Der Kandidat, der wie aus dem Nichts erschien
Der parteifreie Călin Georgescu hat Demoskopen völlig überrumpelt und den ersten Wahlgang gewonnen. Doch wer ist der Mann überhaupt?
Alex Gröblacher, 25.11.2024, 16:36
Über 9,4 Millionen Rumänen haben am Sonntag im ersten Wahlgang ihre Stimme für den nächsten Präsidenten des Landes abgegeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 52,55 % und war damit deutlich höher als vor fünf Jahren, als sie 42,19 % betrug. Außerhalb der Landesgrenzen stimmten über 820.000 Rumänen ab, die meisten davon in Großbritannien (150.000), Deutschland (145.000) und Italien (123.000).
Die große Überraschung der Wahl ist der unabhängige Kandidat Călin Georgescu, ein 62-jähriger Agraringenieur, der den ersten Wahlgang gewann. Er arbeitete als Experte für nachhaltige Entwicklung und war Staatssekretär im Umweltministerium. Außerdem leitete er eine Abteilung im Außenministerium und bekleidete über mehrere Jahre verschiedene Positionen bei den Vereinten Nationen im Bereich Umweltschutz. Seit 2013 ist er Direktor des Europäischen Forschungszentrums des Club of Rome und derzeit Professor an der Universität in Pitești (Süden).
Die internationale Presse berichtet, dass die Rumänen den Extremismus wählten, was geopolitisch eine Katastrophe sei. „Wahlbeben in Rumänien: Ein pro-russischer Kandidat, mit dem niemand gerechnet hat, liegt im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vor dem pro-europäischen Premierminister Marcel Ciolacu“, schreibt AFP. „Ein rumänischer Politiker der extremen Rechten und NATO-Kritiker erzielt ein schockierendes Ergebnis, das Rumäniens pro-ukrainische Haltung gefährdet“, berichtet Reuters.
Călin Georgescu wurde mit der rechtspopulistischen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) in Verbindung gebracht, einer Partei, die ihn mehrfach als Vorschlag für das Amt des Premierministers genannt hatte. Später distanzierte sich jedoch die AUR-Führung von ihm und warf ihm vor, dass seine pro-russische und anti-NATO-Haltung das Image der Partei beschädigt habe. In einem Interview aus dem Jahr 2021 bezeichnete Georgescu das NATO-Raketenschild in Deveselu als „Schande der Diplomatie“ und behauptete, die Allianz würde keinen ihrer Mitglieder schützen, sollte Russland sie angreifen. Außerdem erklärte er, Ion Antonescu, de facto Staatsführer Rumäniens während des Zweiten Weltkriegs, der wegen seiner Rolle im Holocaust zum Tode verurteilt wurde, und Corneliu Zelea Codreanu, Führer der Legionärsbewegung – einer der gewalttätigsten und von krudestem Antisemitismus geprägten Gruppen in Europa – seien nationale Helden.
Gegen Georgescu wurde ein Strafverfahren wegen Förderung des Personenkults um Personen, die des Völkermords verdächtigt werden, eingeleitet. In einem weiteren Interview sagte er, dass „die russische Klugheit“ die beste Chance für Rumänien sei. Extrem religiös und nationalistisch setzte er sich für die Verringerung der Importabhängigkeit Rumäniens, die Unterstützung der Landwirte sowie die Steigerung der heimischen Lebensmittel- und Energieproduktion ein.
Călin Georgescu blieb weitgehend im Hintergrund und konzentrierte sich auf die sozialen Medien. Die Rumänen, einschließlich der Diaspora, wählten ihn trotz seiner stark antisemitischen, legionärsfreundlichen, „messianischen“, pro-russischen und antiwestlichen Rhetorik. „Ich habe gesagt, wir machen keine Politik, wir schreiben Geschichte. Es hat sich bewahrheitet“, sagte er nach Schließung der Wahllokale.