Hörerpostsendung 11.2.2018
Heute mit der Beantwortung von Hörerfragen und Aufzeichnungen aus unserem Audioarchiv.
Sorin Georgescu, 11.02.2018, 17:30
Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI!
In der vergangenen Woche haben wir zwar einige Empfangsberichte erhalten, aber nicht sonderlich viel Feedback zu unserem Programm. Daher werde ich heute ein paar Hörerfragen beantworten, die ich mir in den vergangenen Wochen aufgeschrieben habe. Und im Zusammenhang mit der Beantwortung der Fragen bringe ich zwei Aufzeichnungen aus unserem Audioarchiv.
Christoph Paustian (aus Häusern, Baden-Württemberg) fragte uns in einem Brief, den er Ende 2017 verfasste:
An welchem Tag war der Nationalfeiertag während der kommunistischen Herrschaftszeit?
Danke für die Frage, lieber Herr Paustian. Nationalfeiertag in der Sozialistischen Republik Rumänien war der 23. August. Am 23. August 1944 wurde in Rumänien Marschall Ion Antonescu, ein Verbündeter Nazi-Deutschlands, entmachtet, und das Land wechselte die Fronten auf Seite der Alliierten. Historiker sind sich nicht einig über die Wertung der Ereignisse – manche bezeichnen die Geschehnisse als Staatsstreich, andere hingegen als legitime Entmachtung eines Diktators und Kriegsverbrechers, der das Land mit eiserner Faust geführt und militärisch ins Desaster geführt hatte und für die Deportation der Juden und Roma verantwortlich gewesen war.
In der kommunistischen Deutung wurde der Tag offiziell als bewaffneter antifaschistischer und antiimperialistischer nationaler Aufstand“ oder – kürzer – Befreiung vom faschistischen Joch“ bezeichnet. In der Ceauşescu-Diktatur wurde die Rolle der Kommunistischen Partei während der Ereignisse von 1944 maßlos übertrieben, die Kommunisten wurden zu Helden hochstilisiert.
Am Nationalfeiertag wurde in den staatlichen Medien Propaganda in diesem Sinne gesendet. Unser Sender, der sich damals Radio Bukarest nannte, machte keine Ausnahme: Auf einem Tonband aus unserem Archiv wurden in einer Literatursendung am 23. August 1975 Gedichte von rumänischen Dichtern in deutscher Übersetzung oder von rumäniendeutschen Lyrikern vorgetragen – allesamt dem Nationalfeiertag oder der Kommunistischen Partei gewidmet und mit pompöser Musik untermalt. Damit Sie sich eine Vorstellung machen können, wie das klang, hören wir nun ein etwa dreieinhalbminütiges Fragment.
Eine weitere Frage erhielten wir von Herbert Jörger, der in Bühl, ebenfalls in Baden-Württemberg, zu Hause ist.
Ihre Sendung hat mir sehr gut gefallen. Neben dem Funkbriefkasten ist Ihre Radiotour immer wieder ausgezeichnet, ohne Landkarte erfährt man immer wieder Neues über Rumänien. Eine Frage hätte ich noch. Wird in Ihrem Land auch Fasching gefeiert?
Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Jörger. Diese Frage habe ich eigentlich schon in den vergangenen Jahren mehrmals beantwortet, aber gerne wiederhole ich die Antwort:
Fasching, Karneval, Fastnacht, Saalfastnacht – wie man diese Bräuche in diverser regionaler Ausprägung auch immer nennt – gibt oder gab es es in Rumänien eher bei den Siebenbürger Sachsen und den Banater Schwaben. Darüber habe ich ausführlich im Funkbriefkasten am 8.3.2015 berichtet. Die Faschingstraditionen in Siebenbürgen hatten ihre lokalen Besonderheiten und zeigten viele Varianten auf. Es gab in dieser Periode verschiedene Arten von Feierlichkeiten:
Die Faschingsbälle, die von der Jugend oder von den früher existierenden Vereinen organisiert wurden (Frauenverein, Freiwillige Feuerwehr etc.). Höhepunkt war der Marienball am 2. Februar. In Anlehnung an diese Tradition veranstaltet das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt heute noch jährlich den Marienball in Hermannstadt. Es ist ein Tanznachmittag mit Blasmusik vom Band, zu dem hauptsächlich Senioren kommen.
Und in den deutschsprachigen Schulen, wo nicht selten auch Gastlehrer aus Deutschland unterrichten, feiert man Fasching meistens Mitte Februar, und Kindern und Eltern macht es einen Heidenspaß. Meine Kollegin Adina Olaru hat im vergangenen Jahr darüber berichtet, denn ihre Kinder gehen auf die deutsche Schule in Bukarest. Hören wir ihre Eindrücke vom vergangenen Jahr:
Februar. Freitagmorgen. Der längst ersehnte Tag ist endlich da. Heute dürfen wir uns verkleiden. Meine 8-jährigen Drillinge – zwei Buben und ein Mädel – sind in der zweiten Klasse. Im Goethe-Kolleg Bukarest. Deutsch wird im Goethe-Kolleg als Muttersprache unterrichtet. Da wurden auch alle Traditionen aus dem deutschsprachigen Raum übernommen, inklusive Fasching.
Die Anweisungen der Lehrerin – Frau Ioana – waren klar. Dieses Jahr machen auch die Eltern beim Fasching mit. Wir haben uns thematisch zu verkleiden – jede Familie sucht sich aus, was es sein will. Wir sind die Piratenfamilie. Piratenkostüme fand ich einfacher zu zaubern. Ein paar alte Lumpen, ein Rock, gebrauchte Hosen, Augenschutz. Alles tipptopp. Klar gehört auch ein bisschen Schminke dazu, wie denn sonst!
Nun ist es an die Zeit, aufzubrechen. Schön verkleidet schlendern wir zum Auto. Die paar Passanten, die an uns vorbeigehen, schauen uns komisch, jedoch amüsiert an. In Rumänien gibt es keine Fasching-Tradition. Lediglich in deutschen Schulen wird Karneval gefeiert. Im Auto werden zum aller letzten Mal die Gedichte wiederholt, die die Kinder beim Fasching vortragen werden.
Im kleinen Turnsaal des Goethe-Kollegs herrscht gute Laune. Im gemeinsamen Umkleideraum geht es hektisch zu. Viele Kinder ziehen erst in der Schule ihre Kostüme an. Da passt nicht immer alles, wie es sich gehört. Und manches wurde aus Versehen zu Hause vergessen.
Die Kinder laufen herum, lachen laut, schubsen sich gegenseitig. Sie spielen miteinander. Die bösen Piraten nehmen Rotkäppchen und Elsa, die Eiskönigin. gefangen. Die Mädels schreien. Darth Vader greift ein, er will die Prinzessinnen retten. Ja, diesmal hat seine gute Seite die Oberhand gehabt!
Endlich ist es soweit. Eltern, Kinder und Frau Ioana, wir versammeln uns alle im Turnsaal. Jede Familie stellt seine Kostüme vor. Es wird laut geklatscht. Und viel gelacht. Meine kleinen Piraten duellieren sich kurz, um ihre Fähigkeiten zu beweisen. Die Demonstration kommt gut an! Dann tragen sie die Verse vor. Frau Ioana hat sie selbst geschrieben. Sie passen zu den Kostümen. Und in der Klasse sind 32 Kinder – da musste sie schön kreativ sein. Es folgen lustige Proben: Sackspringen und Eltern in Klopapier verhüllen – das macht riesig Spaß. Dann sind die Eltern wieder dran – beim Orangentanz. Diesmal klatschen die Kinder Beifall. Zum Schluss wird getanzt. Und Karaoke gesungen.
Drei Stunden sind vorbei. Wir schauen durchs Fenster. Im Schulhof laufen viele verkleidete Kinder herum. Alle Schulklassen feierten Fasching zugleich. Der Schulhof sieht besonders bunt aus. Und irgendwie feierlich. Da kann ich nicht anders, als mir noch einmal gedanklich zu bestätigen: Ja, es war eine gute Entscheidung, die deutsche Schule zu wählen. Ich schaue durchs Fenster und erblicke noch einmal eine lebenslustige Gemeinschaft, die zusammenhält.
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Adina Olaru mit Eindrücken vom Fasching des vergangenen Jahres im Goethe-Kolleg, der deutschsprachigen Schule in Bukarest, die auch ihre Kinder besuchen.
Damit Zeit für die Postliste: Postbriefe erhielten wir von Ulrich Wicke und Erhard Lauber (beide aus Deutschland).
E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Sergej Isjumow (Russland), Reinhard Schumann (Schweden), Paul Gager, Andreas Drahanek und Georg Pleschberger (alle drei aus Österreich) sowie von Heinz-Günter Hessenbruch, Gerd Brüschke, Herbert Jörger und Bernd Seiser (alle aus Deutschland).
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