Das Programm Kalliope Austria“ zeigt eine Sammlung herausragender Frauenpersönlichkeiten aus Österreich vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Der Ausstellung hat sich das rumänische Zentrum für Gleichstellung der Geschlechter angeschlossen.
Ein Phänomen kennt man fast überall auf der Welt in unterschiedlich starker Ausprägung: Frauen, ihren Leistungen und ihren Stimmen wirf oftmals weniger Wert und Bedeutung beigemessen als dem männlichen Teil der Gesellschaft. Vor ungefähr anderthalb Jahren hat das österreichische Außenministerium für alle Kulturforen im Ausland ein spezielles Frauenprogramm entwickelt, das zunächst in Form eines Buches mit dem Namen Kalliope Austria erschienen ist und die Leistungen der Frauen, die wesentlich für Österreich oder Österreichs Geschichte waren, sichtbar macht. Das Buch umfasst 164 Biographien von Frauen, die zu ihrer Zeit einen neuen Weg gegangen sind, einen Weg, den die Frauen zuvor noch nicht beschritten hatten. Österreichische Frauen seien in der Geschichte oft übersehen oder an den Rand gedrängt worden, sagt die Leiterin des österreichischen Kulturforums in Bukarest, Mag. Elisabeth Marinkovic.
Das ist ganz besonders beachtlich, weil im 19. Jahrhundert, muss man wissen, gab es keine Rollenvorbilder, das heißt, es gab keine Rechtsgrundlage. Diese Wörter wie »gender mainstreaming« wurden zum Beispiel erst im Vertrag von Lissabon 1997 festgeschrieben. Auch eine bedeutende Rechtsgrundlage gegen häusliche Gewalt wurde erst nach dem Jahr 2000 festgeschrieben, das heißt, es gab damals auch keine Rechtsgrundlagen für die Gleichstellung von Frauen und Männern. So war es sehr interessant für das Außenministerium, dieses Frauenprojekt zu entwickeln. Aus dem Projekt heraus ist eine Ausstellung entstanden, die wir auch hier haben: »Kalliope Austria«. Sie heißt »Kalliope« nach einer der neun Musen aus dem alten Griechenland, die Muse für Wissenschaft, Philosophie und Dichtung, die als älteste und weiseste aller Musen galt. Diese Frauen sollen eben eine Inspiration für uns heute sein.“
Der Initiative hat sich auch das rumänische Zentrum für Gleichstellung der Geschlechter (Centrul Parteneriat pentru Egalitate) angeschlossen. Die Stiftung, die sich seit 2002 in Rumänien für Frauenrechte einsetzt, organisiert die Ausstellung Cele care au schimbat lumea: Românce de istorie (Frauen, die die Welt verändert haben. Berühmte Rumäninnen in der Geschichte), die zusammen mit der Ausstellung Kalliope Austria — Frauen in der Gesellschaft, Kultur und den Wissenschaften“ gezeigt wird. Programmkoordinatorin Alina Panaitov sagte über den rumänischen Teil der Ausstellung:
Wir haben uns gewünscht, die Leistungen der Frauen, die in der rumänischen Gesellschaft weniger bekannt sind, sichtbar zu machen. Viele haben über die Königin Maria gehört, und ihr Name steht oft in direkter Verbindung mit der rumänischen und Bukarester Boheme, sie ist besonders beliebt und präsent in der Geschichte. Über Jeni Acterian zum Beispiel weiß man hingegen ganz wenig, sie war die Frau, die eine ausgezeichnete Chronik der Zwischenkriegszeit in Rumänien geschrieben hat. Zu wenig bekannt waren auch die Architektin Virginia Andreescu Haret, Sarmiza Bilcescu, die erste Frau Rumäniens, die als Prozessanwältin tätig war, oder Sofia Nădejde, die mit dem Rechtsanwalt und Literaturkritiker Titu Maiorescu über die Dimension des Gehirns der Frau und diesbezüglich ihre beruflichen Perspektiven gestritten hat. Über diese Frauen weiß man leider ganz wenig. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, diese Frauen bekannt zu machen, ihre Leistungen sichtbar zu machen und somit die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um die Frauen von heute zu ermutigen. Wir erinnern an die Leistungen der Frauen, die eigentlich wie wir alle sind. Damals, im 19. Jahrhundert, hatten sie im Vergleich zu anderen Frauen das Glück, aus wohlhabenden Familien zu stammen und somit auch Zugang zu einer beruflichen Laufbahn zu haben.“
Klassische Rollenbilder, bei denen der Frau Haushalt und Familie zugeordnet werden, kommen häufig in der heutigen rumänischen Gesellschaft vor, selbst wenn es viele berufstätige Frauen gibt und die Gesellschaft in den letzten Jahren eine Modernisierung durchlebte. Elisabeth Marinkovic leitet das Österreichische Kulturforum in Bukarest seit 2012. In der rumänischen Gesellschaft merkte sie in den letzten 5 Jahren ein Pendeln zwischen Tradition und Erneuerung:
Es gibt immer zwei Seiten, auf der einen Seite gibt es hier stärkere patriarchalische Strukturen vor allem auf dem Land, auf der anderen Seite liegt Rumänien bei der europäischen Wertung ›Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‹ deutlich vor Österreich, also Österreich liegt deutlich weiter zurück. Das ist einer der positiven Aspekte, die der Kommunismus mit sich gebracht hat, dass dieses Rollenbild damals eigentlich nicht so gepflegt wurde (von den Frauen her), das kam wahrscheinlich nach dem Fall des Kommunismus dann wieder verstärkt zurück. Ich merke natürlich Unterschiede, auch in der Gesellschaft, aber in der jüngeren Generation fast nicht mehr. Ich merke, dass die Hochzeit eine ganz große Rolle in der rumänischen Gesellschaft noch spielt, auch im städtischen Bereich, wo sie in Österreich eigentlich keine so große Rolle mehr spielt. Das zum Beispiel wäre für mich eigentlich sehr rumänisch.“
Die lange Zeit kulturell propagierte Dominanz der Männer ist trotz unterschiedlicher Emanzipationsbestrebungen für manche eine Tatsache, die man nicht hinterfragen soll. Alina Panaitov vom Zentrum für Gleichstellung der Geschlechter ist der Ansicht, dass die rumänische Gesellschaft derzeit mit einem Problem konfrontiert wird, das lange Zeit verschwiegen oder verharmlost wurde:
Die größte Herausforderung für uns ist ein Anliegen, das zum Himmel schreit, ein gravierendes Problem, dem man ein Ende setzen muss: die Gewalt gegen Frauen. Trotz der Modernisierung der rumänischen Gesellschaft wird im Jahr 2017 jede dritte Frau direktes Opfer einer Aggression, egal ob es um häusliche Gewalt geht oder Aggression auf den rumänischen Straßen. Das stellt die Studie des Europäischen Instituts über die Situation der Frauen in Rumänien heraus.“
Die Ausstellung baut Tabus über Frauen ab. Die Österreicherin Margarete Schütte-Lihotzky war eine der ersten Frauen, die in Österreich Architektur studierten. Zu ihrer Zeit musste sie mit Vorurteilen kämpfen, sagte Elisabeth Marinkovic:
In ihrer Geschichte gibt es eine ganz witzige Anekdote, sie war die erste Architekturstudentin von Wien, eigentlich auch nur aufgrund eines männlichen Mentors konnte sie sie in Österreich Architektur studieren. Sie wurde dann eingeladen, an einem neuen sozialen Wohnbau-Projekt in Frankfurt mitzumachen. Das Architektenkollektiv, das daran gearbeitet hat, bestand aus lauter Männern und einer Frau. Dadurch, dass sie die einzige Frau war, hat sie den Auftrag gekriegt, sich um die Küche zu kümmern. Die Frankfurter Küche gilt ja als Meilenstein in der Küchengeschichte, weil es darum ging, die Wege zu verkürzen, die Arbeitsabläufe in der Küche möglichst praktisch zu gestalten. Ich habe mir früher auch Ausstellungen darüber angeschaut, aber später habe ich von einem Nachfahren von Schütte-Lichotzky erfahren, dass sie das total gekränkt und geärgert hat, dass die ganze Welt sie nur über diese Küche kennt. Diese Küche hat sie eigentlich zufällig zugeteilt bekommen nur aufgrund ihres Geschlechts, und das finde ich eigentlich eine ganz witzige Anekdote. Es war ein Projekt, auf das sie am wenigsten von sich aus selbst stolz war.“
Die Ausstellung bleibt bis zum 13. April geöffnet. Was erhofft sich Elisabeth Marinkovic für das Projekt?
Ich erhoffe mir einfach, dass man Sachen entdeckt. Ich habe selbst ganz viele Sachen für mich entdeckt. Es gibt bei den österreichischen Frauen ganz viele Namen, die ich schon gekannt habe, wie Emilia Flöge, aber ich habe sie als Geliebte von Gustav Klimt kennengelernt. Punkt. In Wirklichkeit war sie damals eine der führenden Modedesigner, die detaillierte Kleider entworfen hat. Von ihr stammt auch der Satz (weil die Damen damals ein Korsett tragen mussten, was bald als Symbol für den gesellschaftlichen Zwang von der Frauenbewegung interpretiert wurde): ‚Erst müssen die Frauen atmen können, der Rest würde dann schon folgen‘ — und sie hat doch Recht gehabt. Oder Bertha Pappenheim, ich habe sie als Patientin Anna O. kennengelernt, also eine hysterische Verrückte von Siegmund Freud, das ist, wie sie in die Weltgeschichte eingegangen ist, in Wirklichkeit war sie eine Frauenrechtlerin und eine Pionierin auf dem Gebiet der Sozialarbeit. Und das ist so schade, weil es eigentlich lauter Frauen gibt, die wirklich etwas Wesentliches zum Fortkommen des Landes beigetragen haben, und das weiß man nicht. Ich hoffe, dass vielen die Namen bekannt sind, aber dass Sie ganz neue Aspekte entdecken, die man vorher von diesen Frauen nicht gewusst hat. Und natürlich hoffe ich, dass sich viele, viele junge Damen inspirieren lassen.“
Audiobeitrag hören: