Deltacraft: junge Designer erfinden altes Handwerk neu
Der Südostzipfel Rumäniens, das Donaudelta, scheint manchmal vom restlichen Land abgeschnitten zu sein: aber nicht so abgeschnitten, dass die Moderne nicht Einzug hält. Die dortige Handwerkstradition droht hingegen, in Vergessenheit zu geraten.
Ana-Maria Cononovici, 07.12.2017, 17:35
Handgegerbtes Leder, Lehmziegel und Schilfrohr sind Stoffe, die im Donaudelta zum Haushaltsalltag gehören. Ein neues Projekt will ihnen wieder auch außerhalb dieses Gebiets zu mehr Beliebtheit verhelfen. Beim Ecopolis-Zentrum für Nachhaltige Sachpolitik erläutert Geschäftsleiterin Oana Neneciu, worum es dabei geht:
Deltacraft startete im Jahr 2015, als wir uns überlegt haben, die Handwerkstradition aus dem Donaudelta in den Mittelpunkt zu stellen und auf diese Weise auch wiederzubeleben. Wir entwickeln verschiedene Projekte im Donaudelta seit sieben Jahren. Es geht um seltener und von wenigen Menschen praktizierte Methoden und wir finden, dass ein neuer zeitgenössischer Ansatz notwendig ist. Deshalb haben wir mit drei Designern und zehn Handwerkern angefangen, die die erste Kollektion von Design- und Kunstobjekten unter der Marke Delta Craft gestalteten.“
Das Projektteam prüfte zunächst die vorhandenen Rohstoffe wie Schilf, Lehmziegel, Erde oder Sand und studierte Brauchtum und Tradition. Die Symbole, die seit Generationen in den Häusern der Menschen im Delta anzutreffen sind, haben sie zu einer integrierten Kollektion verarbeitet, sagt Oana Neneciu:
Wir haben einen Tisch aus Lehm gebaut und eine Trennwand aus Schilf und Holz. Dann haben wir Socken und Bettwäsche mit lokaler Symbolik bedruckt. Aus handgegerbtem Leder hat ein Kürschner am Ort einen Stuhl hergestellt und aus einem aus dem Wasser geretteten Baumstamm haben wir eine Sitzbank gemacht. Alles ist auf unserer Webseite zu sehen.“
Die Handwerker — zwischen 35 und 65 Jahre alt — haben im Projekt ihre Kenntnisse in den Dienst der Designerphantasie gestellt und umgekehrt die Designer inspiriert. Roter Faden der Kollektion, die auch einen Wasserfilter aus Stein umfasst, ist eine nachhaltige Lebensweise. Neu interpretierte praktische Objekte wie eine Installation aus einem Fischernetz oder aus einer Mitgifttruhe tragen das Ihrige zum originellen Ansatz bei. Mittlerweile erschienen bereits mehrere Kollektionen:
Wir wollten verkaufbare Objekte schaffen, die man auf dem urbanen Markt in Rumänien und dem Ausland promoten kann. Mit drei Designern und drei Handwerkern haben wir in Leder und Rohrkolben und Schilf gearbeitet. Zum Beispiel haben wir mit Methoden der Dachdecker etwas anderes gebaut. Oder Sattler haben Lederhängetaschen gemacht, im Stil von Zaumzeug, in das man Picknickkorb und Decke geben kann. Oder ein Rutenkorb mit Lederaccessoires und ein Schal, der das Wellenmotiv von Letea übernimmt — dort haben wir nämlich unser Designercamp mit den Handwerkern aufgebaut.“
Wie Oana Neneciu weiter erklärt, basiert die Kollektion auf dem Konzept des Wandels, auf der Transformation von traditioneller Handwerkstechnik zur aktuellen Utensilienproduktion. Die Ästhetik bewegt sich zwischen uralter Weisheit und heutigem Lebensstil, sagt sie:
Unsere Idee ist, ein immer größeres Portfolio zu schaffen, mit dem unsere Handwerker auch Geld verdienen können. In Zukunft wäre auch ein Designwettbewerb etwas, weil viele Designer an einem solchen Projekt interessiert sind. Und wir planen viele Produkte. Wir sind auf keinen Fall am Ende.“
Am Projekt wirkten neben dem Ecopolis-Zentrum auch die Werkstatt KraftMade und das Forschungsinstitut Gavrilă Simion“ in Tulcea.