Filippo Ferretto aus Italien: „Auslandserfahrung hilft, richtigen Umgang mit Mitmenschen zu lernen“
Selbst wenn er noch sehr jung ist, hat der Italiener Filippo Ferretto bereits Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen.
Carmen Pelin, 20.03.2017, 19:08
Der studierte Journalist hat einen Kurs fürs Drehbuchschreiben und ein Schauspielertraining für Anfänger besucht und ein Masterstudium in Kognitionswissenschaften begonnen. Seit 2016 setzt er seine Kenntnisse im Rahmen eines Programms des Europäischen Freiwilligendienstes in Rumänien ein.
Filippo Ferretto hat an der Universität Padua Politikwissenschaft studiert und im Anschluss in Mailand einen dreimonatigen Kurs fürs Drehbuchschreiben besucht. 2012 beginnt er ebenfalls in der norditalienischen Stadt ein Masterstudium für Kognitionswissenschaft. Eine Zeit macht er ein Volontariat bei einer italienischen Kulturzeitschrift, besucht auch ein Schauspielertraining für Anfänger und schließlich zieht er nach Rom, um erneut Drehbuchschreiben zu studieren, diesmal beim öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Im Sommer 2016 bewirbt sich Filippo Ferretto um eine Volontariatsstelle in Rumänien, die ihm vom Europäischen Freiwilligendienst European Voluntary Service vermittelt wurde. Unser Gesprächspartner kommt zu Wort mit Einzelheiten:
Ich habe mich ausschließlich um Projekte des Europäischen Freiwilligendienstes in Osteuropa beworben, weil wir Italiener wenig davon wissen. In Rom hatte ich Tschechen und Slowaken kennengelernt, aber nie Rumänen. Als ich mich um dieses Programm beworben habe, wollte ich ein Land wählen, in dem ich Freunde oder Bekannte hatte, dann habe ich von Bukarest gehört und die Stadt hat mich sofort angezogen. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich Rumänisch schnell lernen werde, aber ich habe mich geirrt. Das Projekt, dem ich mich in Bukarest anschließen sollte, hat mich auch fasziniert. In Italien gibt es viele rumänische Gastarbeiter, die Italiener wissen jedoch sehr wenig über sie und ihr Land. Als ich meinen Freunden und meiner Familie zur Kenntnis brachte, dass ich mit einem Projekt nach Rumänien ziehe, haben sie sich als erste Reaktion um mich gesorgt, weil viele Italiener leider ein schlechtes Image von Rumänien haben und das ist völlig falsch. Seitdem ich hier bin, haben mich meine Familie und meine Freunde mehrmals gebeten, ihnen per Skype Livebilder aus Bukarest zu zeigen. Meine Teilnahme an diesem Projekt in Bukarest hat viel mit meiner bisherigen Erfahrung zu tun, denn in meiner Heimatstadt haben die Medien ein derartiges Bild Rumäniens geschaffen, das wenig Positives in diesem Land durchblicken ließ. Meiner Ansicht nach muss man Vorurteile und Klischees abbauen und die Realität, die in einem Land herrscht, selber entdecken. So wie Rumänien heute in den italienischen Medien abgebildet wird, war es in Wirklichkeit wahrscheinlich vor 20 Jahren, nicht jetzt. Selbstverständlich konfrontiert sich Rumänien mit Problemen und muss noch manches nachholen, aber auch Italien. Ich sage mir selbst oftmals, dass Rumänien in meinem Geburtsjahr 1989 eine Wiedergeburt erlebte, und ich habe noch viel zu lernen, so auch Rumänien. Ich hatte zwei Jahre in Rom gelebt und ich dachte, dass ich danach einen kulturellen Schock in Bukarest erleben werde, aber wie ich schnell einsah, gibt es zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen den beiden Städten, ich spreche vom Verkehr, vom Abfallproblem und auch von der Bereitschaft, zu helfen. Diese Ähnlichkeiten haben mich überrascht. Selbst wenn Rumänien und Italien geographisch entfernt sind, sind sie kulturell ganz ähnlich.“
Filippo Ferretto wurde in Eraclea an der Adria, in der Region Venetien geboren. Im Vorjahr hat er Rumänien selber erkundet, am meisten hat ihm die Schwarzmeer-Hafenstadt Constanţa gefallen:
Ich war in Kronstadt, Iaşi, Târgovişte und Constanţa. Constanţa liegt mir ganz nah am Herzen, weil es mich an meine Heimatstadt erinnert. Der Sommer 2016 war für mich der erste, den ich nicht an der Meerküste verbrachte. Als ich in Constanţa eintraf und zum ersten Mal das Meer mit seinem typischen Geruch und die Brise gespürt habe, bin ich in Tränen ausgebrochen. Ich habe mich in dieser Stadt, die architektonisch doch so unterschiedlich von meiner Heimatstadt ist, wie zu Hause gefühlt.“
In Rumänien engagiert sich Filippo Ferretto zusammen mit der NGO D.G.T. für informelle Bildungsprogramme, die in Kleinstädten und im ländlichen Raum umgesetzt werden. In Bukarest arbeitete er bei einem Flüchtlingszentrum sowie bei einem Zentrum für die Behandlung autistischer Kinder mit Tiertherapie. Im Frühling 2017 geht seine Erfahrung als Volontär in Rumänien zu Ende und der leidenschaftliche Journalist und Drehbuchautor wird seinem Traum folgen. Sein Traum wird ihn nach Amerika führen. Filippo will seine eigene Fernsehshow machen. Die Erfahrung seiner ehrenamtlichen Arbeit ist ihm sehr wichtig und er ermutigt auch andere Jugendliche, sich solchen Projekten anzuschließen:
Die Menschen unterscheiden sich voneinander, jeder hat seine Erfahrung gesammelt und doch sind wir sehr ähnlich. Besonders heute, wenn wir mit einem Krieg in der Welt konfrontiert werden und dennoch unseren Mitmenschen in Not die Tür ins Gesicht schlagen. Ich beziehe mich selbstverständlich auf die Flüchtlingskrise und die Situation der Flüchtlinge, die in Italien eintreffen. Diese Erfahrung, im Ausland etwas für andere Menschen zu tun, kann einen stark verändern. Somit kann man auch persönliche Erfahrungen erneut erleben und es gelingt einem, etwas für andere Menschen zum Guten zu ändern. Vor allem heute, wenn man mit Menschen richtig umgehen soll, die aus verschiedenen Kulturen kommen, ist das äußerst wichtig. Wir erleben schwierige Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit zunimmt und es deswegen auch schwer ist, ins Ausland zu reisen und neue Kontakte zu knüpfen. Heute fällt uns hingegen leicht, Mauern zu bauen, Grenzen zu ziehen, Unterschiede zu betonen. Aus dieser Sicht war meine Erfahrung in Rumänien ausschlaggebend, hier habe ich verstanden, wie ähnlich die Polen, die Spanier, die Italiener und die Rumänen sind. Wir ähneln uns mehr als wir glauben. Selbst wenn wir unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Traditionen haben, streben wir alle dieselben Ziele an, und eines davon wäre, mit unseren Mitmenschen richtig umzugehen.“