Restart Romania: die Tauschbibliothek
Dem Coronavirus ist kaum was Positives abzugewinnen. Außer vielleicht einer Entschleunigung und mehr Zeit zum Lesen. Vor diesem Hintergrund startete eine rumänische gemeinnützige Organisation eine Initiative zur Beteiligung an einer offenen Bibliothek.
Ana-Maria Cononovici, 27.08.2020, 17:30
Wir erleben Zeiten voller unerwarteter Herausforderungen. Allerdings finden viele Menschen derzeit wieder zu sich zurück. Und sie entdecken alte Leidenschaften wieder, für die sie früher keine Zeit mehr hatten. Heute möchten wir auf eine Initiative hinweisen, die sich vorgenommen hat, den Neustart-Knopf zu drücken. Die Möglichkeit eines Neuanfangs inspirierte auch den Namen des neu gegründeten Vereins — Re-Start Rumänien. Die gemeinschaftliche Organisation schlug im Laufe der Zeit mehrere Projekte vor. Über das jüngste Vorhaben des Vereins unterhielten wir uns mit Alina Stoian, Kommunikationsberaterin des Vereins:
Es gab mehrere Initiativen, manche ernteten großen Erfolg. Unter den heutigen Umständen ist es vielleicht sinnvoll, über unser jüngstes Projekt zu sprechen. Das Projekt heißt »Offene Bibliothek«. Wir starteten es vor anderthalb Jahren. Wir wollten damals das Lesen von gedruckten Büchern fördern, denn wir hatten den Eindruck, dass die E-Books die gedruckten Bücher verdrängten. Außerdem wollten wir den Zugang zur Kultur erleichtern. Die Menschen sollten nämlich Zugriff auf Titel haben, die sie vermutlich in Buchhandlungen nicht mehr finden. Daher suchten wir mehrere Stellen aus — es waren eigentlich Bibliotheken –, an die Bücher gespendet werden konnten. Unsere Organisation sorgt dafür, dass die Partner-Bibliotheken gut ausgestattet sind. Möchte jemand ein Buch aus unserer Partnerbibliothek ausleihen, so hat er oder sie ein anderes Austauschbuch abzugeben. Darum geht es eigentlich in unserem Projekt — nämlich um den Tausch von Büchern.“
Wir möchten einen Raum schaffen, wo motivierte, ehrgeizige, sozial fortschrittliche orientierte und engagierte Bürger ihre Stimme laut werden lassen können. Und das unabhängig ihres Alters, Geschlechts, der Religion oder der politischen Orientierung, so die Gründer der Initiative. Mehr Einzelheiten zum Projekt lieferte uns Alina Stoian:
Das Projekt entwickelte sich sehr gut, sogar unerwartet gut. In weniger als einem Jahr gingen wir 12 partnerschaftliche Beziehungen ein, sowohl mit Partnern in Bukarest wie auch in Constanţa und Piteşti. Die Partnerbibliotheken machen freiwillig an unserem Projekt mit. Sie kümmern sich vorbildlich um die von uns organisierten Bücherregale. In der Tat liefern wir ihnen die Bücherregale, doch sie sorgen dafür, dass die Regale stets voll sind, dass Menschen in die Bibliothek kommen und Bücher ausleihen bzw. andere abgeben. Das Engagement war sehr groß allerseits. Darüber hinaus starteten wir in den letzten drei Monaten ein weiteres Mini-Projekt zur Unterstützung rumänischer Autoren. Hierfür organisierten wir eine Reihe von kurzen Live-Gesprächen mit den Autoren. Derzeit sind wir bemüht, Möglichkeiten zu finden, um die Gespräche online zu übertragen. Wir trafen uns mit den Schriftstellern, sie stellten ihre Bücher vor und spendeten sie für unsere Bücherregale. Wir haben bis jetzt fünf Gespräche geführt. Die Gespräche mit den Autoren ließen das Interesse für unsere Initiative zunehmen. Die Menschen möchten als Freiwillige mitmachen. Manche wollen sogar eine Bibliothek »adoptieren«, so wie wir diese Aktion zu nennen pflegen. Eine Bibliothek zu adoptieren, bedeutet, einige Bücherregale, die wir ihnen zur Verfügung stellen, zu verwalten. Die Initiative entwickelte sich schneller, als wir es erwartet hatten, und das freut und überaus.“
Hinter der Initiative steckt eigentlich der Wunsch, die Rumänen zu mehr Beteiligung am Gemeinschaftsleben anzuregen. Und das durch unpolitische Handlungen. Denn das Engagement eines jeden für die Gemeinschaft wirke sich direkt auf die Qualität des Lebens der Menschen aus — so unsere Gesprächspartnerin. Und die Menschen wirken gerne mit. Derzeit gibt es 12 Bibliotheken, in denen das Projekt umgesetzt wird. Und in diesen Bibliotheken ändern sich die angebotenen Titel konstant. Dabei stehen jederzeit etwa 200 Bücher in jeder Bibliothek zum Austausch bereit.
Derzeit läuft alles online. Wir haben eine provisorische Lösung im Hinblick auf die Autorengespräche gefunden. Und solange wir solche Gespräche führen, wird auch die Bibliothek bestehen. Trotz der schweren Zeit, die wir erleben, erhalten wir immer mehr »Adoptionsanträge«. Wir werden diese Zeit heil überstehen. Um das zu schaffen, müssen wir uns alle einbringen. Bitte, bleibt zu Hause, helft uns, unser Ziel zu erreichen!“
Eine Anregung mit Bezug auf einen Normalitätszustand, den wir derzeit vermissen. Eine Anregung zur Wiederentdeckung des eignen Selbst durch Lektüre.