Brasilianischer Musiker und Übersetzer: „In Rumänien bin ich ein besserer Mensch geworden“
Raul Passos ist ein brasilianischer Musiker, seine Leidenschaft sind Fremdsprachen und Literatur. Er ist 2017 nach Rumänien gezogen und hat immer versucht, eine kulturelle Brücke zwischen seinem Heimatland und seiner Wahlheimat zu bauen.
Hildegard Ignătescu, 29.09.2020, 18:00
Im Bundestaat Paraná, Brasilien, hat Raul Passos die Musikhochschule absolviert. Der ausgebildete Komponist und Dirigent hat seine Studien in Bukarest fortgesetzt. In der rumänischen Hauptstadt lebt er seit 2017. Er übersetzt gerne und hat zahlreiche Artikel in einer brasilianischen Musikzeitschrift veröffentlicht. Er hat Klavier unterrichtet und war auch Chordirigent. Wegen der geographischen Entfernung konnte er Rumänien vorher nicht näher kennenlernen:
Aus kultureller Sicht liegen Rumänien und Brasilien trotzdem sehr nah beieinander. Unsere Sprachen sind auch verwandt, sie gehören beide der Familie der romanischen Sprachen. Schon als Kind war ich von Osteuropa fasziniert. Mein Vater erzählte mir viel über den Ostblock, und seine Geschichten fand ich immer verlockend. Ich habe selber auch viel im Internet über Osteuropa nachgeschaut, und Rumänien war das Land, das mein Interesse besonders erweckt hat. Später lernte ich an der Musikhochschule den Dirigenten und Professoren Harry Crowl kennen, er hatte die Welt bereist und kannte auch rumänische Musiker, unter ihnen den Komponisten Sorin Lerescu. In diesem Kontext habe ich erwähnt, dass dieses Land auf mich eine gewisse Anziehungskraft ausübt. Der Professor hat mir geholfen, nach Rumänien zu kommen, um mein Masterstudium hier zu machen. Ich habe die rumänische Sprache gelernt und eine kulturelle Brücke zwischen Brasilien und Rumänien gebaut. Jedes Mal, wenn ich in Brasilien ein Konzert hielt, spielte ich auch Stücke rumänischer Komponisten, so zum Beispiel Enescu, Constantinescu, Marţian Negrea, damit das brasilianische Publikum mit der rumänischen Kultur vertraut wird.“
Unser Gesprächspartner hat auch rumänische Literatur ins Portugiesische übersetzt, seine Übersetzungen von Werken rumänischer Dichter wie Tudor Arghezi und Octavian Goga wurden in seinem Heimatland in literarischen Zeitschriften veröffentlicht. 2016 erhielt er eine Einladung vom Präsidenten der Stiftung, wo er derzeit beschäftigt ist, nach Rumänien zu ziehen, um die rumänische Vertretung der Organisation hier zu leiten. April 2017 ist er zusammen mit seiner Frau nach Bukarest gezogen. Raul Passos ist der Ansicht, dass jedes Land mehr zu bieten hat, als man beim ersten Blick feststellt:
Hier in Rumänien hatte ich eine Professorin, Frau Verona Maier, die meinte, die Neugier sei eine Art Liebe. Das erklärt auch meine Neugier für Rumänien. Unsere Länder sind sehr ähnlich, nicht nur weil die Sprachen verwandt sind, sondern auch was die Lebenseinstellung unserer Völker angeht. Die Rumänen behalten ihren Humor in schlimmen Situation, und dasselbe tun auch die Brasilianer. Unsere Völker sind so ähnlich — schade, dass uns diese geographische Entfernung trennt.“
Raul und seine Frau haben sich schnell in Rumänien eingelebt, weil sie beide die Sprache beherrschen und weil sie Freunde in Bukarest haben. Rumänien habe ihn trotzdem verändert, sagt unser Gesprächspartner:
Ich vermisse natürlich die Freunde, die in Brasilien geblieben sind, aber das ist der Preis, den ich zahlen muss, selbst wenn ich nicht bereue, dass ich mein Land verlassen habe. Ich liebe mein Leben hier. Ich vermisse zudem die brasilianische Küche, auch das Obst, dass hier in Rumänien als exotisch gilt. Dank meinem Leben hier bin ich einfach ein besserer Mensch geworden. Ich musste auch Schwierigkeiten überwinden, meine Integration ist nicht 100% reibungslos gelaufen, aber so bin ich gewachsen und zu dem Menschen geworden, der ich heute bin.“