Hörerpostsendung 19.2.2017
Heute mit Zuschriften von Jörg-Clemens Hoffman, Michael Lindner, Lutz Winkler, Fritz Andorf und Andreas Pawelczyk u.a. zu den Straßenprotesten gegen Korruption in Rumänien.
Sorin Georgescu, 19.02.2017, 17:30
Die Massendemonstrationen der letzten Wochen gegen die Korruption in Rumänien und gegen die rumänische Regierung sind unseren Hörern nicht entgangen – nicht nur Radio Rumänien International, sondern auch zahlreiche Medien aus dem Ausland haben ausführlich darüber berichtet. So meldeten sich in letzter Zeit mehrere Hörer zu den aktuellen Geschehnissen in Rumänien.
Jörg-Clemens Hoffman (aus Alsbach-Hähnlein, Hessen) schickte uns folgende Zeilen per E-Mail:
Ich freue mich, dass Radio Rumänien International weiterhin in sehr guter Qualität auf Kurzwelle zu empfangen ist. Gerade während der derzeitigen Proteste und politischen Auseinandersetzungen ist es wichtig, aktuelle Nachrichten und Informationen aus Ihrem Land zu erhalten. Am Donnerstagabend (02.02.) wurde in der ARD-Tagesschau ein längerer Bericht von den Demonstrationen in Bukarest gesendet. So sind die deutschen Programme aus Bukarest eine wichtige Bereicherung, um umfassend über die Straßenproteste gegen die Lockerung der Gesetze gegen Korruption zu informieren. Für mich ist es ein beachtenswertes Zeichen für Demokratie, wenn sich so viele Bürger Ihres Landes an den Demonstrationen gegen die Änderung des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung beteiligen.
Michael Lindner ist in Gera (Thüringen) zu Hause und berichtete uns in einer E-Mail über seinen Alltag zum Jahreswechsel und ging auch auf die Ereignisse in Rumänien ein:
Meine lieben Freunde in der deutschen Redaktion!
So langsam wird es Zeit, mich wieder bei Ihnen in der deutschen Redaktion zu melden. Schließlich schreiben wir schon den Tag 38“ im neuen Jahr, ohne dass Sie ein Lebenszeichen von mir bekommen haben. Aber das soll sich mit dieser Mail ändern.
Über den Jahreswechsel konnte ich leider die deutschsprachigen Sendungen aus Bukarest nur selten hören. Es gab viele andere Dinge zu erledigen, so dass das Radiohobby etwas darunter gelitten hat. Schließlich ist Weihnachten auch das Fest der Familie, welches man bestimmt nicht vor dem Kurzwellenempfänger verbringt. Aber so langsam ist der Alltag wieder eingezogen und es läuft alles wieder in geregelten Bahnen. Das bedeutet auch, dass ich die deutschsprachigen Sendungen aus Bukarest wieder in gewohnter Weise empfangen und genießen kann.
Leider hört man ja momentan aus Rumänien nichts Gutes. Seit Tagen gibt es gewaltige Demonstrationen gegen die rumänische Regierung. Die Massen sind auf die Straßen gegangen, um ihre Empörung bzgl. der Korruptionsaffäre in der rumänischen Regierung zum Ausdruck zu bringen. Ganz ehrlich, meine Sympathien liegen auf der Seite der zurecht aufgebrachten Volksmassen. Wie kann es sein, dass eine Regierung Gesetze schaffen will, wo Korruption von Politikern bis zu einer gewissen Summe straffrei bleibt? Das ist einfach nur kriminell! Auch wenn die Regierung diese Pläne vorerst wieder zurückgenommen hat, ist doch die Tatsache beschämend, wenn Politiker korrupt sind. Ich weiß, Korruption ist ein weltweit umfassendes Problem, so schlimm wie die Pest. Deshalb müsste jedes Land knallharte Antikorruptionsgesetze schaffen, so dass alle korrupten Personen einschließlich Politiker streng bestraft werden. Dennoch hoffe ich, dass die Unruhen nicht blutig ausarten und bald Lösungen geschaffen werden.
Aus Thüringen geht es zurück nach Hessen, und zwar nach Schmitten im Taunus, wo unser Hörer Lutz Winkler zu Hause ist. Auch Herr Winkler hat die politischen Turbulenzen in Rumänien verfolgt.
Liebe Freunde der deutschen Redaktion in Bukarest,
Wenn ich die Nachrichten aus Rumänien höre, bin ich einfach fassungslos. Die Dreistigkeit, mit der Eilverordnungen verabschiedet wurden, um politische Freunde aus dem Gefängnis zu holen und Korruption zu legalisieren – das ist ein echtes Husarenstück. Viele Parteien in Rumänien haben keine völlig weiße Weste. Doch die Regierungspartei PSD ist wohl die korrupteste von allen. Und dass diese Partei nach dem Rücktritt 2015 wieder gewählt wurde – sicher mit den vielen Versprechen der Lohnerhöhung, der Rentenerhöhungen usw. – dies hatte mich schon damals gewundert. Und nun diese „Eilverordnung”. Einen Hoffnungsträger gibt es aber scheinbar doch noch: Staatspräsident Klaus Iohannis. Er ist zumindest jemand, der klare Worte findet. Vielen Dank an dieser Stelle für die ausführliche Berichterstattung in den Sendungen von Radio Rumänien International. Und ich hoffe, dass die Proteste und Gegenproteste friedlich bleiben.
Und auch Fritz Andorf (aus Meckenheim, NRW) machte sich Gedanken über die Rolle des rumänischen Präsidenten und schickte auch einen Nachtrag zum Weltradiotag:
In den vergangenen Tagen stand nach langer Zeit wieder einmal Rumänien im Blickpunkt der Medien. Da wurde berichtet von ständigen Demonstrationen gegen die Regierung im Zusammenhang mit einer Verordnung zur Korruptionsbekämpfung, die aber offenbar auf bestimmte Personen zugeschnitten war und ihnen damit Straffreiheit zusicherte. Das ist natürlich ein Unding, und jetzt hat man auf Druck der Straße diese Verordnung erst einmal zurückgezogen, ohne dass man aber endgültig von den Plänen abgerückt ist. Damit kann das Volk natürlich nicht zufrieden sein, und die Demos gehen deshalb weiter.
Als Außenstehender habe ich natürlich Verständnis für den Wunsch der Bevölkerung. Was mich aber bei diesen Streitigkeiten gewundert hat, ist die Stellung des Staatspräsidenten. Ist die denn in der rumänischen Verfassung so schwach, dass er nicht einmal ein Machtwort sprechen und die Regierung zurückpfeifen kann? Er war ja selbst auch gegen diese dubiose Verordnung und hätte sich wohl am liebsten den Demonstranten angeschlossen. Aber konnte er denn kraft seines Amtes nicht mehr machen als nur ein erzürntes Gesicht?
Im heutigen Funkbriefkasten wurden die Stellungnahmen der Hörer zum Weltradiotag verlesen. Darin wurden wieder die gleichen Argumente vorgetragen wie schon in den vergangenen Jahren: Wie wichtig die analoge Kurzwelle ist für eine schnelle und direkte Information, für Leute ohne Internet und besonders für die Dritte Welt. Das ist ja alles richtig, dennoch hat wohl die Kurzwelle auf Dauer keine Zukunft, wie auch das Gebaren der großen Stationen erkennen lässt. Bei meinen vielen Reisen in aller Welt konnte ich früher überall das deutsche Programm der Deutschen Welle auf Kurzwelle empfangen, sei es in Neuseeland, Australien, Korea, China oder sogar auf den Galapagos-Inseln. Und heute lohnt es sich gar nicht mehr, ein Kurzwellenradio mit in den Urlaub zu nehmen. Die Deutsche Welle sendet nicht mehr in deutscher Sprache, dafür werden die Ergebnisse der Fußballbundesliga in der Sprache Kisuaheli auf Kurzwelle nach Afrika ausgestrahlt. Soweit zu den Vorteilen der Kurzwelle für die Dritte Welt.
Liebe Freunde, Ihnen allen vielen Dank für das Interesse an das Geschehen in Rumänien. Ich darf Sie vorerst beruhigen: Die Demonstrationen und Gegendemonstrationen sind friedlich verlaufen und sind bereits am Abflauen. Die umstrittene Eilverordnung ist durch eine neue aufgehoben worden, über beide soll am kommenden Montag im Parlament debattiert werden. Die Sachlage ist viel komplizierter, als auf den ersten Blick wahrzunehmen ist. Zum einen gibt es tatsächlich einige Paragraphen im rumänischen Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung, die reformbedürftig sind. Darauf haben sowohl das rumänische Verfassungsgericht als auch die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, die sogenannte Venedig-Kommission, schon vor Jahren verwiesen. Die Details erspare ich Ihnen, da sie selbst unter Juristen umstritten sind. Was die Menschen aber auf die Straße gebracht hat, ist die Art und Weise, wie die Eilverordnung verabschiedet wurde – nämlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, in einer unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehaltenen Regierungssitzung, ohne vorherige Bekanntmachung der Agenda dieser Sitzung, ohne die gesetzlich vorgeschriebene Beratung mit den Selbstregulierungsgremien der Justiz, ohne eine Debatte mit Experten und der Zivilgesellschaft. Und wenn die abgemilderten Paragraphen dann auch noch wie maßgeschneidert für bestimmte Politiker erscheinen, die Prozesse am Hals haben oder bereits verurteilt sind und Korruptionsbekämpfung zynisch als Bullshit bezeichnen, ist es kein Wunder, dass den Menschen der Kragen platzte.
Zur Frage von Herrn Andorf zur Stellung des Staatspräsidenten: Rumänien hat ein sogenanntes semipräsidentielles Regierungssystem, das heißt, dass der Staatspräsident zwar mehr Befugnisse als beispielsweise der Bundespräsident in Deutschland oder in anderen rein parlamentarischen Demokratien hat, aber weniger Macht im Staat ausübt als in einem Präsidialregime, wie es beispielsweise die USA und viele lateinamerikanische Staaten kennen, wo der Präsident die Funktionen des Staatsoberhauptes, des Regierungschefs und regelmäßig auch des militärischen Befehlshabers innehat. In Rumänien ist die Institution des Staatspräsidenten in Kapitel II (in den Artikeln 80-101) der rumänischen Verfassung geregelt. Der Präsident darf z.B. Regierungen oder Minister nicht absetzen, sondern bei Regierungsumbildungen nur auf Vorschlag des Premierministers bestimmte Minister von ihren Ämtern befreien und neue ernennen, ebenfalls auf Vorschlag des Premiers. Der Präsident darf ferner an Regierungssitzungen zu wichtigen Fragen der Innen- und Außenpolitik sowie der nationalen Sicherheit aus eigenen Stücken oder auf Einladung des Premierministers teilnehmen und in diesem Fall leitet er diese Sitzungen. Das Parlament auflösen darf der Präsident nur, wenn innerhalb von 60 Tagen drei Versuche in Folge scheitern, einem Kandidaten für das Amt des Premierministers das Vertrauen im Parlament auszusprechen und dadurch mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Das Parlament darf allerdings höchstens einmal im Jahr aufgelöst werden, allerdings nicht während der letzten sechs Monate eines Präsidentenmandats, bei Mobilmachung, Kriegszustand, Belagerung oder sonstigen Ausnahmezuständen. Und der Staatspräsident ist in Rumänien auch der oberste Befehlshaber der Streitkräfte.
Zum Schluss noch die Zeilen von Andreas Pawelczyk aus Mannheim, der ebenfalls einen kleinen Nachtrag zum Welthörertag schickte:
Der Radiotag der letzten Woche hat mir mal wieder sehr gut gefallen. Richtig lobenswert, dass es so einen Tag gibt. Die gesendeten Beiträge waren sehr aufschlussreich und auf alle Fälle eine Bereicherung für Radio Rumänien International. Es gibt Hörer, die von Ihrer Sendung mit den Beiträgen sehr begeistert waren, obwohl sie sich bei Ihnen noch nie gemeldet haben.
Bleibt von mir nur noch hinzuzufügen, was der leider schon verstorbene Peter Scholl-Latour in einem Buch schrieb. Er meinte: Pressefreiheit bzw. Medienfreiheit ist die Freiheit von 800 Leuten, die Geld haben, ihre Meinung zu verbreiten. Dies ist natürlich eine Freiheit, die nachdenklich macht.
Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Pawelczyk. Ich weiß nicht, in welchem Buch und in welchem Zusammenhang Peter Scholl-Latour diese Äußerung zitiert oder abwandelt – sie stammt nämlich vom Publizisten Paul Sethe, dem Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ist aus dem Jahr 1965 und lautet genau: Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Die Äußerung stammt aus einem Leserbrief an den Spiegel“ und galt dem Zustand der Printmedien in der damaligen Bundesrepublik. Dort hieß es auch: Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher.“ Er, Sethe, wisse, dass es im deutschen Pressewesen Oasen gebe, in denen noch die Luft der Freiheit weht, […] aber wie viele von meinen Kollegen können das von sich sagen?“, wird Sethe weiter von diversen Quellen zitiert.
Ganz zum Schluss die Postliste: Postbriefe lasse ich mir nächste Woche wieder aushändigen. E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Anna und Bernd Seiser, Burkhard Müller. Fritz Andorf, Hans Kaas, Andreas Pawelczyk (alle aus Deutschland) sowie von Josef Robl und Friedrich Albert (aus Österreich) und Andy Martinjuk (aus Russland), der demnächst für ein paar Tage nach Bukarest kommt und unseren Sender gerne besuchen möchte.
Das Internetformular nutzten Rainer Selle und Dirk Molder (beide aus Deutschland) sowie Paul Gager (aus Österreich), der uns Tipps zu Fernsehreportagen über Rumänien in den deutschsprachigen Medien schickte.
Audiobeitrag hören: