Kultur in der Scheune: Theaterkarawane zieht durch rumänische Dörfer
Eine Gruppe junger engagierter rumänischer Schauspieler nahm sich vor, das kulturelle Leben im ländlichen Raum aufzuheitern. Die Theaterkarawane geht schon seit 5 Jahren durch etliche siebenbürgische Dörfer.
Ana-Maria Cononovici, 06.07.2017, 19:11
Damit nicht nur die Stadtbewohner am Kulturleben teilhaben, schafften ein paar enthusiastische Leute die Veranstaltung Kultur in der Scheune“. Das Ereignis findet heuer zum fünften Mal statt. Die Theaterkarawane macht dieses Jahr in 12 Ortschaften in Rumänien halt.
2013 schien die Initiative des Regisseurs Victor Olăhuţ etwas exotisch. Das Projekt entwickelte sich mit der Zeit und wird jetzt als reine Normalität in mehreren siebenbürgischen Dörfern empfunden — eine Theatergruppe baut das notwendige Set-Up und die Lichter im Hof der Dorfbewohner auf und bietet der Gemeinde eine kostenlose Aufführung. Als erstes wurde dieses Jahr das Theaterstück Das Experiment“ aufgeführt. Es basiert auf ein Skript des Autors Ion Băieşu sowie auf Texte etlicher zeitgenössischer rumänischer Schriftsteller. Die Aufführung wurde erstmals auf der Bühne des Theaters Podul“ in Bukarest gespielt. Im Theaterstück spielt unter anderem Iulian Gliţă, ein freiberuflicher Schauspieler, der auch Theater-Workshops für Kinder und Erwachsene hält. Marin Grigore steigt ebenfalls auf die Bühne. Er ist ein berühmter Theater- und Filmschauspieler, bekannt insbesondere für seine Rolle im Spielfilm Sieranevada“ in der Regie von Cristi Puiu. Auch Florentina Năstase, Schauspielerin des Theaters Toma Caragiu“ in Ploieşti wirkt im Schauspiel mit. Victor Olăhuţ, fest angestellter Regisseur beim Stadttheater in Baia Mare, leitete mehrere Aufführungen, unter anderem auf der Bühne der Theater in Cluj (dt. Klausenburg) und Sibiu (dt. Hermannstadt), sowie für mehrere unabhängige Theater in Bukarest.
Die Schauspielerin Florentina Năstase lieferte uns mehr Einzelheiten über die Dörfer, wo sie ihr Theaterstück aufführten:
Wir sind hinausgegangen, haben mehrere Dörfer und Dorfverwaltungen besucht, um herauszufinden, wo wir fruchtbaren Boden für unser Projekt finden könnten. Um unsere Aufführung zu halten, brauchen wir nämlich die Erlaubnis, die Bühne in einer Scheune aufzubauen und die Unterstützung des Bürgermeisters, der Sitzbänke bereitstellen soll. So sind wir auf die Gemeinde im Kreis Sălaj gestoßen. Das Projekt wird schon zum 5. Mal umgesetzt, also erhalten wir derzeit zahlreiche Einladungen von Dorfbewohnern aus verschiedenen Dörfer sowie von Bürgermeistern. Wir bemühen uns, ihren Wünschen Rechnung zu tragen.“
Dabei handelt es sich um Zuschauer, die vielleicht zum ersten Mal eine solche kulturelle Erfahrung erleben. Daher wollten wir von Florentina Năstase erfahren, wie die Theaterstücke von den Zuschauern wahrgenommen werden und wie sich das Publikum verhält:
Mit der Zeit hat sich die Lage etwas ausgeglichen. Wir haben es mit einem unerfahrenen Publikum zu tun, das nicht weiß, worum es geht, was zu erwarten ist. Anfangs fragten uns die Dorfbewohner, was ein Theater sei. Sie dachten viel mehr an Volkstänze. Einige konnten sich einfach nichts darunter vorstellen. Nach mehreren Jahren gibt es jetzt manche Zuschauer, die unseren Aufführungen schon drei- bis viermal beigewohnt haben. Sie vergleichen sogar die Aufführungen untereinander. Es hat eine Entwicklung stattgefunden. Wir haben es jetzt mit einem kritischen Publikum zu tun, das unsere Leistung einschätzt. Die Reaktion des ländlichen Publikums war in einer ersten Etappe einfach köstlich. Ganz verschieden von den Reaktionen des städtischen Publikums. Die Dorfbewohner sind lautstärker. Sie wollen mitspielen, in einen Dialog mit uns treten. Insbesondere die Kinder.“
Was bedeutet das Projekt für die mitwirkenden Schauspieler? Dazu Florentina Năstase:
Kultur in der Scheune ist eine Rückkehr für uns zum Leben auf dem Land. Die Scheune wird erneut um ihre ursprüngliche Funktion bereichert. Denn früher war sie nicht lediglich ein Lagerraum, sondern auch der Ort, wo die Tanzabende und Dorffestspiele ausgetragen wurden. Die Scheune hatte die gleiche Rolle wie das heutige Kulturhaus in den Dörfern. Die Scheune war der Ort, wo sogar Hochzeiten gefeiert und Taufen ausgetragen wurden. Wir kehren einigermaßen zu diesen Wurzeln zurück.“
Sălaj, Cluj, Alba, Sibiu sind einige Landkreise, in denen die Theatergruppe, die das Projekt Kultur in der Scheune“ umsetzt, oft anwesend war. Und sie wollen auch weiterhin ihre Theaterstücke dort aufführen. Dazu Florentina Năstase:
Wir möchten, dass so viele Dorfbewohner wie möglich unsere Theateraufführungen sehen. Wir hoffen diesbezüglich eine Tradition zu entwickeln. Die Leute in diesen Dörfern sind sehr offen und freundlich. Sie stellen uns ihre Scheune freiwillig zur Verfügung, laden uns immer zum Essen ein. Wir bleiben mit ihnen in Verbindung auch sonst im Laufe des ganzen Jahres. Es sind großartige Menschen, die uns ans Herz gewachsen sind.“
In einer Scheune passen bis zu 400 Zuschauer hinein. Die Aufführungen werden kostenlos angeboten.
Wir möchten die Dorfbewohner zu einem Theaterpublikum ausbilden. Wir möchten sie für das Theater begeistern, sie zu veranlassen, sich zu Kulturverbrauchern zu entwickeln. Wir haben auch Musik und Malerei im Angebot. Wir möchten den Kindern im ländlichen Raum zeigen, dass es eine Kulturalternative gibt, sie fürs Lesen begeistern. Um sie zu erreichen, müssen wir sie erstmals mit dem Theater vertraut machen. Und das machen wir umsonst.“
2013-2016 machte die Theaterkarawane Kultur in der Scheune“ in 11 Dörfern halt. Dabei führte sie drei Theaterstücke auf — insgesamt waren es 18 Aufführungen. Im Durchschnitt schauten sich 200 Leute eine Aufführung an. Junge, bekannte Schauspieler wirken im Projekt mit. Das Projekt kam gut an — sowohl beim unausgebildeten Publikum wie auch bei den Fachleuten.