Kachelöfen als Kunstwerk: die Terracotta-Fabrik in Mediasch
In der siebenbürgischen Stadt Mediasch ist seit mehr als 100 Jahren ein Kachelwerk in Betrieb. Das Werk legt heute noch großen Wert auf Handarbeit und kundenangepasste Produkte.
Ana-Maria Cononovici, 19.12.2019, 17:30
Vor gut 100 Jahren — genauer: im Jahr 1906 — wurde die Terrakotta-Fabrik in Mediasch vom Siebenbürger Sachsen Julius Gräf gegründet. Während nahezu 80 Jahren (1938–2015) war die Kachelfabrik im Besitz verschiedener Personen. Einschließlich der rumänische Staat wurde irgendwann zum Eigentümer der Fabrik in Mediasch. Nach 111 Jahren und zahlreichen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Änderungen stellt die Fabrik Teracota“ in Mediasch immer noch die gleichen alten Kacheln her, wie früher. Die Fabrik verwendet immer noch die alten Öfen und das Originalrezept für die Lehmmischung. Sie beschäftigt die gleiche Anzahl von Mitarbeitern und setzt die gleiche Verglasungstechnik ein. Auch die Malerei wird weiterhin von der Hand getätigt. Seit 2015 ist die Fabrik wieder Eigentum eines siebenbürgisch-sächsischen Unternehmers namens Uwe Draser.
Die Ofenkacheln sind Keramiksteine, die für den Bau von Kachelöfen bzw. für den äußeren Teil der Öfen verwendet werden. Der äußere Teil eines Kachelofens besteht aus fünf Hauptelementen: Tafeln, Ecken, Sockeln, Leisten und Schornsteinen. Außerdem können auch Dekorativelemente gefertigt werden. Diese waren typisch für die Öfen in den Wohnungen des Adels. Wir erfahren die Geschichte dieses Handwerks von gestern und von heute von Radu George Stelian, dem Werksleiter in Mediasch:
Wir versuchen, die Tradition fortzusetzen. Wir vermischen derzeit die Erde nach dem alten Rezept, das auch 1906 verwendet wurde. Darüber hinaus verwenden wir für die Verbrennung der Kacheln die gleichen Öfen wie zur Zeit der Gründung des Werks. Und wir versuchen, unseren Kunden zu erklären, worin der Unterschied besteht zwischen den von uns gefertigten Kacheln und der Serienproduktion. Unsere Kacheln werden von der Hand gepresst. Die Qualität ist unterschiedlich von der der mechanisch gepressten Kacheln. Es war eine verrückte Wette! Denn es ist schwierig, dem Wettbewerb unter diesen Umständen standzuhalten. Damit Sie sich ein Bild von den Unterschieden machen können: Ein Mitarbeiter von uns, der Kacheln von der Hand eindrückt, fertigt etwa 800 Kacheln im Monat. Hätten wir es mit einem automatisierten Werk zu tun, so würden rund 7–8 Tausend Stück durch mechanisches Pressen am Tag gefertigt. Ein enormer Unterschied!“
Das Handwerk der manuellen Kachelfertigung geriet fast in Vergessenheit Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Kachelöfen — mit dem Erscheinen moderner Heizungssysteme — als obsolete Heizungsalternative betrachtet werden. Dennoch können die modernen Heizkörper die Schönheit und den Charme der Kachelöfen und –kamine kaum erreichen. Der Kachelofen sei ein repräsentatives Artefakt der rumänischen Zivilisation — so zumindest wird darüber erzählt. Er sagt etwas aus über die nationalen Entwicklungen sowie über die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen und Ereignisse in der rumänischen Gesellschaft. Radu George Stelian erzählt uns, worin die Stärke der Kachelöfen auf dem Markt bestehe:
Wir versuchten, etwas Anderes, Neues anzubieten. Manche Kunden wollten sich bei der Fertigung eines Ofens einbringen, sie wollten konkret mitmachen. Wir boten ihnen die Möglichkeit, die Kacheln selbst einzudrücken und zu bemalen. Wenn eine Familie zu uns kommt und gerne am Ofen mitbauen will, dann erledigen wir das Eindrücken der Kacheln und die Verglasung und überlassen ihnen den kreativen Teil — das Bemalen. Dann legen wir die Teile zusammen und jeder erkennt seinen Beitrag wieder. Viele unserer Kunden wünschen sich so etwas. Außerdem restaurieren wir auch alte Öfen. Falls jemand ein altes Haus gekauft hat und drinnen war ein alter Ofen, den er gerne restaurieren möchte, so können wir ihn restaurieren. Dann gibt es noch die Leute, die mit einer Skizze auf Papier kommen. Wir verwenden Gipsvorlagen und übertragen ihre Skizze in Gips. Somit fertigen wir ein Unikat an, einen Ofen wie kein anderer. Die Kunden können die Gipsvorlagen mit nach Hause nehmen. So gehen sie sicher, dass niemand mehr so einen Ofen hat. Wir haben diese Nische gefunden und wir nutzen sie aus, um wettbewerbsfähig auf dem Markt zu bleiben. Es ist nicht einfach, doch wir hatten gute Partner, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Außerdem veranstalteten wir Ausstellungen in Bukarest, aber auch in Viscri (Weißkirch) oder im Kunstmuseum in Hermannstadt sowie im Museum der Stadt Mediasch. Derzeit haben wir eine Ausstellung in Viscri, in der dortigen Kirchenburg. Wir wollen zeigen, Kacheln sind nicht nur Bausteine eines Ofens. Sie können auch Kunst darstellen.“
Im Werkarchiv ist eine Sammlung von siebenbürgischen Kacheln und Kachelvorlagen gelagert. Dort können sogar Reproduktionen von seltenen Kachelöfen gesehen werden. Sie stammen aus dem Astra-Museum in Hermannstadt. Mehr Informationen dazu lieferte uns Radu George Stelian:
In unserem Archiv sind mehr als 300 Vorlagen neue Kacheln. Iulia Costescu ist Masterstudentin. Sie studiert Malerei und arbeitet hier, in unserem Werk. Wir haben also unsere Kacheln und fertigen auch noch Repliken von alten Kacheln nach. Die Vorlagen haben wir vom Astra-Museum in Hermannstadt oder von verschiedenen anderen Museen im Land. Unser Sortiment ist also sehr vielfältig. Die Kunden können sich die gewünschten Modelle aussuchen, je nachdem, in welcher Region sie leben. Falls die Kunden aus der Bukowina kommen, können wir ihnen alte, herkömmliche Kacheln aus der Bukowina empfehlen. Wenn sie sich etwas aus Siebenbürgen wünschen — auch das haben wir im Angebot. Falls sie sich im Gegenzug neue, moderne Kacheln wünschen, können wir ihnen auch ein modernes Design anbieten. Derzeit gelten Kachelöfen nicht mehr als klassische Öfen. Wir liefern Öfen, an denen 10–15 Heizkörper angeschlossen werden können. Es fungiert als Heizsystem im Kleinformat. Vor allem in Siebenbürgen empfehlen wir weiße Kacheln mit blau gemaltem Muster. In der Bukowina ist es üblich, die Kacheln mit etwas komplexeren Mustern zu bemalen. Bevorzugte Farben sind Grün, Rot, sogar Gelb.“
Das Werk verkauft monatlich etwa 30 größere und 100 vormontierte Öfen. Es beschäftigt 30 Mitarbeiter. Die Tore sind immer offen für Besucher. Die Gäste können bei der Fertigung der Kacheln mitmachen. Sie können Kacheln im Kleinformat eindrücken, die sie auch nach Hause mitnehmen. Denn das Handwerk soll weiter übertragen werden, an jeden, der sich dafür interessiert.