslos im Ton:
Das hält man doch nicht für möglich! Schon wieder ein Korruptionsskandal in Rumänien. Jetzt ist auch noch Finanzminister Vâlcov wegen Korruptionsverdacht aus seinem Amt zurückgetreten. Er soll aufgrund eines Vorwurfs von der rumänischen Antikorruptionsbehörde früher als Bürgermeister von Slatina Bestechungsgelder von einer Firma in Höhe von 2 Mio. Euro entgegengenommen haben. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile die Ermittlungen zu diesem Thema aufgenommen.
Da kann sich [Ministerpräsident] Victor Ponta mit solchen Ministern nicht gerade mit Ruhm bekleckern, zumal möglicherweise weitere frühere 13 Minister aus Ponta-Regierungen auch unter solchen Verdacht stehen. Da mag ja vielleicht die rumänische Geschenkfreude bei kleinen Geldbeträgen ja richtig nett sein und von einem Nichtperfektionismus zeugen und von Menschlichkeit wohl auch noch, aber bei solchen Geldbeträgen geht einem Normalbürger der „Rolladen” runter.
Es stellt sich die Frage: Sind rumänische Beamte so schlecht bezahlt, dass solche Korruptionsfälle keine Einzelfälle sind? Oder gehört dies einfach zur rumänischen Kultur dazu? Was kann der rumänische Präsident tun, um Rumänien nicht zu einer „Bananenrepublik” verkommen zu lassen? Aber nichts für Ungut. In Deutschland gibt es ja auch etliche Fälle, bloß dass man sie nicht Korruption nennt.“
Vielen Dank für Ihr Interesse an unseren Programmen und somit auch an Rumänien schlechthin, lieber Herr Pawelczyk. Ihre Frage ist nicht leicht zu beantworten. Prinzipiell lässt sich wohl kaum sagen, dass Korruption irgendeiner Kultur per se innewohnt. Wenn aber soziale Missstände dazu führen, dass man sozusagen von der Wiege bis zur Bahre kleine Gefälligkeiten und Geschenke“ machen muss, um sich ganz normale Bedürfnisse oder Ansprüche zu erfüllen, so kann Bestechen und Bestechlichkeit durchaus zur zweiten Natur werden. Vom kleinen und schlecht bezahlten Beamten, dem man etwas zusteckt, damit ein Ansuchen schneller erledigt wird, über den miserabel bezahlten Facharzt im öffentlichen Gesundheitssystem, der quasi offizielle Preislisten für bestimmte medizinische Eingriffe führt, bis hin zum Dorfpopen, der für seinen seelsorgerischen Einsatz auch gerne etwas entgegennimmt – es ist ein allgemeines Geben und Nehmen.
Und es ist schon etwas sonderbar, dass es im Rumänischen recht viele Wörter für Schmiergeld oder das Wohlwollen fördernde Geschenke gibt, Wörter, die eine ebenso mannigfaltige Herkunft haben. Da gibt’s zum einen die aus dem Türkischen entlehnten und inzwischen veralteten Wörter peşcheş und haraci, womit man am Anfang den Tribut bezeichnete, den die Donaufürstentümer Moldau und Walachei dem Osmanischen Reich entrichten mussten. Später bezeichnete man das Schmiergeld für Beamte und Potentaten mit dem türkischen Lehnwort ruşfet und dem slawischen mâzdă. (Letzteres klingt im Rumänischen übrigens fast schmierig, da es dem Wort für Matsch, Straßenschmutz – mâzgă – zum Verwechseln ähnlich ist.) Die altslawischen Wörter mită und plocon sowie das russische şpagă fanden ebenfalls ihren Weg ins Rumänische. Das persisch-türkische Wort bacşis bezeichnet heute das normale Trinkgeld. Und schließlich musste auch die deutsche Sprache für die Bereicherung des rumänischen Wortschatzes herhalten: Das rumänische Wort sperţ soll aus der deutschen Vokabel Sperrzeug kommen – darunter verstand man früher einen Bund stählerner Haken für das Öffnen eines Türschlosses in Ermangelung des Schlüssels. Dieser Bedeutungswandel bei der Entlehnung dürfte wohl vom Galgenhumor der Rumänen zeugen, wenn ein Utensil für Hausmeister und Einbrecher zum Synonym für Schmiergeld wurde.
Für den kleinen Mann ist dieses Geben und Nehmen ein Zurechtrücken der schlecht funktionierenden Marktwirtschaft oder ein Geradebiegen der verzerrten Verhältnisse im öffentlichen Dienst. Auch in Griechenland ist es gang und gäbe, Beamten und Ärzten etwas zuzustecken, dort heißt diese Form von Korruption sogar ganz prosaisch Fakelaki – kleiner Umschlag. Es gibt also schon eine gewisse Tradition am Balkan, sich unter widrigen Umständen irgendwie durchzuschlängeln. Damit will ich die kleine Korruption keineswegs verharmlosen, sondern bloß eine Erklärung für diesen Ersatzmechanismus versuchen, der dann zum Zuge kommt, wenn kein normales Verhältnis zwischen Bürger und Staat oder zwischen Kunde und Dienstleister hergestellt werden kann.
Doch es sind die große Korruption und die Höhe der Schmiergelder, die uns allen in Rumänien in den letzten Monaten die Sprache verschlagen lassen. Gegen immer mehr Spitzenpolitiker aus allen Parteien und gegen ranghohe Beamte wird nun strafrechtlich ermittelt. Dabei sollen Bestechungsgelder in Höhe von dutzenden Millionen Euro für Begünstigungen im Geschäft mit dem Staat oder für illegale Rückerstattungen, für überteuerte Anschaffungen oder für Lizenzvergaben geflossen sein. Parteiübergreifend war dabei der Eifer, mit dem diese Schmiergelder unter den Beteiligten aufgeteilt wurden. Nun beschuldigen sich einige Verdächtigte oder Beschuldigte gegenseitig oder versuchen, die Tatsachen zu verschleiern oder umzudrehen, dass einem nur noch die Kotze kommt. Sorry für den derben Ausdruck, aber mehr kann man dazu wirklich nicht sagen.
Es ist aber auch Hoffnung da, denn die Justizbehörden lassen sich nicht einschüchtern und ermitteln unbeirrt weiter. Fast täglich kommen neue Details der Korruptionsaffären ans Licht, es gibt keine Woche, in der keine Spitzenpolitiker oder Staatsbeamte nicht zur Staatsanwaltschaft geladen oder in Handschellen in die U-Haft abgeführt werden.
Und zum Thema Korruption schrieb unlängst auch Ralf Urbanczyk (aus Eisleben, Sachsen-Anhalt):
Aktuell ist Rumänien wieder einmal in den Schlagzeilen deutscher Medien, diesmal aber ganz klar positiv. Die Bekämpfung der Korruption unter dem neuen Präsidenten Klaus Johannis zaubert die Lobeshymnen in den hiesigen Medien. Es wäre schön, wenn dieses Problem einmal nachhaltig angegangen wird, auch als Vorbild für anderswo. Doch ob hinter diesen Schlagzeilen wirklich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Problem Korruption steckt oder nur ein kurzes Intermezzo zu Befriedigung der sich an Wahlversprechen erinnernden Wähler, können nach so kurzer Zeit, wenn überhaupt, nur die Rumänen selbst beurteilen.“
Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Urbanczyk. Wie bereits angedeutet ist nun kein Prominenter mehr vor den Mühlen der Justiz sicher. Haus- und Firmendurchsuchungen, Anklageerhebungen, Festnahmen, Urteile in Korruptionsverfahren – das alles gehört nun zum Alltag. Es gehört allerdings nicht zum Tagesgeschäft des Präsidenten, sich über die Ermittlungen auszulassen. Seine Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit der Justiz zu garantieren bzw. die Öffentlichkeit zu ermahnen, sollte es wieder Versuche geben, ermittelnde Beamte einzuschüchtern.
Die Zeit ist langsam um – zum Schluss noch die Posteingangsliste. Postbriefe erhielten wir in den letzten zwei Wochen von Sandro Blatter (Schweiz), John Nooijen (Niederlande), Wolfgang Kühn, Frank Bresonik, Michael Lindner, Hans-Josef Pütz, Ulrich Wicke, Heiner Finkhaus, Peter Thränert, Detlef Jurk, Christoph Paustian (danke für den Kartengruß aus dem Schwarzwald), Hans-Peter Themann, Klaus Huber, Klaus Osterburg, Günter Rommelrath, Michael Völlger, Peter Möller, Wolf-Lutz Kabisch (alle aus Deutschland).
E-Mails erhielten wir bis Samstagnachmittag von Rafiqul Islam (Bangladesch), Hazairin Junep (Indonesien), Georg Pleschberger (Österreich) sowie von Fritz Andorf, Göktürk Tuncali, Joachim Wilke, Herbert Jörger, Andreas Pawelczyk und Ralf Urbanczyk (alle aus Deutschland).
Das Internetformular nutzten Heiko Hausmann und Udo Scherbaum (beide aus Deutschland).
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