Das Getränk der Götter: die Geschichte des Kaffeemeisters Gheorghe Florescu
Liebe und Kaffee haben einiges gemeinsam – beide machen glücklich. Viele Menschen rund um die Welt lieben das Getränk der Götter, das einen guten Start in den Tag beschert. Einige haben die Liebe für den Kaffee zum Beruf gemacht.
Ana Nedelea, 09.12.2020, 18:00
Tee wärmt das Herz, Kaffee wärmt die Seele“ — der Spruch passt auch zu Gheorghe Florescu, der sich als Cafegiul Florescu“, also Kaffeemeister Florescu, vorstellt. In dessen Laden am Rosetti-Platz, einem Wahrzeichen der Bukarester Belle Époque, herrschen ein bezaubernder Kaffeegeruch und stets gute Laune. Den Beruf erlernte Gheorghe Florescu von einem armenischen Kaffeehändler; viele Armenier seien nach dem Völkermord im Osmanischen Reich als Kaffeehändler in etliche Länder Europas geflohen, darunter auch nach Rumänien, erzählt er.
Unsere Tradition geht auf das Jahr 1530 zurück, auf die Geschichte des Armeniers Avedis Carabelian, der in Damaskus, Syrien, lebte und in einem Dorf am Fuße des Berges Ararat geboren wurde. Er war der erste Kaffeehändler, der einen Laden für das einfache Volk eröffnete. An der Macht war damals Suleiman der Prächtige, der vom Schwarzen Eunuchen Mahmud Bey erfuhr, dass Carabelaian den besten Kaffee verkauft. So wurde er zum offiziellen Kaffeelieferanten des osmanischen Herrschers. Deswegen berufen wir uns auf die armenische Tradition aus dem Jahr 1530. Mein Meister hieß auch Avedis Carabelaian, er wurde im selben Dorf am Fuße des Ararat-Berges geboren. Der letzte osmanische Sultan besorgte sich seinen Kaffee vom Onkel meines Meisters. Nach dem Völkermord gegen das armenische Volk blieben aus der 22-köpfigen Carabelaian-Familie allein zwei Menschen am Leben — mein Meister und sein Vater. Seine Mutter, seine Verlobte und andere Familienmitglieder wurden alle getötet. Die Überlebenden aus der Carabelaian-Familie sind 1915 nach Rumänien geflohen und haben den ersten Kaffeeladen in einem alten Viertel Bukarests eröffnet, dann folgten weitere zwei, in der Crețulescu-Passage und an der Siegesstraße.“
Gheorghe Florescu war im Laden der Carabelians Lehrling; später, im Jahr 1971, übernahm er das Geschäft. Am 1. März 2021 feiert er 50 Jahre als Kaffeemeister. Er erinnert sich, dass er schon mit 8 Jahren in den Kaffeeläden der Armenier und Juden in Bukarest zu arbeiten begann. Dafür kriegte er nur wenig Geld — und Kaffee. Sein Vater war politischer Gefangener, die Mutter musste alleine 4 Kinder großziehen. Ob Arabica oder Robusta, heute verbirgt sich hinter Kaffee kein Geheimnis mehr für ihn, und er erzählt ganz stolz, dass in seinen Bukarester Läden die besten 20 von den Spitzenkaffeesorten der Welt zu finden sind.
In der ganzen Welt trinkt man 5 Milliarden Kaffeetassen am Tag, zumindest war das so vor der Pandemie. Von einhundert Kilo Kaffee, das weltweit produziert wird, sind 70% Arabica und 30% Robusta. Arabica ist ein edler, ausgewählter Kaffee, wie ich ihn zu nennen mag: Gottes Kaffee. Arabica ist nicht zu stark, nicht zu mild, hat sein eigenes Aroma. Wegen der globalen Erwärmung wird jetzt ausgewählter Kaffee immer höher angebaut. In Kenia zum Beispiel, in der Nähe des Victoria-Wasserfalls, und in Jamaika sowie auf der Südatlantikinsel St. Helena wird hochwertiger Kaffee angebaut. Nur 10% von der Arabica-Sorte werden als hochwertig vermarktet und nur 2% davon kann man wirklich als ausgewählten Spitzenkaffee bezeichnen.“
Geysha Esmeralda Panama, St. Helena, Hawai Kona Extra, Kopi Luak, eine Sorte, die ursprünglich aus halb verdauten Kaffeebohnen in Exkrementen von in freier Wildbahn lebenden Fleckenmusangs hergestellt wurde, diese sind laut Gheorghe Florescu die besten Kaffeesorten der Welt. Wie soll aber der beste Kaffee zubereitet werden? Gheorghe Florescu erzählt, wie er seinen Kaffee mag:
Erstens soll der Kaffee von bester Qualität sein. Dann koche ich meinen Kaffee immer im Ibrik, dem Kaffeekessel aus Kupfer, und auf kleiner Flamme, mittlere Röstung. Auf zweiter Stelle nach dem im Ibrik gekochten Kaffee steht, meiner Meinung nach, der Espresso, was den Geschmack und das Aroma angeht. Aber Vorsicht, der Kaffee, den man im Ibrik kocht, muss wirklich gut sein, denn im Ibrik entfaltet er seinen vollen Geschmack. Ich liebe Arabica, den Kaffee Gottes, den Robusta nenne ich den Kaffee des Teufels. Robusta ist wild, hat kein Aroma und riecht nach Sumpf.“
In einem YouTube-Film, unter der Suchanfrage Cafea la ibric zu finden, erklärt der Kaffeemeister, wie man den besten Ibrik-Kaffee kocht. In den Küchen aller Schlösser im Tal der Loire gebe es nur Kupfergefäße, die bestens dafür geeignet seien, um Kaffee gleichförmig zu kochen, erläutert er. Wenn die Robusta-Kaffeesorten nach Nüssen, Vanille, Kakao oder Whisky schmecken, sei das meistens darauf zurückzuführen, dass die großen Kaffeehersteller der Welt auf Chemie zurückgreifen, um dem Kaffee verschiedene Geschmacksnoten zu verleihen, sagt Florescu.
2018 hat er seine Ehefrau verloren. Nach 54 Jahren Ehe hat der Kaffeemeister in Gedenken an seine Lebensgefährtin ihr eine Kaffeesorte gewidmet:
Ich wollte meiner Frau seit langem eine besondere Kaffeesorte widmen; nach ihrem Tod habe ich zusammen mit meiner älteren Tochter für sie eine Marke eintragen lassen, die den Namen »Lucky Mommy« trägt. Was ich mir mit diesem Kaffee wünsche, ist, dass er direkt in die Seele der Damen geht, die älter als 60 Jahre sind — er soll der Gesundheit überhaupt nicht schaden, sondern einfach nur für ihre gute Laune sorgen.“
Neuerdings möchte der Kaffeemeister eine Melange aus zwei oder drei organischen Kaffeesorten herstellen, die er zu einem günstigen Preis verkaufen will, den sich jeder leisten kann.
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