Gabriel Morin: „Bukarest hat mehr zu bieten als auf den ersten Blick erkennbar“
Gabriel Morin lebt seit 5 Jahren in Bukarest. In die rumänische Hauptstadt hat sich der Franzose verliebt, selbst wenn er am Anfang eine Art Hassliebe zu Bukarest empfand.
Hildegard Ignătescu, 19.01.2021, 18:00
Gabriel Morin lebt seit 2015 in Bukarest. Der 30-jährige ist Programmierer und Toningenieur, aber seine größte Leidenschaft gilt der Musik. Er mag es, neue Menschen kennenzulernen und neue Orte zu entdecken. Zusammen mit einem französischen Freund, Luka Zivkovic, hat Morin eine Webseite gegründet, die eine Karte der interessantesten Orte der rumänischen Hauptstadt enthält: zecelarece.ro. Der Ausgangspunkt war ein Newsletter, den sie, genau wie andere Ausländer in Rumänien, abonniert haben, um Events und Orte in Bukarest zu entdecken:
Hallo, mein Name ist Gabriel Morin und ich bin in der Normandie geboren. Ich habe vier Jahre bei Ubisoft in Paris gearbeitet. Als ich einen Karrierewechsel machen wollte, habe ich den Kontakt mit einem Bekannten aus Kalifornien aufgenommen, der immer wieder nach Bukarest kam; er schlug mir vor, mit ihm in Bukarest zusammenzuarbeiten, und so bin ich hierher gezogen. Das ist schon fünf Jahre her.“
Gabriel wusste nicht, was er in Bukarest erwarten sollte, aber hier entdeckte er eine ganz neue Welt. Er hat viele Menschen kennengelernt und neue Orte entdeckt. So hat er einen Newsletter erstellt, den er am Anfang nur seinen Freunden schickte und dann die Webseite, die Informationen für jeden Ausländer anbietet, der Bukarest in einer originellen Art und Weise erkunden möchte. Bukarest habe unter seinen Augen eine Umwandlung erlebt, sagt Gabriel Morin:
Was das Geschäftsumfeld in Rumänien angeht, konnte ich im Sektor der Gastwirtschaft eine deutliche Mentalitätsveränderung feststellen. Schon vor der Pandemie stellte ich fest, dass die Menschen sich untereinander unterstützen. Vor 5 Jahren war es anders in diesem Bereich, man vertraute einander überhaupt nicht. Nach anderthalb Jahren in Rumänien begann ich zu zweifeln, ob ich länger bleiben soll oder nicht, denn ich hatte den Eindruck, dass ich schon alles gesehen hatte, dass mich Rumänien nicht mehr überraschen kann, aber ich habe mich geirrt. Ich entschied mich also, mehrere Orte zu entdecken und Menschen kennenzulernen, damit ich auch die Möglichkeit habe, die rumänische Sprache zu üben. So bin ich auf die Idee gekommen, diesen Newsletter zu erstellen, der später zu einer Webseite wurde, wo ich zehn Events pro Woche empfehle, »Zecelarece« heißt in etwa »Zehn Tipps mit kühlem Kopf«. Dafür musste ich Bukarest näher erkunden und so fand ich heraus, dass die Stadt viel mehr zu bieten hat als auf den ersten Blick erkennbar. Als ich die Stadt verlassen wollte, war ich vielleicht traurig, das war eher auf meinen damaligen Geisteszustand zurückzuführen.“
Von dem Zeitpunkt an, an dem er sich für ein Leben in Bukarest entschied, begann Gabriel, die Stadt neu zu entdecken und neue Kontakte zu knüpfen und Menschen zusammenzubringen, die gemeinsame Interessen haben. Wie er heute Bukarest sieht und was er den Neuankömmlingen raten würde, erläutert unser Gesprächspartner:
Die Erfahrung, die man in einer Stadt macht, ist die Stadt an sich, wie die Menschen dort ticken, wie man mit ihnen umgeht. Eine deutliche Rolle spielt aber auch, wie man selber damit umgeht, was man sucht und natürlich der Geisteszustand. Niemand möchte den Ausländern seine Heimatstadt empfehlen, nur weil diese Stadt kostengünstig ist, sondern weil ihre Kultur ein gewisses Interesse weckt. Man soll den wahren Wert einer jeden Stadt entdecken. Ich habe eine angeborene Neugier und jetzt, fünf Jahre später, habe ich noch nicht alles in Bukarest entdeckt.“
Bukarest fasziniert unseren Gesprächspartner, er wohnt im Stadtzentrum und hat die alten Teile der rumänischen Hauptstadt zu Fuß erkundet. Manche Aspekte mag er mehr, andere weniger:
Als Bewohner der Stadtmitte möchte ich, wenn es möglich wäre, das Erdbebenrisiko in Bukarest reduzieren, damit wir das wunderbare kulturelle Erbe der Stadt bewahren. Mit zwei großen Problemen habe ich mich hier stets konfrontiert: dem Verkehr und den einsturzgefährdeten historischen Gebäuden. Es wird länger dauern, aber ich möchte, dass die Stadt über eine Infrastruktur verfügt, die ihre Einwohner weniger abhängig von Autos macht. Ich blicke optimistisch in die Zukunft und bin mir sicher, dass alles in die gute Richtung geht.“