Bukarester Nottara-Theater: Gebäude wird saniert, Ensemble tritt in Partnerinstitutionen auf
Das traditionsreiche Bukarester Nottara-Theater musste seine Pforten schließen – der Katastrophenschutz erachtete das Gebäude als einsturzgefährdet im Falle eines Erdbebens. Das Ensemble tritt nun in Partnerinstitutionen auf.
Luana Pleşea, 13.01.2016, 17:59
Zahlreiche Gebäude in Bukarest, wo kulturelle und kommerzielle Einrichtungen untergebracht sind, gelten als einsturzgefährdet im Fall eines Erdbebens. Das ist auch der Fall des traditionsreichen Nottara-Theaters, das auf Anordnung des Katastrophenschutzes seine Pforten schließen musste. Die Solidarität der Branche und der Öffentlichkeit ließ nicht lange auf sich warten.
Am 23. November 2015 hat das Bukarester Nottara-Theater am Magheru-Boulevard Nummer 20 seine Pforten auf unbestimmte Zeit geschlossen. Einige Tage zuvor hatte Staatspräsident Klaus Johannis ein Gesetz unterzeichnet, das wesentliche Folgen für das kulturelle und geschäftliche Leben der rumänischen Hauptstadt hat: In Gebäuden, die im Fall eines Erdbebens als einsturzgefährdet eingestuft werden, sind Veranstaltungen und gewerbliche Aktivitäten untersagt. Der Zutritt der Gäste soll erst nach der Sanierung des jeweiligen Gebäudes wieder erlaubt werden. Das Gesetz wurde nach dem Brandunglück im Bukarester Nachtclub Colectiv eingebracht, infolge dessen 63 Menschen ums Leben gekommen sind.
Theaterintendantin Marinela Ţepuş macht darauf aufmerksam, dass die Auswirkungen dieses allerdings notwendigen Gesetzes leider nicht vorhersehbar waren:
Die Bukarester Stadtverwaltung kann nicht alle Gebäude auf einmal sanieren lassen, die im Fall eines Erdbebens als einsturzgefährdet gelten. In ein evakuiertes Gebäude ziehen dann oft Obdachlose ein. Zwei Monate lang bemühte sich die Stadtverwaltung, das Nottara-Theater in einem anderen Gebäude zu unterbringen.“
Viele Künstler solidarisierten sich sofort mit dem traditionsreichen Nottara-Theater. Einige Einrichtungen zeigen sich bereit, die Aufführungen des Nottara-Theaters zu beherbergen, bis die beiden Immobilien, in denen die kulturelle Institution funktionierte, saniert werden. Es handelt sich um das Präsidialamt, das einmal im Monat der kulturellen Einrichtung den Saal des Palastes Cotroceni zur Verfügung stellt, das Offizierskasino Cercul Militar Naţional“, die Theater Ţăndărică und Bulandra, das ungarische Kulturinstitut Bukarest, der Konzertsaal Mihail Jora“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Radio România ist bekanntlich ein Medienanbieter, der ebenfalls künstlerische Partnerschaften entwickelt.
Die erste Premiere des Jahres am Nottara-Theater ist Familie de artişti“ (Künstlerfamilie“) des Regisseurs Alexander Hausvater. Die Aufführung wird vom Bukarester Komödientheater beherbergt. Dazu der Regisseur:
»Künstlerfamilie« ist ein argentinisches Theaterstück, das wahrscheinlich eines der zehn besten Theaterstücke der letzten 30 Jahre ist. Selten in meiner Karriere hatte ich die Möglichkeit, an einer Aufführung zu arbeiten, die zufällig im Verhältnis zu einem aktuellen Thema, zu den aktuellen Umständen steht, mit denen wir, das künstlerische Team, konfrontiert werden. Das Stück schildert das Leben einer Familie, die ihre Wohnung verlassen muss, weil dort eine Autobahn gebaut wird. Also Fortschritt fördern, anstatt eine soziale Ader zu haben, Wirtschaftsdenken statt Kreativität. Ein paar Menschen kämpfen dagegen. Sie kämpfen bis zum Ende. Der Kampf bleibt ihre einzige Hoffnung. Die Menschen, deren Geschichte in diesem ins Absurde getauchte Stück geschildert wird, sind keine Opfer. Wenn man sich selber als Opfer bezeichnet, gibt man den Kampf auf.“
Die Geschichte des Nottara-Theaters steht in enger Verbindung mit der Geschichte des Gebäudes, wo die kulturelle Einrichtung seit 70 Jahren ihre Tätigkeit ausübt. 1946 wurde das Gebäude vom berühmten Ingenieur Liviu Ciulley, dem Vater des Regisseurs Liviu Ciulei, gebaut, um die Arbeit seines Sohnes als Theatermensch zu erleichtern. So entstand das private Theater Odeon, das zwei Jahre später, 1948, vom kommunistischen Staat beschlagnahmt und geschlossen wurde. Im Gebäude auf der zentralgelegenen Magheru-Straße wurde infolgedessen das Theater der Armee untergebracht, das 1960 nach dem renommierten Schauspieler Constantin I. Nottara umbenannt wurde. Selbst wenn die Öffentlichkeit und die gesamte Künstlerbranche unverzüglich ihre Solidarität gegenüber dem traditionsreichen Bukarester Theater zeigten, will das Team des Theaters so schnell wie möglich ins eigene Haus zurückkehren.