Psychische Gesundheit rumänischer Arbeitnehmer
Im Jahr 2024 rückten zwei Todesfälle am Arbeitsplatz die psychische Gesundheit rumänischer Arbeitnehmer in den Fokus. Im Februar 2025 wurde erstmals ein Unternehmen in Rumänien gerichtlich für das Burnout-Syndrom einer Mitarbeiterin verantwortlich gemacht und zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.

Iulia Hau, 12.03.2025, 14:05
Eine aktuelle Studie mit 3.500 rumänischen Beschäftigten zeigt, dass 48 % häufig bis sehr häufig unter Angstzuständen am Arbeitsplatz leiden, während 43 % wöchentlich maximal drei Stunden zur Entspannung nutzen.
Corina Neagu, eine Expertin mit über 20 Jahren Erfahrung im Personalwesen und Gründerin eines Beratungsunternehmens, sieht die Ursachen unter anderem in Defiziten der rumänischen Bildungslandschaft der letzten 35 Jahre. Ihrer Meinung nach fehlt es an emotionaler Bildung, was sich negativ auf die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer auswirkt. Sie kritisiert, dass Schulen kaum Kompetenzen vermitteln, die für das spätere Leben relevant sind:
„Das rumänische Bildungssystem bereitet Schüler kaum auf das Leben vor – es kümmert sich nicht um ihre emotionale Entwicklung. Viele Kinder wachsen mit abwesenden Eltern auf – sei es durch Arbeitsmigration oder emotionale Distanz. Andere erleben Armut, dysfunktionale Familienverhältnisse oder Missbrauch. Eltern wissen oft selbst nicht, wie sie mit ihren eigenen Gefühlen umgehen sollen, geschweige denn mit denen ihrer Kinder. Das alles hat dazu geführt, dass unser emotionaler und mentaler Zustand als Gesellschaft weit von einem gesunden Maß entfernt ist. In entwickelten Ländern gibt es Präventionsstrategien und Programme auf nationaler und organisatorischer Ebene, um das Wohlbefinden und die psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz zu fördern.“
Neagu betont, dass sich kulturell verankerte Verhaltensmuster aus der Vergangenheit dringend ändern müssen. Sie verweist auf die Nachwirkungen der kommunistischen Ära, in der Angst als Kontrollinstrument diente und sich bis heute in autoritären Hierarchien widerspiegelt. Zudem fehle es an Teamgeist, während Individualismus oft missverstanden werde. Ein weiteres kulturelles Problem sei die Scham als prägendes Element sozialer Interaktionen.
„Wir wurden nicht zur Meinungsäußerung erzogen. Feedback? Unbekannt! Wer als Kind den Mund aufmachte, bekam zu hören: ‚Sei still, die Erwachsenen reden!‘ Hinzu kamen Zwangsmaßnahmen, sowohl in der Schule als auch zu Hause. Dieses Muster hat sich fortgesetzt.“
Viele Experten im Personalwesen fordern, dass Unternehmen eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden der Arbeitnehmer – und damit der Gesellschaft insgesamt – übernehmen müssen. Neagu sieht das genauso:
„Unternehmen sind keine Dritten, sie werden von Menschen geführt, die Entscheidungen treffen müssen. Die Entscheidung, sich um seine Mitarbeiter zu kümmern, sollte für jede Art von Organisation und für jede Art von Führungspersönlichkeit oberste Priorität haben. Warum solltest du dich um deine Leute kümmern? Kümmern sich deine Leute um deine Kunden? Es ist ganz einfach. Ja, sowohl um interne als auch um externe Kunden. Das hat Richard Branson gesagt, nicht ich – aber er hat es sehr treffend formuliert. Das ist nämlich extrem wichtig – und sich kümmern bedeutet nicht nur, am Monatsende ein Gehalt zu zahlen. Es bedeutet auch, den Raum, das Klima, die Kultur und das Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter authentisch fühlen und sich frei ausdrücken können. Bewusste Authentizität. Das heißt, wir kommen nicht, um unsere schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, sondern wir kommen ohne das Gefühl, ein Damoklesschwert über uns zu haben, und ohne Angst vor Konsequenzen – wenn wir Feedback geben, ohne Traumata, wenn wir während einer Diskussion anderer Meinung sind. Wir können unterschiedliche Ansichten haben und uns dabei wohlfühlen, unseren Standpunkt offen zu äußern, so wie wir ihn denken. Wir sagen also, was wir wirklich denken, ohne dafür bestraft, belästigt, missbraucht, ausgegrenzt oder entlassen zu werden.“
Eine Umfrage der Plattform BestJobs zeigte, dass die Arbeitszufriedenheit rumänischer Arbeitnehmer 2023 auf den niedrigsten Stand der letzten drei Jahre gesunken ist – nur drei von zehn Befragten waren mit ihrem Job zufrieden. Sechs von zehn gaben an, dass ihre Arbeit ihr Privatleben negativ beeinflusst. Gleichzeitig wächst jedoch die Zahl der NGOs und Experten, die Unternehmen und Mitarbeiter dabei unterstützen, gesündere Arbeitsumgebungen mit besserer Kommunikation und mehr Empathie zu schaffen.