Antonio Madrid aus Lissabon: „Im Ausland zu leben ist aufregender“
Unser heutiger Gast heißt Antonio Madrid, er ist Spanier, wurde jedoch in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon geboren, wo er auch aufwuchs.
Hildegard Ignătescu und Sorin Georgescu, 01.08.2024, 18:15
Im Jahr 2008 zog Antonio Madrid nach Rumänien, arbeitete mehrere Jahre in der Baubranche und lebte in Deva (Diemrich), Sibiu (Hermannstadt) und Bukarest. Nach einem Praktikum in Moskau als Wirtschaftsreferent in der spanischen Botschaft ließ er sich in Rumänien nieder, lebt nun in Bukarest und änderte seine berufliche Laufbahn: Er beschloss, am hiesigen Cervantes-Institut Rechtsspanisch für Ausländer zu unterrichten. Außerdem ist er beeidigter Übersetzer für Rumänisch, Spanisch und Portugiesisch. Und – last, but not least – ist er unser Kollege bei Radio Rumänien International in der spanischen Redaktion.
Wir haben ihn zunächst gefragt, wie er nach Rumänien kam und warum er sich entschied zu bleiben.
„Nach dem Uni-Abschluss zog ich für ein Masterstudium nach Polen und lernte dort meine zukünftige Frau kennen, die aus Rumänien stammt. Ich weiß noch, wie mein Vater sagte, als ich nach Polen ging: ‚Ich mache mir Sorgen, dass du in Polen bleibst!‘ Und ich sagte: ‚Schau, ich bin nicht in Polen geblieben, sondern nach Rumänien gezogen. Ich bin weiter nach Süden gezogen, in ein lateinisches Land, hier ist es besser.‘ Doch generell haben sich meine Eltern nicht allzu viel aufgeregt, weil ich – genau wie sie – schon mit 18 von zu Hause ausgezogen bin. Ich fahre zu Weihnachten und in den Sommerferien zurück, weil es in Lissabon am Ozean sehr schön ist, aber sonst nicht. Ich lebe gerne im Ausland, ich finde es aufregender.“
Doch warum gerade Rumänien? Er hätte schließlich mit seiner rumänischen Ehefrau auch in Portugal oder Spanien leben können.
„Bevor wir uns hier niederließen, verbrachten wir einige Zeit in Russland. Ich hatte ein Praktikum in Moskau absolviert, und als die Zeit dort vorbei war, mussten wir gehen. Wir hielten es für besser oder geeigneter, nach Rumänien zu ziehen. Meine Frau spricht zwar Spanisch, aber kaum Portugiesisch, also war es nicht geplant, in mein Elternhaus nach Lissabon zurückzukehren. Und in Spanien habe ich zwar auch Verwandtschaft, doch ist es keine enge Beziehung, folglich war es einfacher, nach Rumänien zu kommen, zu ihrer Familie in Bukarest.“
Doch wie hat es mit dem Einleben in Rumänien geklappt, vor allem am Anfang, als Antonio Madrid Rumänisch nicht beherrschte?
„Diese Frage bekomme ich oft gestellt und ich antworte immer dasselbe. Viele Rumänen fragen mich: ‚Aber wieso bist du nach Rumänien gekommen? Du kommst ja ursprünglich aus Spanien, in Spanien ist es doch so gut! Viele Rumänen wandern nach Spanien aus, und du machst es umgekehrt.‘ Und ich sage darauf immer: Nein, ich komme nicht aus Spanien, ich komme aus Portugal über einen Umweg durch Russland, doch hier ist alles viel einfacher. Hier gefällt mir alles, ich fühle mich wie zu Hause; auch wenn ich am Anfang die Sprache nicht beherrschte, hatte ich schon das Gefühl, dass ich mit den Menschen hier mehr im Einklang stehe als dort oben im Norden.“
Weiter wollten wir von Antonio Madrid noch erfahren, wie er bei Radio Rumänien International in der spanischen Redaktion landete und wie er sein Leben als Übersetzer und Redakteur findet.
„Ich habe Politikwissenschaft studiert, und ich erinnere mich an mehrere Professoren, die uns sagten: Sie sollten wissen, dass mehr Journalisten aus der Politikwissenschaft kommen als vom Journalistik-Studium. Ich hatte schon immer Kontakte zu den Medien, daher war es für mich kein großer Sprung. Außerdem bin ich seit zehn Jahren Blogger, kenne mich also in dem Bereich ein bisschen aus. Man lernt ständig dazu, ich liebe es, es ist ein aktives Umfeld. Ich arbeite nun seit anderthalb Jahren im Rundfunk, ich kenne immer noch nicht alle Kniffe des Metiers, aber ich denke, es ist ein sehr schöner Beruf. Ich kenne mehrere Leute, die hier in der spanischen Redaktion von RRI gearbeitet haben. Ich habe zunächst als außenstehender Mitarbeiter angefangen, und dann gab es eine Stellenausschreibung. So bin ich hier gelandet.“
Antonio Madrid hat in mehreren Ländern und in mehreren Städten Rumäniens gelebt. Wie findet er das Leben in Bukarest?
„Was mir von Anfang an in Rumänien sehr gut gefallen hat, ist, dass ich immer das Gefühl hatte, dass man hier viele Dinge tun kann, die in Spanien oder Portugal nicht so einfach möglich wären. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass ich in den ersten Tagen nach meiner Ankunft einen Freund von mir traf, der mir erzählte, dass er eine Apothekenkette eröffnen wollte, und ich schaute ihn erstaunt an. In Spanien käme niemand auf die Idee, auch nur eine einzige Apotheke zu eröffnen, weil das ein so kompliziertes Geschäft ist, das von Generation zu Generation vererbt wird und Millionen von Euro an Vorleistungen kostet. In Rumänien hingegen kam er mit dieser Idee auf und wollte sie sofort umsetzen. Es erschien mir wie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wenn man zu lange hier bleibt, bemerkt man die Veränderungen vielleicht nicht. Aber es reicht, wenn man für zwei bis drei Wochen oder einen Monat weggeht. Wenn man zurückkommt, merkt man sofort: Ja, die Dinge haben sich zum Besseren verändert.“
Doch wie für viele Ausländer, die in Bukarest leben, gibt es auch einen Wermutstropfen für Antonio Madrid: der Verkehr in der rumänischen Hauptstadt.
„Die Leute fragen mich: Könntest du dir vorstellen, hier in Bukarest zu leben, wenn du in Rente gehst? Und meine klare Antwort lautet: Nein! Der Verkehr ist einfach unmöglich! Ich bin an dem Punkt angelangt, an dem ich mein Auto unter der Woche gar nicht mehr benutze. Dafür gibt es eine U-Bahn, die sehr gut funktioniert, vor allem, wenn man nicht unbedingt um 7.30 bis 8.00 Uhr irgendwohin fahren muss. Es gibt zwar öffentliche Verkehrsmittel, aber die Stadt ist am Kollabieren. Hier scheint man sehr viel auf Autos zu geben, jeder Haushalt hat zwei, drei Autos, Privatwagen und Firmenwagen. Doch diese Stadt wurde in einer Zeit ausgebaut, als es noch nicht so viele Autos gab. Auch in Spanien gibt es Städte, die voller Autos sind, aber jedes Gebäude hat eine Tiefgarage. In Rumänien, insbesondere in Bukarest, ist das nicht so, und die Straßen sind fast zugeparkt.“