Hörerpostsendung 2.7.2017
Heute mit der ausführlichen Beantwortung mehrerer Fragen unserer Stammhörerin Beate Hansen aus Deutschland, die an Details der komplizierten rumänischen Innenpolitik und ihrer Kontroversen interessiert ist.
Sorin Georgescu, 02.07.2017, 17:45
Herzlich willkommen zur vorletzten Hörerpostsendung vor der Sommerpause!
Heute möchte ich – wie vergangene Woche versprochen – ein paar Hörerfragen beantworten, die ins Detail der rumänischen Innenpolitik gehen. Unsere Stammhörerin Beate Hansen ist in Wiesbaden zu Hause, interessiert sich für viele Aspekte des Lebens in Rumänien, hat vor zwei Jahren als Gewinnerin eines Hörer-Wettbewerbs das Land auch besucht und schickte uns unlängst ausführliche Fragen zur Innenpolitik und zu unserem Rundfunkprogramm:
Guten Tag, lieber Sorin Georgescu,
heute habe ich mal wieder ein paar Fragen und Anmerkungen zu den RRI-Programmen der letzten Zeit:
Über die verschiedenen im Bukarester Parlament vertretenen Parteien erfährt man als Hörer m.E. nicht genug, um sie für sich ein bisschen einordnen zu können: Die PSD-ALDE-Koalition als „linksliberal” zu bezeichnen, kommt mir manchmal etwas komisch vor – nach meinem Eindruck sind die beiden Parteien eher populistische Sammelbecken für ihre jeweilige Klientel, die sich insbesondere die Kommunalpolitiker gewogen machen bzw. halten. Aber das ist natürlich nur mein völlig laienhafter Eindruck aus der Ferne.
Die Union Rettet Rumänien (USR) dagegen finde ich sehr interessant, weil ich denke, dass sie die Zivilgesellschaft noch am ehesten im Blick hat bzw. vertritt, alternative Ideen einbringt und ihr Mäntelchen nicht nach dem Wind hängt wie z.B. die [Partei der ungarischen Minderheit] UDMR. Auch das natürlich nur meine durch keinerlei tiefere Kenntnis getrübte Meinung. Der USR-Vorsitzende Nicuşor Dan insbesondere, immerhin zweifacher Sieger der Internationalen Mathematik-Olympiade, Absolvent der École Normale Supérieure (ENA, Paris) und freiwilliger Rumänien-Rückkehrer, ist doch sicher mal eine nähere Vorstellung bei RRI für die ausländischen Hörer wert, finde ich. Schade, dass er kürzlich vom USR-Vorsitz zurückgetreten ist. Grund oder Anlass war die Verfassungsreform zum Thema „Familie”. Was es mit dieser Definition der Ehe und dem Streit darüber auf sich hat, könnte RRI auch mal für uns ausländische Laien erklären. Vor ca. einem Jahr, als die Unterschriftensammlung dazu lief, gab es schon mal eine Sendung darüber – aber was ist seitdem passiert, was wollen die Leute eigentlich und wo verlaufen die Streitlinien?
Dass es mit eurotopics.net seit längerem eine europäische Presseschau gibt, fand ich anfangs irritierend – habe sie aber mittlerweile schätzen gelernt, weil man, auch wenn die Medien oder Themen nicht immer einen direkten Bezug zu Mittel- und Osteuropa haben, dadurch doch noch einen anderen Eindruck von den Mediendebatten bekommt als allein aus den hiesigen Sendern. Das sollte RRI aber nicht davon abhalten, eine rumänische Presse- oder Medienschau zu installieren, finde ich.
Im Touristischen Magazin kam Ende April und seither noch zweimal wiederholt ein Beitrag von Alex Grigorescu über Roma in Brateiu und das Projekt tzigania.com. Den fand ich super spannend! Einerseits deswegen, weil ich vor zwei Jahren auch kurz in Brateiu war und andererseits, weil ich vor ein paar Wochen im Rahmen des hiesigen „Go East”-Filmfestivals genau über dieses Projekt einen Dokumentarfilm gesehen habe. Schade, dass gerade diese Eigenproduktionen der deutschsprachigen Redaktion – obwohl besonders interessant – nicht auf der RRI-Homepage zu finden sind!
Das solls für heute gewesen sein. Vielen Dank an die gesamte RRI-Redaktion dafür, dass sie uns immer wieder auf so sympathische Weise mit gut gemachten Sendungen auf dem Laufenden hält!
Viele Grüße aus dem hochsommerlichen Wiesbaden ins hoffentlich ebenso sonnige Bukarest
Beate Hansen
Liebe Frau Hansen, vielen Dank für das Feedback und Gruß zurück aus dem an diesem Wochenende von der ersten Hitzewelle geplagten Bukarest! Ich beginne mal mit den Beobachtungen zu unserem Programm. Die europäische Presseschau finde ich auch nützlich, zumal allein die Auswahl der Themen durch die jeweilige Redaktion schon zeigt, was ein Land besonders interessiert im Kontext der europäischen Entwicklungen. Eine rumänische Presseschau hatten wir früher auch von der Zentralredaktion, sie wurde aber eingestellt, vermutlich weil es zu aufwendig war, die Schlagzeilen über innenpolitische Themen ohne detailreiche Hintergrundinformationen an den ausländischen Hörer zu bringen, der sich im Durchschnitt weniger dafür interessiert. Für die Rumänen in der Diaspora ist sie seit der Verbreitung schneller Internetzugänge auch nicht mehr interessant, da man die heimischen Medien mittlerweile bequem auf verschiedenen Endgeräten selber ansteuern kann. Alex Grigorescus Rubrik ist eine Mischung von Tourismusmagazin und der früheren Rubrik über Minderheiten in Rumänien, die Land und Leute“ hieß und heute auch nicht mehr im Angebot der Zentralredaktion zu finden ist. Alex verfasst sie aber nur sporadisch, daher fand ich es nicht sinnvoll, eine neue Rubrik auf unserer Homepage einzurichten, die dann nur drei-viermal im Jahr aktualisiert wird.
Und nun zu den schwierigen Themen aus der rumänischen Innenpolitik. Die Parteienlandschaft in Rumänien ist selbst für Einheimische manchmal schwer zu erfassen, zumal es seit den Frühneunzigern unzählige Spaltungen, Fusionen, Umbenennungen, Überläufe und plötzliches ideologisches Umschwenken einzelner Parteien und Politiker gab. Und Sie haben es absolut richtig erfasst: Ideologie – ob links, konservativ oder liberal ausgerichtet – spielt bei den hiesigen Parteien kaum eine Rolle, sie ist bloß ein Etikett, das sich die Parteien aufkleben, um in die jeweilige europäische Großfamilie aufgenommen zu werden. So etwa war die Demokratische Partei (PD) des ehemaligen Präsidenten Traian Băsescu – ursprünglich eine Nachfolgeorganisation der Front der Nationalen Rettung, die ihrerseits zur Sozialdemokratischen Partei geworden war – ab 1996 Teil der Sozialistischen Internationale. 2005 erklärte die Partei quasi über Nacht und auf Befehl des parteiintern als Zeus“ titulierten Parteichefs ihren Austritt aus der Organisation und wurde ein Jahr später Mitglied der EVP. Dahinter steckte auch politisches Kalkül: Wenige Jahre zuvor war die Christlich-Demokratische Bauernpartei in einem Wahldesaster von der Bildfläche verschwunden, mit den Sozialdemokraten lagen die Demokraten ohnehin seit Anfang an im Clinch, also erschien es vorteilhaft, urplötzlich auf konservativ zu machen. Den Liberalen ging es nicht anders – schon in den 1990ern spalteten sich diverse Flügel ab, die erst Anfang der 2000er Jahre halbwegs wieder zueinander fanden und dann mit der Demokratischen Partei (später: Liberaldemokratischen Partei PDL) Băsescus zur Nationalliberalen Partei (PNL) fusionierten. Băsescu selbst steht jetzt wiederum einer anderen Partei vor, die ihrerseits ein abtrünniger Flügel der ehemaligen Liberaldemokraten ist, sich Volksbewegung (PMP) nennt und eher national-konservative Positionen vertritt. Die Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) ist nichts anderes als eine Gruppierung ehemaliger Liberaler, die sich von ihrer Partei abspalteten, um zusammen mit der PSD weiterhin am Kuchen beteiligt zu bleiben.
Falls Sie bisher folgen konnten: Auch in der Wirtschaftspolitik hat die jeweilige ideologische Ausrichtung kaum eine Rolle gespielt. Beispielsweise haben die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Adrian Năstase Ende der 1990er Jahre eine drakonische neoliberale Wirtschaftspolitik betrieben, die die liberale Nachfolgeregierung sich mit Sozialmaßnahmen wieder abzuschwächen gezwungen sah. Obwohl Sozialdemokraten qua definitionem wenig mit gelebter Religiosität am Hut haben sollten, bekreuzigen sich namhafte Politiker inbrünstig in aller Öffentlichkeit, vor allem vor laufenden Kameras, und sagen nach jedem dritten Satz Gott befohlen!“ oder So Gott will“, um sich bei den konservativen Wählern anzubiedern. Und Politiker jeglicher Couleur ziehen gerne bei Bedarf auch nationalistische Register, wenn es im Wahlkampf oder nur als momentane Taktik von Nutzen zu sein scheint.
Die Partei der ungarischen Minderheit nennt sich Demokratischer Verband der Rumänienungarn (UDMR) und ist eigentlich ein Parteienbund, in dem unterschiedliche ideologische Ausrichtungen koexistieren, wobei allerdings eher ungarisch-national-konservative Werte dominant sind. Die Formation mag zwar ein bisschen wendehälsig erscheinen, zumal sie prinzipiell mit dem jeweiligen Wahlgewinner koaliert und seit 1990 fast immer am Regieren beteiligt war. Ich habe da aber etwas Nachsicht. Ziel des UDMR ist es ja erklärtermaßen, die Rechte der ungarischen Minderheit zu verteidigen, und in der Politik gibt es nun mal diese Art Tauschgeschäft: Der Junior-Partner ermöglicht dem Wahlgewinner eine bequeme Mehrheit und bekommt dafür Zugeständnisse oder Ämter in der Regierung. Mir ist es auf jeden Fall lieber, wenn die Rumänienungarn an den Regierungsgeschäften beteiligt sind, als dass separatistische Tendenzen laut werden oder extremistisches Gedankengut aus Ungarn importiert und Oberhand bei den Mitbürgern ungarischer Zunge gewinnen würde. Wenn Sie mir den Vergleich erlauben: Es ist einigermaßen ähnlich wie mit der Dänenpartei in Schleswig-Holstein, die nach der Landtagswahl nicht selten das Zünglein an der Waage ist und manchmal eben deshalb in der Kritik steht.
Die Union Rettet Rumänien (USR) schien am Anfang tatsächlich ein Licht im Dunkeln zu sein und frische Figuren wie den Mathematiker Nicuşor Dan in den Vordergrund zu stellen. Doch im Nachhinein stellte sich heraus, dass die aus einer Bukarester Bürgerinitiative hervorgegangene Partei ideologisch keineswegs gefestigt ist und keine geschlossen auftretende Führungsriege hat. Ursprünglich setzten sich Nicuşor Dan und sein Verein Rettet Bukarest“ teils erfolgreich gegen umstrittene Bauvorhaben der Bukarester Behörden und der Immobilienmafia durch. Das gelang ihm mit einem Mix aus Demos und Klagen vor Gericht. 2012 kandidierte er zum ersten Mal für das Bukarester Bürgermeisteramt bei den Kommunalwahlen und landete mit knapp 9% auf den dritten Platz, obwohl Umfragen ihm nur 3% bescheinigt hatten. Das war umso erstaunlicher, als er als unabhängiger Kandidat keine Unterstützung eines starken Parteiapparats gehabt hatte. Auch verfehlte er nur knapp den Einzug ins Bukarester Stadtparlament, weil das Wahlgesetz eine dreifach höhere Stimmenanzahl für unabhängige Kandidaten im Vergleich zu parteigebundenen vorschreibt. Damit schützen sich die etablierten Parteien vor bösen Überraschungen. Das ambitionierte jedoch den jungen Mann: Im Juni 2016 trat er erneut bei der Kommunalwahl an, diesmal mit seiner inzwischen zur Partei gewordenen Union Rettet Bukarest, und landete mit 30% gleich auf Platz zwei, noch vor den Liberalen und gleich nach den Sozialdemokraten. Somit wurden von den insgesamt 55 Stadträten 15 von der USB aufgestellt. Im August 2016 weitete die USB seine Aktivität auf das ganze Land aus, benannte sich in Union Rettet Rumänien (USR) um und konnte bei den Parlamentswahlen vom 11. Dezember 2016 erneut Erfolg verzeichnen: Mit knapp 9% wurde sie die drittstärkste Partei im rumänischen Parlament.
Am 1. Juni 2017 trat Nicuşor Dan als Vorsitzender seiner Partei zurück und trat sogar aus der USR aus – Grund dafür waren Auseinandersetzungen innerhalb der Partei hinsichtlich der Positionierung zur umstrittenen Initiative für die Umdefinierung der Ehe in der Verfassung. Dabei geht es um eine vergangenes Jahr durchgeführte Unterschriftenaktion der sogenannten Koalition für die Familie“. Die rund 3 Mio. Unterschreiber wollen bewirken, dass in der rumänischen Verfassung die Ehe künftig eindeutig nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden kann. In der derzeitigen Fassung ist in Artikel 48 nur die Rede vom freiwilligen Zusammenschluss der Ehepartner, ohne das Geschlecht zu präzisieren. Die Aktion wurde auch von den wichtigsten Kirchen in Rumänien unterstützt. Zwar beteuert die mehrheitliche Rumänisch-Orthodoxe Kirche, dass sie die Aktion nicht selbst initiiert oder organisiert habe, doch laut Presseberichten gab es nicht wenige Pfarrer, die in ihrer jeweiligen Gemeinde kräftig die Trommel dafür gerührt haben. Der Aufruhr war schon vergangenes Jahr groß. LGBT-Aktivisten und liberale Geister kritisierten die Unterschriftensammlung als Versuch, die Menschenrechte einzuschränken bzw. Menschen, die dem traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familienmodell nicht entsprechen, zu diskriminieren. Davon betroffen würden nämlich nicht allein Schwule und Lesben, sondern auch Alleinerziehende und nichteheliche und kinderlose heterosexuelle Partnerschaften. Was die Koalition für Familie wiederum mit ihrem Vorstoß bezweckt, kann man nur vermuten. In Rumänien sind homosexuelle Ehen nämlich ohnehin nicht erlaubt. In Artikel 259 Absatz 1 des BGB steht ausdrücklich, dass eine Ehe die freiwillige Union zwischen einem Mann und einer Frau ist. Mehr noch: Homosexuelle Ehen und eingetragene Partnerschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Personen sind in Rumänien verboten. Im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen oder Partnerschaften haben überdies in Rumänien keine Gültigkeit, so Artikel 277 des BGB, übrigens auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften nicht. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Unterschriftenaktion von der Angst getrieben wurde, dass die Diskussion über eine Ehe für alle irgendwann auch in Rumänien entsteht und dass die vage Definition der Ehe in der Verfassung eine Hintertür für spätere Änderungen des BGB offen lasse. Einen nicht abgeschlossenen Präzedenzfall gibt es bereits. Ein homosexuelles rumänisch-amerikanisches Ehepaar, dessen Ehe in Belgien geschlossen worden war, hat im Juni vergangenen Jahres eine Verfassungsbeschwerde gegen Artikel 277 des BGB eingereicht. Daraufhin hätte das Verfassungsgericht die Verträglichkeit des besagten BGB-Artikels mit Artikel 26 der Verfassung überprüfen sollen, der das Familien- und Privatleben unter Schutz stellt. Doch das Verfassungsgericht hat die Entscheidung mehrmals vertagt, zuletzt vor wenigen Tagen. Übrigens gibt es tatsächlich Länder in der EU, in denen die Verfassung die gleichgeschlechtliche Ehe verbietet. In einem Artikel vor wenigen Tagen in der NZZ werden die Regelungen zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Europa Revue passiert. Ein Verfassungsverbot der gleichgeschlechtlichen Ehe gibt es beispielsweise in Polen, der Slowakei, Litauen, Lettland und Bulgarien.
Aber zurück zu Nicuşor Dan und der USR. Die Partei hat wie gesagt keine eindeutige doktrinäre Positionierung, es gibt einen links-grünen Flügel, also Parteimitglieder und Parlamentsabgeordnete, die sich für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit stark machen, und einen liberal-konservativen Flügel, der insbesondere den jungen Unternehmern nahe steht. Zwischen den beiden Flügeln hat es nicht nur einmal gekracht. In der Frage zur geplanten Verfassungsänderung in puncto Familie hat der linke Flügel die Oberhand gewonnen und beschlossen, die Fraktion gegen die Änderung abstimmen zu lassen. Nicuşor Dan ist da entgegengesetzter Auffassung, zog daraus die Konsequenzen und nahm folglich seinen Hut. Er schloss allerdings nicht aus, in die USR wieder einzutreten, wenn sich die mehrheitliche Position in dieser Frage wieder ändere.
Man muss sich auch fragen, was für Menschen in dieser Koalition für Familie aktiv sind, die außer in dieser Frage auch regelmäßig gegen die ohnehin kaum existente Sexualkunde im Unterricht Sturm läuft oder Aufmärsche gegen die Abtreibungsfreiheit organisiert. Sie allesamt als reaktionäre und homophobe religiöse Fanatiker zu bezeichnen, wie es die Gegner der Koalition in der Regel tun, würde über das Ziel hinausschießen und wäre genauso undemokratisch. Schließlich kann man die Ehe für alle auch aus einer rein konservativen Grundeinstellung oder aus religiöser Überzeugung oder aufgrund einer anderen Weltanschauung ablehnen, ohne zwangsläufig homophob oder in irgend einer Hinsicht fanatisch zu sein. Doch wenn man sich die Wortmeldungen der Sympathisanten dieser Koalition in den sozialen Netzwerken anschaut, kommt vieles tatsächlich aus der ganz rechten Ecke. Als am Freitag der Deutsche Bundestag die Ehe für alle beschloss, wurde eine entsprechende Pressemeldung auf der Facebook-Seite der Koalition für die Familie gepostet. Was man da für Kommentare wenige Minuten später lesen konnte, ist so ziemlich das, was man von Rechtsextremen immer zu hören bekommt: Hitler dreht sich im Grab um“, schreibt ein Facebook-User, Deutschland schafft sich selbst ab, das künftige deutsche Volk wird aus Arabern bestehen“, behauptet ein anderer und schließlich Rumänien sollte dieses satanisch-atheistisch-sodomitisch-freimaurerische Europa schleunigst verlassen!“, fordert ein weiterer. Doch auch die Gegner der Koalition sind nicht unbedingt Menschen mit vornehmen Manieren. Was ist das denn für ein Gott, den ihr da anbetet“, schreibt z.B. jemand, der erlaubt hat, dass die Menschen sich durch Inzest vermehren?“ – und verletzt damit sicherlich die Gefühle religiöser Menschen. Ich halte Vulgäratheismus für genauso geschmack- und hirnlos wie die Frömmelei. Und über sensible Fragen, die das intime Leben der Menschen berühren, sollten man ohnehin nur mit dem Gewissen und differenziert urteilen, nicht aus dem Bauchgefühl heraus, finde ich.
Die Diskussion über die Öffnung der Ehe wird ganz bestimmt auch auf Rumänien überschwappen, vielleicht sogar früher als erwartet. Und wie die Vorzeichen so stehen, wird sie ganz hässlich und gehässig ausgetragen werden. Auch in Deutschland war die Debatte nicht ganz unemotional, doch zumindest blieb alles in den Grenzen eines zivilisierten Dialogs. Ich befürchte, das wird in Rumänien nicht möglich sein.
Heute habe ich reichlich überzogen, liebe Freunde. Ich hoffe, ich habe es geschafft, das Dickicht der rumänischen Politik für Frau Hansen und alle anderen interessierten Hörer etwas zu lichten. Die Postliste gibt es nächsten Sonntag für die vergangene und kommende Woche, da ohnehin nur wenige E-Mails eingetroffen sind. Im letzten, etwas kürzeren Funkbriefkasten vor der Sommerpause werde ich u.a. eine kleine Sensation aus unserem Audioarchiv bringen. Günter Grass war 1969 kurz in Rumänien und sprach u.a. auf einer Literaturtagung. Ein damaliger Mitarbeiter unserer Redaktion war dabei und ließ das Tonbandgerät laufen. Worum es dabei ging, das erfahren Sie nächsten Sonntag.
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