Ethnomusikologe Shaun Williams aus USA entdeckt Heimat seiner Vorfahren
Shaun Williams kommt aus Ohio; er studiert Ethnomusikologie an der Universität Indiana. Seine Leidenschaft für Volksmusik und Sprachen führte ihn u.a. nach Rumänien.
Hildegard Ignătescu, 24.10.2016, 17:49
Shaun Williams kommt aus Ohio; er studiert Ethnomusikologie an der Universität Indiana. Früher studierte er Kunstgeschichte in den Vereinigten Staaten und in Deutschland und war auch freiwilliger Mitarbeiter bei den Friedenskorps in der Ukraine. Im Laufe der Zeit entdeckte er seine Leidenschaft für Musik; er spielt Akkordeon, Hirtenflöte und Zymbal, und interessiert sich immer mehr für die traditionelle Musik der rumänischen Spielleute und für das Verhältnis zwischen deren Musik und die Entwicklung der rumänischen Gesellschaft.
Während seiner Studienzeit in Deutschland lernte Shaun Williams Deutsch; nach vier Jahren in der Ukraine spricht er auch fließend Ukrainisch. Mit der rumänischen Sprache hat er aber eine ganz besondere Beziehung. Shaun hat rumänische Wurzeln und war mehrmals in Rumänien. 2007 kam Shaun Williams zum ersten Mal nach Rumänien, um auf die Spur seiner Ahnen zu kommen. Shauns Urgroßmutter war im siebenbürgischen Dorf Pianu de Jos (Deutsch-Pien) in der Nähe von Sebeş (dt. Mühlbach im heutigen Landkreis Alba) geboren. In den 1920er Jahren emigrierte sie in die Vereinigten Staaten, und mit der Zeit ging die Verbindung zu Rumänien verloren. Nun versucht Shaun, mehr über seine rumänischen Wurzeln zu erfahren; er machte einen Rumänisch-Kurs und neulich kam er nach Bukarest, um seine Musikforschungen fortzusetzen. Shaun Williams in fließendem Rumänisch:
Ende September bin ich mit einem Fulbright-Stipendium nach Rumänien gekommen, um meine Forschungen für die Doktorarbeit an der Universität Indiana fortzusetzen, und werde etwa ein Jahr lang hier bleiben. Das Thema meiner Doktorarbeit ist die Spielmannsmusik, insbesondere die Verbindung der Spielmannsmusik zur Identität der Roma in Rumänien sowie zur Roma-Bewegung und zu den politischen Bewegungen zum Schutz der Menschenrechte in Rumänien.“
Wie findet Shaun Willams die Stadt Bukarest, da er ein Jahr lang hier bleiben will?
Ich bin nicht zum ersten Mal in Bukarest, aber jetzt habe ich vor, länger zu bleiben. Ich suchte mir eine Wohnung und lernte die Stadt aus der Perspektive eines Einwohners kennen. Ich habe mir einige Wohnungen in mehreren Stadtbezirken angeschaut, und die Stadt scheint mir nicht mehr so groß wie letztes Jahr oder wie früher, als ich nur ein paar Tage lang in Bukarest geblieben war und mich oft verlaufen hatte. Jetzt, nach mehreren Wochen, finde ich mich sehr gut in Bukarest zurecht, ich kann mich gut orientieren und weiß in etwa, wie lange ich brauche, um von Punkt A zu Punkt B zu kommen. Die Stadt ist aber ziemlich kompakt. Wie immer, wenn ich neu in einer Stadt bin, ist der Anfang etwas schwierig, ich kenne nur wenige Leute, alles ist unbekannt, ich muss meine Umgebung erforschen. Ich kann noch nicht sagen, dass ich mich schon wie zu Hause fühle, aber die Bukarester sind sehr offen und freundlich, ich werde es schon schaffen. Die Wohnungssuche hat etwas gedauert, es war gar nicht so einfach. Schließlich fand ich eine schöne Mietwohnung, die Eigentümer sind sehr nett, ich bin zufrieden. Die ersten Wochen waren sehr stressig, ich war ständig unterwegs, konnte nichts anfangen — jetzt kann ich mich entspannen.“
Shaun hat sich vorgenommen, neue Menschen kennenzulernen, und möchte seine Chance, in Rumänien zu studieren, voll ausnutzen:
Nun ist Schluss mit Entspannung — ich muss an die Arbeit. Ich werde Interviews führen, Kontakt zu Musikern und anderen Leuten aufnehmen. Ich interessiere mich für traditionelle Spielmannsmusik und auch für Manele [so wird das Genre Balkanbeats in Rumänien bezeichnet — Anm. d. Red.] — das sind verwandte Genres. In einer Spielmannsfamilie kann zum Beispiel der Vater alte Spielmannsmusik spielen und der Sohn Manele singen. Die zwei Genres sind nicht sehr unterschiedlich, und mich interessieren die Beziehungen zwischen Generationen in den Spielmannsfamilien. Ich versuche, die Musik und die Lebensweise der rumänischen Spielleute besser zu verstehen und so viel wie möglich darüber zu erfahren.“
Shaun Williams spielt ukrainische Hochzeitsmusik auf dem Akkordeon: