Hörerpostsendung 11.7.2021
Heute mit der Beantwortung einiger Fragen von unseren Hörerinnen und Hörern.
Sorin Georgescu, 11.07.2021, 17:30
Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI!
Für heute habe ich mir vorgenommen, ein paar Fragen von unseren Hörerinnen und Hörern zu beantworten, die ich mir in den vergangenen Wochen aufgeschrieben habe.
Michael Lindner (aus Gera, Thüringen) wollte unlängst wissen, wie viele Wasserfälle es in Rumänien gibt. Die genaue Zahl habe ich leider nicht ausfindig machen können, herkömmliche Atlanten wie mein alter Schulatlas führen diese Info nicht an, Wikipedia listet rund 30 Wasserfälle in alphabetischer Reihenfolge auf, sonst gibt es im Internet auf Presseportalen oder in unterschiedlichen Blogs von Naturliebhabern Fotos und Beschreibungen der 10, 15 oder 20 spektakulärsten Wasserfälle in Rumänien.
Wolfgang Waldl (aus Wien) hatte eine Frage zur Schreibweise des Rumänischen:
Lieber Herr Sorin, Werte Redaktion!
Mit großer Freude habe ich die schöne QSL-Karte des Barock-Palais in Oradea (Großwardein) erhalten und auf dem Umschlag auch die wunderschöne Marke mit dem alten Musikkoffer. Vielen Dank!!! Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, dass es im Rumänischen praktisch keine Wörter mit K“ gibt. Da Sie, lieber Herr Sorin, im Sprachlichen sehr bewandert sind, können Sie vielleicht auch das Thema K“ einmal besprechen.
Vielen Dank für das Feedback. Den Buchstaben K gibt es sehr wohl im Rumänischen, nur wird er selten verwendet: Außer in Wörtern mit dem Vorsatz Kilo“ wie Kilogramm, Kilometer, Kilowatt usw. (wobei Kilo“ tausend“ im Altgriechischen bedeutet) kommt der Buchstabe K noch in Namen aus anderen Sprachen vor, etwa in Karen (auch in englischer Aussprache), Karin, Katalin (das ist ein ungarischer weiblicher Vorname), Kostas u.a.m. Außerdem wird der Buchstabe noch in der Transliteration (Umschrift) von Namen aus Sprachen, die nicht die lateinische Schrift verwenden – etwa aus dem Russischen, dem Griechischen, Georgischen oder Armenischen. Generell werden fremde Namen im Rumänischen mit der originalen Schreibweise übernommen – allein Namen von europäischen Herrschern werden in der rumänischen Form genannt – und auch Ortsnamen in anderen Ländern, sofern es eine rumänische Variante gibt und noch gebräuchlich ist. So etwa heißt das alte Lemberg, heute Lviv auf ukrainisch, Liov im Rumänischen. Und die ostungarische Stadt Gyula nennt die rumänische Volksgruppe dort Jula.
Um Sprache und Wasserfälle geht es auch in der nächsten Frage, die wir von Michael Hartmann (aus Solingen) erhielten:
Liebes RRI-Team,
zu Ihrem kürzlichen Bericht über den Franzosen Allan Bourgeais, der nach Rumänien umgezogen ist, möchte ich fragen, wie in Rumänien die Mentalität mit Ausländern ist, die die rumänische Sprache lernen.
Von Frankreich habe ich gehört, dass man mindestens ein paar Wörter französisch rausbringen muss, damit die Leute mit einem reden und einem z.B. den Weg beschreiben. Selbst wenn die fließend Deutsch können.
In der Slowakei habe ich die Erfahrung gemacht, wenn man ein paar Wörter auf slowakisch rausbringt, reden die gleich wie ein Wasserfall, auch wenn an muttersprachliches Niveau noch gar nicht zu denken ist.
Wie ist es da bei einem Urlaub in Rumänien? Sollte ich da besser auf komplett ahnungslos machen, oder wenn ich ein paar Wörter kann, die auch benutzen?
Viele Grüße aus Solingen
Michael Hartmann
Vielen Dank für das Feedback, lieber Herr Hartmann. Dass einige Franzosen manchmal richtige Sprachchauvinisten sind, ist mir auch – unangenehm – aufgefallen. Etwa am Flughafen in Nizza vor mehr als zehn Jahren, als ich mein verrostetes Schulfranzösisch bemühen musste, um Auskunft über den Bus für mein Reiseziel zu erhalten, das sich im Landesinneren befand. Oder auf einem Flohmarkt, wo ich nach einem Souvenir suchte und feststellen musste, dass etliche Händler ein Karton auf ihren Tisch aufgestellt hatten – mit der Aufschrift: Pas d’anglais – No more English“. Ziemlich seltsam, wimmelte es doch vor ausländischen Touristen, die gerne etwas gekauft hätten. Es haben natürlich nicht alle Franzosen diese Einstellung, die jüngeren Generationen sind durchaus aufgeschlossen und sprechen auch Fremdsprachen.
In Rumänien freut man sich darüber, wenn man ein paar Wörter auf rumänisch herausbringt – man wertet es offenbar als Zeichen des Respekts und man erwartet auch nicht, dass einer fließend spricht oder alles versteht. In Großstädten und in Touristenstätten sprechen aber ohnehin viele recht passables Englisch, so dass es keine größeren Verständigungsschwierigkeiten geben sollte. Ich habe allerdings auch davon gehört oder gelesen, dass in Rumänien lebende Ausländer, die Rumänisch lernen und üben wollen, sich darüber beklagen, dass sie kaum Gelegenheit dazu haben. Sobald sie ein paar Worte auf rumänisch sagen, würden Einheimische – insbesondere junge, gebildete Leute – sofort in fließendes Englisch wechseln. Das gilt wohlgemerkt nur für Großstädte und bildungsaffine Menschen. In abgelegenen Gebieten kann man auch nicht erwarten, dass die Menschen Fremdsprachen beherrschen oder fließend über die Lippen bringen.
Von unserer Stammhörerin Beate Hansen (aus Wiesbaden) erhielten wir nebst Feedback zu unseren Sendungen gleich drei Fragen – die dritte Frage über das Rentensystem bzw. die Rentenreform hebe ich mir auf, weil ich noch recherchieren und mir Statistiken anschauen will. Das Thema ist schwierig, offensichtlich blüht uns allen in Europa bei der derzeitigen demographischen Entwicklung eine Erhöhung des Rentenalters. Doch zunächst einen Ausschnitt aus den Zeilen von Frau Hansen:
Hallo nach Bukarest,
nach einigen Wochen will ich mich mal wieder melden, nachdem die Sendungen der letzten Zeit ein paar Fragen aufgeworfen haben. Aber sowieso ist es Zeit, einen herzlichen Gruß nach Bukarest zu schicken! Die Ferienzeit hat in der Redaktion wohl schon begonnen, erkennbar an einigen Wechseln in den Rubriken – Adina Olaru berichtet über Tänzer, Sorin Georgescu übernimmt Pro Memoria“ und Alex Sterescu die Kulturchronik“ (das ungewohnte Thema war ihm an der Stimme anzumerken – goldig! – und hoffentlich können alle die Zeit genießen, ohne allzu sehr unter Hitze und Unwettern zu leiden. Goldig (wie die Hessen sagen) fand ich auch einige der jüngsten Funkbriefkasten-Ausgaben, vor allem die Berichte über die Seemansfunk-Aufzeichnung, das Schwein in Tuşnad und die Kosmonauten-Begeisterung 1978 bzw. 1981.
Aber, wie Sie schon ahnen, habe ich auch mal wieder ein paar Fragen.
Die erste dreht sich um die Ab- und Wiedereinsetzung der Ombudsfrau: Was genau steckt dahinter, was wirft ihr die Regierung vor, was ist an den Argumenten der Opposition dran? Warum riskiert die Regierung den Streit, wo sie doch wissen muss, dass das Verfassungsgericht gefühlt immer (?) zugunsten der PSD entscheidet? Und, im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Opposition: Stimmt es denn, dass immer noch mit Eilverordnungen regiert wird?
Die zweite Frage betrifft die Debatte über den Aufbau- und Resilienzplan: Glücklicherweise ist der Misstrauensantrag vor ein paar Tagen ja abgeschmettert worden, aber was ist davon zu halten – welche Substanz haben die (m.E. in übelstem Wahlkampfton formulierten) Vorwürfe der Opposition, oder sind sie tatsächlich nur Schaufenstergetöse und Enttäuschung über die den PSD-Baronen“ entgangene EU-Gelder?
Viele Grüße nach Bukarest von
Beate Hansen
Vielen Dank für das ausführliche Feedback, liebe Frau Hansen! Ich fange mal von hinten an. Bei der zweiten Frage haben Sie schon die Antwort erraten – es ist ein Kasperltheater ohne Ende. Anders als in Deutschland ist konstruktive Opposition“ ein Fremdbegriff in Rumänien, das Instrument des Misstrauensantrags wird am laufenden Band missbraucht, um fragile Mehrheiten umzukippen. Die rumänische Presseagentur Agerpres hat im Oktober 2019, also kurz vor Ausbruch der Pandemie, in einem Artikel zusammengezählt, wie viele Misstrauensanträge seit 1990 eingereicht wurden – und kam zum Schluss: In knapp 30 Jahren seit 1990 wurden insgesamt 38 Misstrauensanträge gestellt. Das erinnert stark an die Zwischenkriegszeit, als sich in den 20 Jahren der fragilen Demokratie von 1918 bis 1938 über 30 Regierungen abwechselten. Und mit Eilverordnungen hat praktisch jede Koalition hierzulande in den letzten 30 Jahren regiert, wenn die Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht stimmten.
Die Antwort auf die Frage zur Ombudsfrau ist kompliziert, oft verstehen auch heimische Journalisten nicht mehr, was da gerade abläuft. Die Regierung hatte ihr u.a. vorgeworfen, dass sie einen Bericht über die mutmaßlichen Entführungen und Morde an minderjährige und jugendliche Frauen im südrumänischen Caracal nicht rechtzeitig der Regierung zugestellt haben soll. Andere hingegen behaupteten, die Ombudsfrau habe eine Eilverordnung der Regierung vom vergangenen Jahr abschmettern wollen, wonach private Krankenhäuser auch auf staatliche Finanzierung zugreifen dürfen. Da ist schon was dran, und ich habe auch persönliche Erfahrung damit gemacht, denn mein Vater musste sich unlängst aufgrund mehrerer chronischer Krankheiten untersuchen lassen und muss sich demnächst weiteren Untersuchungen unterziehen. Dass in der Pandemie chronisch Kranke besonders hart getroffen wurden, brauche ich nicht zu betonen, das ist wohl überall so. Doch offensichtlich nutzen private Gesundheitseinrichtungen diese neue Regelung schamlos aus, um wie das sprichwörtliche Kalb von zwei Kühen gleichzeitig zu saugen, wie eine rumänische Redewendung besagt. Denn wenn man mehrere unterschiedliche Untersuchungen braucht, wird man von einem Arzt zum anderen geschickt, die Krankenkasse übernimmt ein sogenanntes Basispaket und der Patient zahlt darüber hinaus aus der eigenen Tasche für die Befunde und für jede einzelne Voruntersuchung oder ärztliche Besprechung. Zwar haben private Krankenhäuser eine bessere materielle Ausstattung als die staatlichen, doch eine bessere Behandlung darf man deswegen nicht zwangsläufig erwarten, denn es sind oft dieselben Ärzte, die sowohl im staatlichen als auch im privaten Gesundheitswesen arbeiten. Wenn man also keine Beziehungen spielen lassen kann, um zu einem wirklich guten und wohlwollenden Arzt zu gelangen, ist es einfach eine Glückssache, ob man anständig behandelt wird. In unserem Fall hatten wir sowohl Glück als auch Beziehungen, um einen anständigen Arzt zu finden, der uns geradeaus sagte: Private Krankenhäuser sind Geldmaschinerien, kommen Sie doch lieber nächste Woche zu mir, aber nicht hierher, sondern ins staatliche Krankenhaus, dort kann ich veranlassen, dass alle benötigten Untersuchungen in einem Stück durchgeführt werden.“
Doch zurück zur Ombudsfrau. Ombudspersonen haben in Rumänien theoretisch die Aufgabe, Bürger vor Missbrauch durch Regierung oder staatliche Stellen zu schützen. Doch haben etliche Regierungskoalitionen immer versucht, das Gegenteil zu bewirken, nämlich eine gefügige Person für dieses Amt zu finden, die Regierung und staatliche Institutionen vor den Bürgern schützt. Außerdem ist es im konkreten Fall der ab- und bis zur Begründung des Verfassungsgerichts noch nicht wiedereingesetzten Ombudsfrau auch eine Personalie. Als altgedientes Mitglied der Liberalen Partei (PNL) hatte sie nicht gerade ein gutes Verhältnis zur aktuellen Führungsriege, die Spitzenpolitiker der Liberalen haben ihr mehrfach vorgeworfen, einem abtrünnigen Flügel der Partei namens ALDE nahe zu stehen und mit der PSD unter einer Decke zu stecken. Es bleibt also abzuwarten, wie das Verfassungsgericht seine Entscheidung begründet, danach will die Ombudsfrau gegebenenfalls weitere rechtliche Schritte gegen das rumänische Parlament in Erwägung ziehen, etwa eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Liebe Freunde, das war’s für heute. Bis Samstag erhielten wir noch elektronische Post von Bernd Seiser, Michael Willruth, Alfred Albrecht, Ernst Meinhard, Lutz Winkler und Wolfgang Maschke (D) sowie von Siddhartha Bhattacharjee (IND).
Danke für Ihre Zuschriften, nächsten Sonntag hören wir uns noch einmal, bevor es in die Sommerpause mit Wiederholungen geht. Bleiben Sie gesund und genießen Sie das Wochenende! Tschüs!
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