Virgile Prod’homme aus Frankreich: „Ein Teil meiner Identität ist rumänisch“
Virgile Prodhomme unterrichtet in Rumänien Französisch, in Bukarest lebt er seit 2019 und ist von der rumänischen Kultur fasziniert. Er ist der Ansicht, dass die Rumänen mehr Engagement für die Umwelt zeigen sollten.
Hildegard Ignătescu, 30.03.2021, 18:00
Virgile Prod’homme kommt aus Frankreich, wo er an der Universität Rouen Geographie studierte. Er setzte sein Studium in Rouen mit einem Master in Geographie und einem Master in Sprachwissenschaften fort. Dann unterrichtete er Französisch als Fremdsprache in Prag. Danach zog unser Gesprächspartner nach Rumänien, zunächst nach Constanța, wo er an einigen Gymnasien Französisch unterrichtete. Später lehrte er an der Westuniversität in Timișoara (Temeswar) und zog nach Österreich, wo er an der Universität Salzburg die gleiche Lehrerfahrung machte. Er kehrte nach Rumänien zurück, diesmal nach Bukarest, wo er als Dozent an der Universität tätig war und dann Direktor der französischen Buchhandlung Kyralina“ wurde. Seit 2019 ist er Direktor in der Abteilung Training und Zertifizierungen am Französischen Kulturinstitut in Bukarest. Er erzählt uns, wie seine rumänische Geschichte begann:
Als ich in Prag war, habe ich einige Rumänen getroffen, die mir ein wenig über die Vorliebe der Rumänen für die französische Sprache erzählten. Ich war sehr interessiert und kontaktierte meine ehemalige Universität in Frankreich, in Rouen, bewarb mich über das Außenministerium um ein Praktikum und schaffte es, nach Constanța zu kommen. Ich habe dort fast acht Monate gearbeitet und war begeistert von den Menschen und der Kultur. Es war eine angenehme Überraschung für mich, ich fand es unglaublich, dass es in diesem Teil Europas ein Volk gibt, das eine romanische Sprache spricht. Für mich war es faszinierend, und die Menschen waren sehr gastfreundlich und hilfsbereit.“
Virgile hat mit hunderten von Studenten und Schülern gearbeitet und hat eine große Erfahrung im Unterrichten der französischen Sprache gesammelt. Was hat ihn dazu bewogen, nach Rumänien zurückzukehren und hier zu bleiben?
Für mich gab es mehrere Möglichkeiten, habe auch in Deutschland studiert, und mein Bruder lebt dort. Ich könnte allerdings jderzeit nach Frankreich zurückkehren, wo ein Teil meiner Familie lebt. Aber ich dachte, dass Rumänien in Bezug auf Arbeit, Möglichkeiten und Alltagsleben viel Potenzial hat, also entschied ich mich, hier zu bleiben. Ich hatte auch eine berufliche Chance, denn ich war Dozent an der Universität Bukarest und für mich war es eine tolle Zeit mit den Studenten. Ich hatte viele Studenten und für mich war es eine äußerst interessante Arbeit. Als ich zurück in den Westen, nach Österreich, ging, gefiel es mir, aber ich vermisste Rumänien sehr. Bukarest ist eine überraschende und kulturell sehr interessante Stadt. Jetzt ist es schwieriger, weil wir mitten in der Covid-Pandemie stecken, aber ich denke, es ist eine Stadt mit einer interessanten Zukunft. Ich habe angefangen, Bücher von rumänischen Autoren zu lesen, Rumänisch zu sprechen, es systematisch zu lernen, und jetzt bin ich glücklich, weil ich eine neue Identität hinzugewonnen habe und ein Teil davon ist rumänisch.“
Virgile sagt, dass er sich in der rumänischen Gesellschaft sehr wohl fühlt und dass seine Rumänien-Erfahrung ihn gewissermaßen verändert hat:
In Rumänien kann man gut leben, indem man auf eine Ressource wie den Humor zurückgreift. Wenn etwas schief läuft, finden die Rumänen immer diese Art von ironischem Humor, den ich sehr mag und dem ich jeden Tag begegne. Es scheint mir, dass es positive und negative Aspekte gibt. Ein negativer Aspekt ist die Einhaltung von Terminen: Wenn wir z.B. planen, uns in sechs Monaten zur gleichen Zeit zu treffen, hält sich fast niemand dran, anders als in Deutschland, wo man das mit Sicherheit machen kann. Die positive Seite ist jedoch, dass ich hier die Fähigkeit gesehen habe, sich sehr schnell anzupassen, und nur hier habe ich diese Fähigkeiten gefunden. Ich denke, es ist sehr wichtig, besonders in den schwierigen Zeiten, die wir gerade erleben, dass die Menschen in der Lage sind, sich schnell an eine neue Situation anzupassen. Ich habe vorhin von Ironie und Humor gesprochen, aber ich möchte auch die Selbstironie der Rumänen erwähnen. Es scheint mir, dass ich jetzt eine Mischung aus französischer, deutscher und rumänischer Identität habe.“
Zum Schluss unseres Gesprächs haben wir Virgile Prod’homme gefragt, was er in seiner Wahlheimat Rumänien gerne verbessern würde:
Nicht nur in Rumänien, sondern in ganz Europa, ja sogar weltweit, wäre es meiner Meinung nach wichtig, sorgfältiger mit Abfall umzugehen. Manchmal verlasse ich zum Beispiel Bukarest und sehe Abfall herumliegen. Oder ich sehe Müll auf der Straße oder im Wald, Menschen, die außerhalb der Stadt die Umwelt verschmutzen. Ich denke, das ist etwas, woran wir alle arbeiten müssen, nicht nur in Rumänien, sondern überall. In Österreich schätze ich sehr das umweltbewusste Verhalten. In Frankreich war es vor ein paar Jahren ähnlich wie in Rumänien, aber wir haben viel unternommen und jetzt ist es schon ein bisschen besser. Ich denke, wir sollten das auch in Rumänien tun, denn die Natur ist sehr wichtig. Sie haben hier eine echte Perle, Sie haben alles, Berge, Wälder, es ist eine außergewöhnliche Natur. Ich denke, was getan werden muss, ist, den Menschen zu erklären, wie wichtig das Problem mit dem Abfall ist. Wenn sich in dieser Hinsicht etwas verändern würde, wäre das wunderbar. Ich habe aber den Eindruck, dass sich die Mentalität bereits geändert hat, und das ist das Wichtigste.“