Fotowelten: versunkene Zeiten aus Archiven wieder lebendig gemacht
Fotos erzählen Geschichten. Um mehr Geschichten zu erfahren, begann der Verein Omnia Photo mehrere Fotosammlungen in verschiedenen Regionen Rumäniens zu untersuchen. Dabei geht es hauptsächlich um Fotos aus der Zwischenkriegszeit.
Ana-Maria Cononovici, 21.05.2020, 17:30
Fotos erzählen Geschichten — etwa: Es war einmal eine bemalte Schachtel. Die Bilder darauf waren etwas verwischt, denn die Zeit hatte ihre Spuren darauf hinterlassen. Doch öffnet man die Schachtel, so erfährt man die Geschichte einer Familie. Sie enthüllte sich plötzlich dem Auge des Betrachters — wie ein Puzzle aus Urzeiten. Auf den Fotos taucht vielleicht ein Name auf, oder eine Botschaft, eine kurze Mitteilung, die die abgebildete Person in Verbindung mit anderen Familienmitgliedern bringt. Weil sie Fotos lieben, weil sie die Story dahinter zu schätzen wissen, gründeten Cristina Irian und ihr Partner, Dorian Delureanu, den Verein Photo Omnia. Cristina Irian erzählte uns, wie es dazu kam:
Unsere Geschichte — die Geburt unseres Vereins — startete mit der Entdeckung zweier Fotografie-Quellen. Damit meine ich nicht Fotoarchive, sondern zwei Fotostudios, die während der Zwischenkriegszeit in Betrieb waren — eines in Craiova und das andere in Bukarest. Ihre Bezeichnung war Studio Omnia Photo. So kamen wir auf den Namen unseres Vereins: Omnia Photo. Und wir begannen Fotos zu suchen, die von Fotografen geschossen wurden, die eine Verbindung zu den beiden Studios hatten. So startete unser Projekt. Der Anfang war sehr spannend, denn wir entdeckten zwei verschiedene Fotografie-Arten, zwei verschiedene Tätigkeiten. Ein Studio war viel mehr auf Porträts und Event-Fotografie fokussiert, das zweite legte größeren Wert auf Fotografie-Projekte. Eine Wissenschaftlerin erzählte uns, das zweite Studio sei von einer Gruppe von Architekturstudenten in der Zwischenkriegszeit betrieben worden. Allerdings wissen wir nicht, ob das wirklich stimmt.“
Cristina Irian erzählte uns auch über die Fotoarchive, die sie ausfindig machen konnten:
Wir nahmen uns mehrere Fotoarchive vor. Wir starteten zwei größere Projekte. In einem ging es um Familienarchive und um berufliche Fotosammlungen, im zweiten um Familien- und Reisealben. Wir führten mehrere Pilotprojekte in mehreren Gegenden Rumäniens durch, die meisten fokussierten sich auf Familien- und Reisefotos. Die Fotos brachten Jugendliche und Geschäftsleute in Bukarest, die in der Zwischenkriegszeit gelebt hatten, in den Vordergrund. Die Fotosammlungen, auf die wir stießen, verbergen viele Geschichten. Sie kamen auf uns zu — könnte ich fast behaupten.“
Eine der schönsten Geschichten spielt sich in der Ortschaft Gura Humorului ab, etwa zwischen 1897 und 1960. Cristina Irian erzählte uns Folgendes dazu:
Das erste Archiv umfasst Geschichten aus dem Norden Rumäniens. Auf diese Fotosammlung stießen wir anlässlich einer Foto-Veranstaltung 2017. Es war eine Veranstaltung, bei der es hauptsächlich um alte und neue Fotos ging — herkömmliche und neue Techniken der Fotografie. Wir versuchten ein Reenactment der Fotografie, zusammen mit Paul Aioanei. Und bei dieser Gelegenheit trafen wir Ioana Brunet, die Besitzerin dieses Fotoarchivs von Gura Humorului. Und es tauchte diese Schachtel mit Fotos auf. Es dauerte eine Weile, bis wir alle Fotos digitalisierten. Doch wir setzten unsere Forschungsarbeit fort und verwandelten das Archiv in ein zweifach digitales Produkt. Und wir verfügen derzeit über eine digitale Karte, die die Laufbahn der Fotos und der abgebildeten Menschen verfolgt. Und darüber hinaus verfügen wir über ein weiteres kleines digitales Produkt, nämlich eine audiovisuelle Präsentation der aufgefundenen Fotografien und Urkunden, vorgetragen von Ioana. Der Vortrag dauert etwa 10–15 Minuten.“
Hinter jedem Foto steckt eine gesonderte Geschichte. Jedes Foto hat sein eigenes Heim. Wenn man einmal drinnen angekommen ist, enthüllen sich dem Betrachter spannende Lebensgeschichten. Manchmal können sogar zahlreiche Einzelheiten erkannt werden. Eltern, Großeltern, Enkelkinder, die Geschichte einer Stadt, eines Landes, Grenzen, die sich mit der Zeit verwischen und die abgebildeten Personen aus einem anderen Blickwinkel erscheinen lassen.
Auf der Webseite des Vereins können auch noch Bilder von Dacia-Autos gesehen werden. Diese sind Teil eins Jubiläumsprojekts in Bezug auf die Geheimnisse der Stadt Craiova. Cristina Irian erklärte uns, zu welchem Zweck dieses Archiv gegründet wurde:
Es war ein zweifacher Zweck. Einerseits wollten wir das Archiv und seinen Inhalt an und für sich vorstellen. Wir wollten die Geschichte der Menschen erzählen, die auf den Fotos abgebildet sind. Andererseits wollten wir den Inhalt der Fotografien hervorheben: was für Fotografien es damals gab, wie sich die Leute fotografieren ließen, die damalige Arbeitsweise und die damaligen Gewohnheiten. Gegebenenfalls wollten wir auch die Namen bedeutender Fotografen der Zeit betonen. Wir fanden in jedem Archiv bedeutende Fotografennamen und seltene, wertvolle Fotos.“
Ein weiteres Projekt des Vereins ist Analogic 192021. Es ist ein Langzeitprojekt und umfasst Forschung, Digitalisierung, Förderung von analogen Fotografien und Fotosammlungen verschiedener Gemeinden in Rumänien. Das Projekt verläuft in Zusammenarbeit mit mehreren Partnerinstitutionen und verbündeten Vereinen. Im Rahmen des Projekts Analogic 192021 wurden Fotos ausgestellt, die verschiedene Möglichkeiten des Fotoeinsatzes in einer Gemeinde im Kreis Ialomiţa veranschaulichen. Autor der Fotos ist Costică Acsinte. Er sammelte die Fotos im Jahr 2017, in der Gemeinde, aus der er herkommt. Einige seiner Kollektionen sind für Facebook-Nutzer hier zu sehen: https://www.facebook.com/pg/costicaacsinte.