Ricardo Silva aus Portugal: „Rumänen und Portugiesen sind sich sehr ähnlich“
Ricardo Silva ist nach Bukarest gezogen, weil die wirtschaftliche Lage seines Landes nicht gerade vielversprechend war. Hier hat er ein Land erlebt, das noch viele Narben der Vergangenheit trägt und dennoch optimistisch auf die Zukunft blickt.
Steliu Lambru, 10.09.2018, 18:00
Ricardo Silva kommt aus Porto. Der 42-Jährige hat Fremdsprachen studiert, später legte er sich neue Berufsziele fest und zog nach Rumänien. Warum der Portugiese sich für Bukarest entschied, erläutert er in den folgenden Minuten:
Rumänien war eine Art Überraschung für mich. In Rumänien wollte ich eine neue Erfahrung machen, weil die wirtschaftliche Lage Portugals nicht gerade vielversprechend war. Zusammen mit anderen Portugiesen habe ich neue Berufsmöglichkeiten im Ausland gesucht, und ganz unerwartet kam diese Möglichkeit, für ein in Rumänien tätiges Unternehmen zu arbeiten. Die Entscheidung erwies sich als ganz gut, weil die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern nicht groß sind, Rumänien und Portugal sind sich eigentlich sehr ähnlich.“
Wie sieht der Alltag von Ricardo Silva aus?
Unter der Woche bin ich natürlich jeden Tag im Büro und wenn ich Feierabend mache, treffe ich manchmal andere ausländische Kollegen. Ich treibe auch Sport und gehe tanzen mit meinen Freunden. Ich treffe regelmäßig auch andere Ausländer, die in Bukarest arbeiten, damit wir Erfahrung tauschen und weil ich die portugiesische Sprache in Expat-Kreisen fördern möchte.“
Im Anschluss haben wir Ricardo gefragt, wo er seine Freizeit in Bukarest am liebsten verbringt und ob er das Land bereist hat:
Ich mag die Parks in Bukarest, sie sind groß und schön. Die Menschen finde ich zudem sehr nett und anständig. Ich habe auch andere Städte besucht: Braşov/Kronstadt, Constanţa, den Ferienort Vama Veche, Sibiu/Hermannstadt und Sighişoara/Schäßburg. Am meisten gefiel mir Sibiu mit seinen berühmten Fledermausgaun, bekannt als die Augen von Hermannstadt, diese Dachgauben, die mir den Eindruck geben, dass sie mich angucken. Hermannstadt und Bukarest sind sehr unterschiedlich, die siebenbürgische Stadt ist natürlich viel ruhiger, dort habe ich mich sehr wohl gefühlt.“
Ricardo Silva war sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft, mit der er in Bukarest empfangen wurde, aber auch von der Empathie der Rumänen:
Die Rumänen und die Portugiesen sind sich sehr ähnlich. Wir beide sind romanische Völker und es gibt keinen großen Unterschied aus Sicht des physischen Aussehens. Etwas, was ich hier festgestellt habe und mir sehr gefallen hat, ist, dass sich die Rumänen ehrenamtlich engagieren und Wohltätigkeitsprojekte organisieren. Bis 1989 habt ihr schwierige Zeiten durchstehen müssen und viele Rumänen erinnern sich noch an das Leben während des Kommunismus. Man merkt heute, wie sich die Menschen einander helfen, selbst wenn der andere um Hilfe nicht einmal gebeten hat. Das finde ich sehr schön in jeder Gesellschaft — dass man sich um andere kümmert. Das passiert leider immer seltener in Europa und in den sogenannten entwickelten Staaten. Ich glaube, ihr macht das, weil eure Vergangenheit irgendwie im Gedächtnis geblieben ist. Ich schätze sehr auch die Energie und die Hoffnung, mit der die junge Generation Rumäniens auf die Zukunft blickt.“
Ricardo Silva ist der Ansicht, dass die junge Geschichte des Landes sich jedoch auch negativ auf das Benehmen und die Gewohnheiten der Rumänen auswirken ließ:
Als Kehrseite der Medaille kann man die Narben der Vergangenheit nennen. Die Rumänen sind manchmal auch schwierig und anstrengend. Ich habe die Gründe in eurer Geschichte gesucht. Aber das verschwindet schrittweise und die rumänische Gesellschaft wird — nichts für ungut! — zivilisierter und nicht mehr so selbstzentriert.“
In den nächsten drei Jahren hat Ricardo Silva vor, in Bukarest zu arbeiten.