Hörerpostsendung 13.7.2014
Heute mit ein paar Gedanken zum sprachlichen Repertoire der Sportreporter anlässlich der Fußball-WM, Hörerzuschriften von Siegbert Gerhard und Klaus Nindel sowie absurden Vorkomnissen in der rumänischen Bürokratie.
Sorin Georgescu, 13.07.2014, 15:30
Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI. Als aller erstes möchte ich heute den Hörern in Deutschland zum fulminanten Sieg der Nationalelf gegen Brasilien im Halbfinale der WM gratulieren. Ich bin zwar kein großer Fußballfan, bei wichtigeren Ereignissen wie WM oder EM schaue ich mir Spiele ab dem Achtelfinale oder Viertelfinale dennoch meistens an. Dabei amüsiert mich oft, wie die rumänischen Sport-Kommentatoren die Namen der Spieler verschiedener Mannschaften entstellen. Am schwersten tun sie sich dabei mit deutschen und niederländischen Namen, Umlaute werden so gut wie nie ausgesprochen, die Betonung liegt nicht selten auf der falschen Silbe. Aber auch mit Namen aus spanisch- und portugiesischsprachigen Ländern hapert es manchmal, da muss man sich fragen, warum es denn keine Sprachberater beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen gibt. Und fürs Deutsche wäre es ja nicht schwierig, die Kollegen von der Redaktion der deutschsprachigen Fernsehsendung zu fragen, wie man bestimmte Namen richtig ausspricht.
Ich sehe ein, es ist nicht leicht, so viele fremde Namen immer richtig auszusprechen, und stelle mir vor, dass es deutsche Sportkommentatoren auch nicht leichter haben. Im Falle Argentiniens hat man zudem das Dilemma, ob man die Namen der argentinischen Spieler mit italienischen Vorfahren – und damit auch italienischen Namen – nach den Regeln der italienischen oder der spanischen Aussprache über die Lippen bringen soll. Gemeint sind etwa Spieler wie Mascherano und Demichelis. Nach den Regeln des Spanischen müsste man sie Mastscherano und Demitschelis aussprechen. Und selbst Lionel Messi hat einen zweiten Namen, Cuccittini, der auch im Schriftbild ziemlich italienisch aussieht.
Was mich des weiteren amüsiert, sind die Floskeln der Sportjournalisten, wenn sie über verschiedene Fußballmannschaften berichten. Dabei ist die Übernahme des Wortes für Mannschaft“ aus der Ursprungssprache eine obligate Pointe, die Weltgewandtheit signalisieren soll. So etwa wird der deutsche Kader einfach Mannschaft“ genannt, die französische Nationalelf L’équipe“ (was wiederum nichts anderes als Mannschaft, Team bedeutet), die Italiener haben die Squadra azzura“ (also den Kader in Blau) und die Brasilianer die Seleçao“ (was schlicht Auswahl“ bedeutet). Etwas befremdend klingt es in meinen Ohren, wenn das begrenzt verwendete Mode-Lehnwort mit dem bestimmten und nachgestellten rumänischen Geschlechtswort verwendet wird. Bei Fremdwörtern, die in Konsonant enden, wird meistens der Artikel für Maskulina angehängt, folglich ist die Mannschaft“ mannschaftul, wenn der Sportjournalist das deutsche Fußballteam meint. (Im Genitiv oder Dativ wird das Wort noch länger: mannschaftului.) Und – wie könnte es anders sein – bei kläglichen Niederlagen einer anderen Mannschaft gegen die Deutschen schreibt der eine oder andere Journalist (übrigens nicht nur in Rumänien) über den Blitzkrieg“, den die Mannschaftul“ über das Feld hingedonnert habe. Ersatzweise werden die deutschen Fußballer passend zum Blitzkrieg auch Panzer“ genannt (mit rumänischem Artikel: panzerele“). Das mag alles in puncto Geschmack etwas fragwürdig sein, doch der Begriff Blitzkrieg scheint auf jeden Fall älter als der Zweite Weltkrieg zu sein.
Soviel zum Fußball aus der Sicht eines mäßig Begeisterten, möge heute Abend die beste Mannschaft siegen. Mir sind die Argentinier zwar auch sympathisch, insgeheim drücke ich vielleicht doch den Deutschen die Daumen.
Und jetzt zur Hörerpost. Der Spaß vom letzten Sonntag mit der Telefonpanne in der Hörerpostsendung 2005 scheint bei den Hörern gut angekommen zu sein. So etwa schrieb Siegbert Gerhard (aus Frankfurt am Main):
Der Funkbriefkasten wird derzeit mit interessanten und auch kuriosen Mitschnitten aus dem RRI-Audioarchiv bereichert bzw. aufgelockert. So waren die Telefonversuche zu und mit Bernd Seiser köstlich. Ich bin schon sehr gespannt darauf, was im Audioarchiv der kommenden Funkbriefkästen noch alles Schöne an Beiträgen, Mitschnitten und kuriosen Dingen präsentiert werden wird. In diesem Sinne wünsche ich eine gute Auswahl und uns Hörern feine Nostalgieminuten, danke!
Und auch der Hauptdarsteller Bernd Seiser selbst hat sich über die Nostalgieminuten gefreut. Er schrieb:
Lieber Sorin, lieber Alex,
vielen Dank für die schöne Überraschung mit meinem Telefonat vom Hörertag. Habe mich sehr darüber gefreut.
Und zum Thema Audioarchiv generell schrieb unlängst auch Klaus Nindel (aus Dresden):
Lieber Herr Georgescu,
ich las gerade auf der Homepage Ihres Senders die Hörerpostsendung vom Sonntag (22.6.). Schön, dass Sie einige alte Archivbeiträge wieder hörbar gemacht haben konnten. Nur schade, dass dabei keine aus den noch früheren (kommunistischen) Zeiten dabei waren.
Herrn Nindel habe ich schon per E-Mail persönlich geantwortet, doch möchte ich es auch den anderen Hörern nicht vorenthalten: Selbstverständlich wird es auch Sendungen aus der Zeit vor 1989 zum Nachhören geben, leider sind es nicht sehr viele, die aufbewahrt wurden, aber sie sind aufschlussreich. Mit der Bearbeitung wird es allerdings noch dauern, ich muss ja in Erfahrung bringen, wem die Stimmen gehören, wann das Band gesendet wurde u.a.m. Und das ist nicht immer leicht. Unter den bisher entdeckten Tonbändern mit Sendungen aus der Zeit vor 1989 gibt es Literatur, Aufzeichnungen aus dem sozialistischen Alltag, touristische Sehenswürdigkeiten in der damaligen Darstellung, einen kurzen Bericht über Mundartenliteratur der deutschsprachigen Minderheiten aber auch eine Personenkult-Propaganda-Sendung zu Ceauşescus Geburtstag. Zurzeit arbeite ich an einem Artikel, in dem Interviews auf deutsch aus dem Jahr 1979 zu hören sein werden, die damals im Ferienfunk ausgestrahlt wurden. Es handelt sich dabei um kurze Statements oder Gespräche mit Badeurlaubern an der rumänischen Schwarzmeerküste oder mit Reiseveranstaltern aus der DDR, der BRD oder Österreich. Eine kurze Kostprobe vorab wird schon nächsten Sonntag zu hören sein.
Und jetzt zu einer weiteren Hörerzuschrift. Unser bereits erwähnte Stammhörer Siegbert Gerhard hatte unlängst auch eine Frage:
Über Radio China International gab es im Hörerbriefkasten einen sehr interessanten Beitrag zur chinesischen Bürokratie zu hören. Ein Chinese hat es in seinem Leben mit durchschnittlich 143 Anträgen, Formularen und Behördengängen zu tun. Beispiele: Für eine Geburt bedarf es einer Geburtserlaubnis. Autozulassung nur noch nach Losverfahren. Immobilienkauferlaubnis usw.
Lieber Sorin, gibt es ähnliche verrückte Beispiele für die rumänische Bürokratie?
Vielen Dank für die Frage, lieber Herr Gerhard. Auch in Rumänien hat man täglich mit einer sinnlosen Bürokratie und mit schlecht gelaunten bis unverschämten Beamten zu tun. Bestes Beispiel und wohl tägliches Vorkommnis ist, dass man an einem Schalter Schlange steht, etwa um eine Gebühr zu bezahlen, um dann auf einen anderen Schalter verwiesen zu werden, weil in einem bestimmten, nicht ausgeschilderten Sonderfall der Beamte nicht zuständig sein kann oder will. Weiteres typisches Verhalten für rumänische Beamte: Gerade wenn man nach langem Warten vorne ist, macht er oder sie urplötzlich Pause, knallt dir die Fensterluke vor der Nase zu, nippt genüsslich vor deinen Augen aus seiner Kaffeetasse und unterhält sich dabei mit der Beamtin am Nachbarschalter, die dadurch auch in ihrer Arbeit aufgehalten wird.
In den Medien habe ich auch ein paar weitere Berichte gefunden, die den Beispielen aus China ähneln. So etwa wollte ein Landwirt, der Wachteln züchtete, eine Finanzierung seines Gewerbes aus europäischen Geldern beantragen, berichtete 2011 die Online-Zeitung Evenimentul Zilei. Mit seinem Anliegen wandte er sich an die extra dafür eingerichtete Zahlungs- und Interventionsagentur für die Landwirtschaft (APIA). Doch auf der Liste der für eine Finanzierung zulässigen Zuchtvögel standen nur Legehennen, Masthühner, Gänse und Enten. Der gute Mann wandte sich weiter an das Landwirtschaftsministerium, das in seiner Antwort zwar einräumte, dass es sich bei den Wachteln offensichtlich um ein versehentliches Weglassen in der Liste handele, dem Antragsteller aber folgenden Rat gab: Er möge eine Bittschrift an die Agentur schreiben, in der er glaubwürdig aufzeigen solle, dass die Wachtel auch ein Vogel sei, also Federn und zwei Flügel habe und Eier legen würde.
Einem Blog sind ferner mehrere Erfahrungen mit der rumänischen Bürokratie zu entnehmen. Ein Musik-Reporter, der vor mehreren Jahren zum Insel-Festival nach Budapest reisen wollte und dafür damals einen neuen Pass brauchte, erzählte dort folgendes: Aufgrund eines Fehlers sei im alten Pass sein Geschlecht als weiblich eingetragen worden, was niemandem über die Jahre aufgefallen war. Hingegen im Personalausweis stand das richtige, männliche Geschlecht, aber in der elektronischen Datenbank der Behörde war er wiederum als Frau eingetragen, was dazu führte, dass sich die Behörde nun weigerte, den neuen Pass auszustellen, bis die Sache geklärt sei. Dafür wurde der Reporter mit eindeutig männlichem Namen drei Wochen nach seinem Passantrag aufgefordert, seine Geburtsurkunde vorzuweisen und eine weitere Bearbeitungsfrist in Kauf zu nehmen. Nur war das Konzert auf der Budapester Insel, von dem er berichten wollte, am folgenden Tag, und von einer sofortigen Lösung des Problems wollte der Beamte nichts wissen. Der Reporter wurde auch noch wie in guten, alten, kommunistischen Zeiten angeherrscht, er sei doch selber schuld, weil er langes Haar habe. Er möge doch seine Haare kürzen, um künftig solche Versehen auszuschließen. Erst als der Reporter seine Beziehungen spielen ließ und einen ihm bekannten Parlamentsabgeordneten anrief, wurde die Angelegenheit in fünf Minuten erledigt, vom Leiter der Passbehörde höchstpersönlich.
Ein Nachrichtenportal aus einem nordostrumänischen Landkreis berichtete schließlich unlängst über den absurden Fall eines Mannes, der das Sterbezeugnis seiner Ehefrau brauchte, um eine Bankangelegenheit zu regeln. Doch weder das Krankenhaus, wo die Frau gestorben war, noch das Standesamt, wo das Original aufbewahrt wurde, wollten ein Duplikat ausfertigen, mit der Begründung, die Dokumente seien schon archiviert worden und dürften nicht mehr angerührt werden. Und schließlich sei der Mann selber schuld, denn er hätte bei der Ausstellung des Dokuments vom Krankenhaus durchaus eine Kopie erstellen können/sollen/müssen, bevor er das Original zum Standesamt gebracht habe. Der Mann wurde schließlich angehalten, eine Bittschrift an die Bank zu richten, damit diese wiederum beim Krankenhaus beantragt, eine Kopie der ärztlichen Todesfeststellung herauszurücken.
Tja, was kann man dazu noch sagen: Bürokratie à la roumaine – wir müssen hier täglich damit fertig werden, kein Wunder, dass die Großstadt-Rumänen (insbesondere Bukarester) oft gereizt sind und nicht selten ausrasten.
Damit Zeit für die Posteingangsliste. Die Poststelle ist wegen Urlaubs immer noch geschlossen, daher kann ich auch heute keine Postbriefe-Schreiber aufzählen. E-Mails erhielten wir bis Freitagmittag von Georg Pleschberger und Josef Robl (A), Manfred Theile und Hans-Martin Friedrich (CH), Dewan Rafiqul Islam (Bangladesch), Dmitrij Kutusow (RU) sowie von Wolfgang Büschel, Ralf Urbanczyk, Rainer Selle, Siegbert Gerhard, Herbert Jörger, Dieter Sommer, Volker Willschrey, Hubert Smykalla, Marcel Goerke, Andreas Pawelczyk, Jörg-Clemens Hoffmann, Michael Lindner, Bernd Seiser (alle zuletzt genannten aus Deutschland). Das Internetformular bediente Hartmut Broschat (ebenfalls aus Deutschland), der eher mittelmäßig bis schlechte Empfangsbedingungen meldet.
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