Bihor Couture: Volkstrachten als Modekollektion
Immer mehr berühmte internationale Modehäuser lassen sich von traditionellen Volkstrachten bei der Erschaffung ihrer Modekollektionen inspirieren. Dennoch vergessen sie oft, ihre Quellen in irgendeiner Form zu erwähnen.
Ana-Maria Cononovici, 30.08.2018, 17:30
Die Schönheit der rumänischen Volkstracht ist nicht nur wohl bekannt, sondern auch international anerkannt. Daher darf man nicht überrascht sein, dass eine traditionelle Weste, die sehr ähnlich der für den Landkreis Bihor spezifischen volkstümlichen Weste aussah, Teil einer bekannten Modesammlung wurde. Dennoch ist die Herkunft des Kleidungsstücks nicht geschützt. Das hat eine Aktion im Hinblick auf den Schutz herkömmlicher Kunsthandwerke angeregt. Die Kampagne, an der sich zahlreiche Interessierte beteiligten, trägt den Namen Bihor Couture. Handwerker, Zwischenhändler und nicht zuletzt die Urheber der Aktion brachten sich dabei voll ein. Ioana Zamfir leitet die Kreativabteilung in der Werbeagentur, die die Kampagne Bihor Couture startete. Sie erzählte uns mehr über das Projekt:
Der Fall Dior Bihor ist nicht der erste Plagiats-Versuch. Im Laufe der Zeit gab es noch den Fall Tory Burch. Und vor nicht allzu langer Zeit den Fall Valentino. Es passiert nicht nur in Rumänien, sondern weltweit. Berühmte Modefirmen lassen sich von traditionellen Mustern in verschiedenen Kulturen inspirieren. Wir wollen keineswegs die Kreativität eindämmen oder die Inspiration hemmen. Die Modehäuser sollten auch weiterhin andere Kulturen als Inspirationsquelle verwenden. Das einzige Problem ist, die als Inspirationsquelle verwendeten Kulturen haben nichts davon. Sie werden weder irgendwie gefördert, noch machen sie irgendeinen Profit. Die örtlichen Kunsthandwerker haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, sie verfügen kaum noch über die notwendigen Mittel, um ihre Kunstwerke fortzusetzen. Deshalb starteten wir die Kampagne Bihor Couture. Wir wollen, dass ein Teil des Gewinns zurück in die Gemeinschaft kehrt, die die Modekollektion anregte. Wir haben eine Internetseite gegründet und fördern dort die örtlich hergestellten Produkte. Somit haben sie die Möglichkeit, die von ihnen erzeugte Ware zu verkaufen.“
Die Leute sind es gewöhnt, Kleidung zu kaufen, die unter einer bestimmten Marke hergestellt wurde. Manchmal geht der Stil in Richtung Volkstrachten. Und dennoch kaufen die Menschen, bewährte Marken, anstatt ihre Kleider direkt beim Handwerker im ländlichen Raum anzuschaffen. Und viel zu oft haben wir es mit einem Plagiat zu tun, so die Fachleute.
Ana Florea ist Erzieherin im Dorf Beiuş und künstlerische Leiterin beim Verein Micul Beiuşan. Im Rahmen der Kampagne Bihor Couture vermittelt sie die Durchführung der Geschäfte zwischen den möglichen Kunden, die Ware von der Internetseite kaufen möchten, und den Handwerkern, die ihre Ware auf der Internetseite vorstellen. Sie erzählte uns, die Handwerker in Bihor hätten das Projekt mit Freude entgegengenommen. Dennoch seien sie schwer zu finden, sagte sie:
Die Handwerker sind immer schwerer zu finden, weil es immer weniger sind. Hoffentlich wird ihre Zahl künftig zulegen. Mein Traum ist, eine Berufsschule vor Ort zu gründen. Die jungen Leute sollen nämlich die Möglichkeit haben, herkömmliche Handwerke wie das Nähen und Schneiden von Volkstrachten zu erlernen. Derzeit sind nur noch ganz wenige Handwerker vor Ort. Doch ich wünsche mir, dass ihre Anzahl zunimmt.“
Wir regten Ana Florea an, uns mehr Einzelheiten über die traditionelle Weste in Bihor zu erzählen:
Die traditionelle Weste in Bihor ist nicht sehr stark verziert. Und mit Sicherheit gibt es auch andere rumänische Volkstrachten, die sehr schön sind. Die für unseren Landkreis traditionelle Volkstrachtweste ist jedoch dank ihrer Verzierung einmalig. Ein berühmtes Modehaus hat sie demzufolge nicht nur als Inspiration für ihre Kollektion verwendet, sondern zu 99% kopiert. Etwas verschieden sind nur die verwendeten Farben und die Stoffe, aus denen die Weste hergestellt wurde. Wir stellen hier, vor Ort, die Volkstrachtweste aus gegerbtem Leder her. Die Muster werden mit Wolle gestickt. Alle Stoffe sind natürlich. Wir bieten auch die Weste aus Kunstleder, doch auch diese traditionelle Weste ist zu 100% handgefertigt. Auf der traditionellen Weste sind viele bedeutungsreiche Symbole gestickt — weshalb sie auch einmalig ist. Die Stickerei drückt die Geschichte der Person, die sie trägt, aus. Und sagt etwas über ihren sozialen Stand aus. Die Farbenwahl ist sehr unterschiedlich, früher war die Volkstrachtweste ein Kleidungsstück, das den sozialen Status zeigte. Verschiedene Stickereien wie der Kreisch [ein Fluss, der durch die Region fließt] mit Fischen oder ein himmlisches Mahl waren darauf gestickt. Das Muster am Rücken macht den Unterschied zwischen der Weste für Männer oder für Frauen. Die Schönheit dieser traditionellen Weste wird durch die Vielfalt der gestickten Muster gegeben.“
Ioana Zamfir, Leiterin der Kreativabteilung bei der Werbeagentur, die die Kampagne Bihor Couture startete, sprach mit Optimismus über das Projekt. Obwohl sie auch einige Hindernisse erwähnte:
Es dauert sehr lange, so eine traditionelle Weste anzufertigen, etwa einen Monat. Alles wird von der Hand genäht, es ist keine Serienproduktion. Bis jetzt haben wir positive Rückmeldungen zu unserem Projekt bekommen. Wir hätten schon lange unsere Traditionen in Schutz nehmen müssen, hieß es. Wir wurden aufgefordert, unsere Handwerker besser zu fördern und bekannt zu machen. Das Projekt erreicht immer mehr Leute, das gibt uns Hoffnung. Wir wünschen uns, das es als Beispiel auch für andere Kulturen fungiert. Traditionen müssen bewahrt werden. Und man kann sich das Brot davon verdienen.“
Die Stifter der Kampagne ermuntern uns, echte handgefertigte Ware zu suchen und zu kaufen. Sie regen uns auf, von den örtlichen Handwerkern zu kaufen. Denn so trägt ein jeder von uns zur Bewahrung der Traditionen bei.