Britische Coolness in Bukarest: Tom Wilson
1999 zog es den damaligen Studenten zum ersten Mal nach Rumänien. Seit 2002 lebt der Journalist, DJ und Filmemacher in Bukarest.
Roxana Vasile, 22.05.2015, 18:06
Der freischaffende Journalist, DJ und Filmemacher Tom Wilson aus Großbritannien ließ sich 2002 in der rumänischen Hauptstadt Bukarest nieder. Fast nostalgisch erinnert er sich an seine ersten Erlebnisse hier:
1999 kam ich kam zum ersten Mal nach Rumänien. Vor dem Beginn meines Hochschulstudiums habe ich zusammen mit einem Freund beschlossen, eine Reise nach Osteuropa zu unternehmen. Sie wissen Bescheid, wie Rumänien damals aussah. Ich hatte das Gefühl einer besonderen Freiheit. Es war einfach verrückt! Ich kam aus einer gut strukturierten Gesellschaft, in Rumänien lief alles chaotisch. Die Gesellschaft heilte ihre Wunden nach der anti-kommunistischen Revolution. Wir fuhren ins Gebirge und wanderten bis zur Babele-Hütte im Bucegi-Gebirge. Auf dem Weg erzählten die Menschen über die Regierung, die Mafia, über Bären und Wölfe, über Korruption, Polizei sowie über Landsleute, die ihre Heimat verlassen, um im Ausland zu arbeiten. Es war überwältigend. Es schien mir, als erlebte ich eine phantastische Geschichte auf dem Balkan. Alles war neu für mich. Als wir die Hütte Babele erreichten, begann ein Sturm, so dass wir lange mit einem rumänischen Künstler beisammen saßen. Sein Name ist Vlad Nancă. Wir haben uns angefreundet und er hat mich wieder nach Rumänien eingeladen, so dass ich 2000 zurückkam. Diesmal fuhr ich ans Meer. In dem Badeort Doi mai war ich sogar DJ. Hier lernte ich eine junge Dame kennen. 1999-2002 kam ich in den Ferien (ich war damals Student) immer wieder nach Rumänien. Meine Erinnerungen sind ganz schön. Inzwischen hat sich Rumänien positiv entwickelt. Rumänien ist heute EU-Mitglied. Damals war es ein postsowjetischer Staat im Umbruch. Ich liebte es, in dieser vergessenen Welt zu leben!“
Tom hat sich nie vorstellen können, einen 8-Stunden-Job in einer Londoner Bank anzutreten. So kam nach Bukarest, wo er als Journalist, DJ und Regisseur arbeitete. Heute macht er Video-Werbung für Unternehmen und internationale Konzerne. Tom Wilson ist dank einer Mockumentary, die beim International Filmfestival Transilvania (TIFF) 2013 gezeigt wurde, auch als Filmemacher bekannt. Ein Jahr später bekam er für seinen Streifen den Gopo-Preis für den besten Dokumentarfilm:
Der Film »Experimentul Bucureşti« ist sowohl Realität als auch Fiktion. Man muss den Film gesehen haben, um zu realisieren, was wahr ist und was nicht. Die Fiktion hat ihre Rolle. Ich habe sie gebraucht, damit ich über die zeitgenössische rumänische Gesellschaft spreche. Ich habe den Film quasi aus nichts gemacht. Die Produktion kostete rund 250 Euro, also sehr wenig im Vergleich auch zu kleinen unabhängigen Produktionen, die Zehntausende kosten können. Ich habe aber viel Zeit und Energie investiert. Die Laiendarsteller, die akzeptiert haben, im Film aufzutreten, ebenfalls. Ich bin ein Outsider in der Filmwelt, ich pflege keine Beziehungen zu den großen Produzenten. Deshalb bedanke ich mich bei allen, die mich mit Rat und Tat unterstützt haben und mir auch den Tipp gegeben haben, an welchen Festivals ich mich mit meinem Streifen beteiligen soll.“
Als Promoter rumänischer Künstler im Ausland — u.a. mit drei Projekten, die vom Rumänischen Kulturinstitut finanziert wurden — hat Tom Wilson am Katalog 100 to Watch“ mitgearbeitet. Hier werden hundert rumänische Persönlichkeiten vorgestellt. Rumänien ist bei weitem kein idyllisches Land, sagt Tom, der den Verkehr in Bukarest, die Straßenhunde, die Korruption und den Rassismus gegenüber den Roma oder Fremden gar nicht liebt. Tom fügte hinzu, das vermeintlich negative Bild der Rumänen im Großbritannien — zumindest sei dies die Auffassung hierzulande — stimme mit der Realität nicht überein:
Die Rumänen haben doch ein ziemlich gutes Image in Großbritannien. Vieles davon, worüber die Medien berichten, wird eigentlich von den Medien erfunden. Reißerische Tageszeitungen wie die »Daily Mail« macht das eigentlich oftmals: Die Menschen dazu zu bringen, sich gegenseitig zu hassen und die Angst vor Einwanderung zu schüren. Das hat eher mit einer politischen Agenda zu tun. Es ist schrecklich! Großbritannien ist multikulturell und deswegen sind seine Einwohner eher gleichgültig, als die Einwanderer zu lieben oder zu hassen. London ist meiner Meinung nach die multikulturellste Stadt der Welt. Dort wohnen Menschen aus allen Ecken der Welt. Die Briten gehen mit allem normal um und ich glaube, dass das auch die Rumänen betrifft.“
Fragment aus dem Film „Experimentul Bucureşti / „The Bucharest Experiment“ (rumänisch mit englischen Untertiteln):