Winterbräuche in der Marmarosch: Vermummte gegen Tatarenschreck
Über den letzten Einfall der Tataren vor 300 Jahren wird viel erzählt. Die zahlreichen sich im Umlauf befindenden Legenden ließen Bräuche und Traditionen entstehen, die alljährlich gelebt werden.
Ana-Maria Cononovici, 11.01.2018, 17:30
Vor 300 Jahren schrieben die Bewohner der Marmarosch-Region (rum. Maramureş) Geschichte. Dennoch fehlt diese Seite aus den Geschichtsbüchern, nach denen heutzutage in der Schule unterrichtet wird. Nichtsdestotrotz lebt die Geschichte in den Herzen der Menschen weiter. Und die örtlichen Legenden sorgen dafür, dass sie weitererzählt wird. Der Herbst des Jahres 1717 hinterließ große Schäden und tiefe Wunden. Zurück blieben zahlreiche Tote und niedergebrannte Kirchen. Aber auch glorreiche Taten, über die heute nur noch die Ortschaftsnamen zeugen und die Alten erzählen. Hier ist noch der sogenannte Stâlpul tătarilor“ (dt. Tatarenpfeiler) zu finden. Oder die sogenannte Preluca Tătarilor“ (eine kleine Wiese zwischen Hügeln). In fast jedem Dorf gibt es ein Tal, einen Ort, ein Denkmal, die an die damaligen Ereignisse, an die damalige angespannte Zeit erinnern.
Über den letzten Einfall der Tataren wird viel erzählt. Die zahlreichen Legenden ließen Bräuche und Traditionen entstehen, die alljährlich gelebt werden. So etwa der Aufmarsch der vermummten Brondoşi von Cavnic“, in einer Ortschaft unweit von Baia Mare, im Norden des Landes. Ioana Petruţ ist die Leiterin des Kulturhauses in Cavnic. Sie lieferte uns mehr Einzelheiten zur einmaligen Tradition:
Der Brauch ist auf das Jahr 1717 zurückzuführen. Wir sprechen also von einer 300-jährigen Tradition. Aus diesem Grund wollten wir dieses Jahr etwas Besonderes organisieren. Eine Parade der sogenannten »Brondoşi« [Ausspr.: brondòschj]. Die »Brondoşi« sind Bewohner aus unserem Umfeld, die die Tradition ganz getreu bewahren. Sie verkleiden sich, ziehen weiße Anzüge an und tragen Masken. Eigentlich setzen sie eine Maske aus Schafsfell auf den Kopf auf. Der Rücken und die Brust sind mit Pferdegeschirr bedeckt. Am Geschirr hängen verschiedene Glocken, auch Kuhglocken, die furchtbar Lärm machen. Die vermummten Männer ziehen an den Häusern der Dorfbewohner zu Weihnachten während drei Tage vorbei.“
In Cavnic, an dem Ort, wo heute der Tatarenpfeiler steht, hätten die Ortsansässigen mit Masken und Glocken die Pferde erschrocken und die Tataren vertrieben — so die örtliche Sage. Sie wurden vermutlich von Toader Crăciun angeführt, einem Dorfbewohner, über den erzählt wird, dass er Kapitän unter dem berühmten Freischärler Pintea der Mutige (rum. Pintea Viteazul) gewesen sei. Mit dieser Schlacht sei auch die Tradition der Brondoşi in Verbindung zu bringen, sagt Ioana Petruţ, die Leiterin des Kulturhauses in Cavnic:
Legenden zufolge hätten die Ortsansässigen die Tataren von diesen Gebieten vertrieben. Die Auseinandersetzung habe gerade hier, in Cavnic, im Jahr 1717 stattgefunden. Die Einheimischen erzählen, ihre Vorfahren hätten die Tataren verjagt. Heute werden die bösen Geister durch die gleiche Methode vertrieben, heißt es. Es wird erzählt, die Tataren hätten nicht gewusst, wer sie angreife, und das habe ihnen Furcht eingejagt. Deshalb wären sie geflüchtet. So entstand die Tradition. Die Leute verkleiden sich, setzen Masken und Glocken auf und ziehen an den Häusern vorbei.“
Die Brondoşi, also junge Leute, die Masken tragen und mit Glocken gewappnet sind, vertreiben heutzutage die bösen Geister. In der Vergangenheit dachten die Menschen, der Kampf gegen die Tataren sei eine Auseinandersetzung zwischen dem Guten und dem Bösen. Denn die Tataren ließen Kirchen niederbrennen und führten ihren Kampf gegen die Christen.
Ein authentisches Kostüm umfasst unbedingt eine Maske aus Schafsfell und das Geschirr, an dem Glocken hängen. Die Großeltern helfen mit Rat und Tat bei der Herstellung der Kostüme. Die restlichen Elemente sind auch bei anderen traditionellen Trachten zu erkennen: die weißen Kleider sind typisch für die Volkstracht in der Marmarosch, der breite Gürtel, die Schuhe, die geflochtenen Seile kommen häufig vor.
Darüber hinaus wird die Tradition der Brondoşi in einem Viertel der Ortschaft Cavnic auch Anfang Januar fortgeführt. Die Leute, die hier wohnen, feiern Weihnachten nach dem alten Kalender, eben weil sie so sehr an den alten Traditionen hängen. Mehr dazu von Ioana Petruţ, der Leiterin des Kulturhauses in Cavnic:
Alle Schüler machen mit, die meisten Jungen sind entsprechend verkleidet. Es nehmen auch viele Erwachsene teil. Letztes Jahr machten rund 100 Brondoşi mit. Der Umzug, der heuer organisiert wurde, war größer, es wirkten etwa 200 Leute mit.“
Die Tradition besagt, dass die Vermummten Glück für das neue Jahr bringen. Dafür müssen sie in die Häuser der Leute hineingelassen werden. Die Alten im Dorf erzählen, früher durften nur gestandene Männer“ die Rolle der Brondoşi übernehmen. Heuer wird die Tradition allerdings viel mehr von jungen Leuten fortgesetzt. Die verkleideten Kinder ergänzen die Aufführung und machen sie noch attraktiver. Frauen und Mädchen dagegen dürfen sich hingegen keinesfalls verkleiden. Falls sie als Brondosch“ verkleidet ertappt werden, so werden sie ausgezogen und durch den Schnee gerollt. Anschließend werden ihnen Maske und Glocken weggenommen. Brondosch-Kostüme können auch gemietet werden. Und falls sich jemand entscheiden sollte, das Kostüm zu kaufen, so muss er/sie zwischen 100 und 250 Euro aus der Tasche ziehen.