Casa Radio legt Nina Cassian erneut auf
Der Funkhauseigene Verlag Casa Radio hat das erfolgreiche Hörbuch "Dans", in dem Nina Cassian ihre eigenen Gedichte vorträgt, in einer deutlich erweiterten Ausgabe neu aufgelegt. Neben weiteren Gedichten, die die Autorin selbst einst einsprach, enthält die Neuauflage ein Interview mit dem Journalisten Emil Buruiană über ihr Werk und ihre Auswanderung. Das Hörbuch wurde anlässlich des 100. Geburtstags von Nina Cassian produziert und umfasst 51 Gedichte, die sie zwischen 1959 und 2003 für das Radio aufzeichnete. Das Vorwort stammt von Cosmin Ciotloș, die Illustrationen von Tudor Jebeleanu.
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Corina Sabău, 01.03.2025, 11:38
Nina Cassian war nicht nur Lyrikerin, sondern auch Essayistin, Übersetzerin, Komponistin und bildende Künstlerin. Sie entstammte einer jüdischen Familie und bewegte sich bereits als Jugendliche in linken intellektuellen Kreisen. Mit 16 Jahren trat sie der damals verbotenen Kommunistischen Jugendorganisation bei, angetrieben von der Idee, die Welt von fundamentalen Gegensätzen zwischen Geschlechtern, Rassen, Völkern und Klassen zu befreien.
Ihr literarisches Debüt gab sie 1947 mit dem surrealistischen Lyrikband La scara 1/1 (deutsch: Größenordnung 1/1). Nach einem ideologischen Angriff in der Parteizeitung Scânteia begann sie vorübergehend, sich dem sozialistischen Realismus zuzuwenden, kehrte aber „nach einer Umweg von etwa acht Jahren“, wie sie selbst sagte, zur authentischen Poesie zurück. Zudem schrieb sie Kinderliteratur und übersetzte Werke von Shakespeare, Bertolt Brecht, Christian Morgenstern, Iannis Ritsos und Paul Celan. Ein Kinderbuch über zwei Tigerjunge (Originaltitel: Povestea a doi pui de tigru numiţi Ninigra şi Aligru) brachte ihr 1969 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbands ein.
1985, während eines Aufenthalts als Gastprofessorin an der New York University, erfuhr Cassian von der Verhaftung und Ermordung ihres Freundes Gheorghe Ursu, in dessen von der Securitate sichergestellten Tagebuch auch ihre eigenen regimekritischen Äußerungen vermerkt waren. Sie entschied sich, in den USA zu bleiben. In Rumänien wurden ihre Bücher verboten und ihre Wohnung enteignet. In den USA veröffentlichte sie Übersetzungen ihrer rumänischen Gedichte (Life Sentence) sowie Werke auf Englisch (Take My Word for It!, Blue Apple und Lady of Miracles), für die sie 1994 den Golden Lion Award der New York Library erhielt. Die letzten 30 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in New York, wo sie ihre Memoiren schrieb – ein dreibändiges Werk, das zwischen 2003 und 2005 in Rumänien erschien.
Die Neuauflage des Hörbuchs „Dans“ – auf Deutsch Tanz – wurde von Cosmin Ciotloș betreut und bei einer Veranstaltung des Verlags Casa Radio präsentiert. Zu den Gästen gehörten der Regisseur Alexandru Solomon und der Schriftsteller Călin-Andrei Mihăilescu. Ciotloș betonte die stilistische Relevanz von Cassians Werk: „Mich interessiert, wie viel von Nina Cassian in der heutigen rumänischen Poesie noch lebendig ist. Viele Sprachspiele in den Gedichten von Florin Iaru lassen sich auf sie zurückführen. Auch manche von Mircea Cărtărescus Gedichte, die eigentlich auf Ion Barbu abstellen, tragen ihr stilistisches Erbe. Junge Dichter von heute, darunter Ioan Coroamă, Florentin Popa und Mihnea Bâlici, stehen ihrer Poesie näher, als man denkt. Cassians Werk ist mehr als ein nostalgisches Erinnerungsstück – es bleibt eine lebendige, produktive poetische Form.“
Călin-Andrei Mihăilescu, seit den späten 1980er Jahren in Kanada ansässig, kannte Cassian noch aus den Sommern im Schwarzmeerdorf 2 Mai und später aus ihrer Zeit in New York. Er beschrieb sie als außergewöhnliche Persönlichkeit: „In diesem Hörbuch kann man Nina Cassians Stimme vernehmen, aufgenommen zwischen den 1950er- und den frühen 2000er-Jahren. Ihre Stimme gehörte zu den großen rumänischen Stimmen: gebildet, klug, raffiniert und zugleich erotisch. Ich habe sie in ihren letzten 20 Jahren in New York näher kennengelernt. Wir veranstalteten Creative-Writing-Workshops – mal auf Rumänisch, mal auf Englisch. Nina hatte dabei immer eine Flasche Whisky, oft von minderer Qualität, aber stets als Literflasche, und sie konnte jeden unter den Tisch trinken. Sie rauchte mehr als ich – und glauben Sie mir, ich rauche wirklich viel. Sie war eine Diva. Eine Diva, die in einer recht schäbigen Hochhauswohnung auf der Roosevelt Island lebte, aber ihre Wohnung war voller Zeitschriften, darunter Gazeta Literară und România Literară, und sogar ein Paris Match aus dem Jahr 1968 mit einem Bericht über Charles de Gaulles Besuch in Bukarest.“
Ein besonders bewegender Moment der Veranstaltung war die Vorführung eines Kurzfilms von Alexandru Solomon. Die Aufnahmen, die er als Jugendlicher in Vama Veche gemacht hatte, zeigten Nina Cassian gemeinsam mit seiner Mutter, der Malerin und Kunsthistorikerin Yvonne Hasan, und weiteren Künstlerfreunden.