Kitschmuseum in Bukarest: Humor und Ostalgie à la roumaine
Wandteppiche, auf denen Die Entführung aus dem Serai“ dargestellt ist, Devotionalien, Fische aus Kristall und viele weitere Nippsachen können seit knapp einem Monat im Bukarester Kitschmuseum gesehen werden.
Ana-Maria Cononovici, 22.06.2017, 19:52
Das Museum wurde vor knapp einem Monat in der Altstadt der rumänischen Hauptstadt eröffnet. Wer durch die Innenstadt von Bukarest schlendert, kann um das Leuchtschild am Eintritt des Museums nicht herumkommen. Ein roter Teppich ist vor dem Eingang ausgerollt. Goldene Pfeiler umsäumen den dadurch abgegrenzten Weg ins Museum — eine Einladung, die heimliche Welt des im zweiten Stock eines in der Covaci-Straße Nr. 6 liegenden Gebäudes zu entdecken. Eine Empfangsdame lächelt die Besucher am Eingang freundlich an. Sie lädt die Museumsgäste in die Räume des Museums ein. Gleich am Eingang, auf der linken Hand, begegnen die Gäste der legendären Figur von Dracula, dem ersten Kitsch-Exponat. Eine Dampfanlage sorgt für die angemessene Atmosphäre, das erste Exponat kann wie durch Nebel erraten werden. Der Eigentümer des Museums, Cristian Lică, lieferte uns mehr Einzelheiten über die Anfänge und die Entwicklung des Museums:
Ich bin sehr viel durch die Welt gereist. Bei meinen Reisen habe ich viele Museen besucht — mehr als 500 Museen in über 100 verschiedenen Ländern. Meine Leidenschaft für den Kitsch geht 20 Jahre zurück. Ich sammle schon seit eh und je Kitschgegenstände. Da kam ich irgendwann auf den Gedanken, ein Kitschmuseum zu gründen, als Attraktion für ausländische Touristen. Ich ging einfach meiner Leidenschaft nach.“
Ob Fische aus Kristall und Tischläufer, Nippes aus der kommunistischen Zeit oder Kunststoffschuhe — die mehr als 200 Ausstellobjekte stellen ein Gesamtbild der rumänischen Kitschkultur dar. Die Exponate wurden in sieben Kategorien aufgeteilt. Mehr dazu von Cristian Lică:
Das Museum umfasst sechs Bereiche, die ich als bedeutend für den rumänischen Kitsch erwog. Der erste Bereich bezieht sich auf die Figur von Dracula. Wir sind der Ansicht, dass das Bild Draculas, so wie es in der rumänischen Gesellschaft vorgestellt wird, den größten rumänischen Kitsch darstellt. Die mit dem Kommunismus zusammenhängenden Exponate haben wir in zwei Kategorien unterteilt. Das Museum beherbergt einen Bereich, wo verschiedene Gegenstände ausgestellt werden, die mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht werden können — z.B. Ceauşescus Bild mit dem Zepter in der Hand und weitere Objekte. Andererseits gibt es einen Teil, der sich auf die Innengestaltung bezieht. Wir versuchten, ein Zimmer Ende des 20. Jahrhunderts nachzubilden, eine Wohnung, die sämtliche uns wohlbekannte Gegenstände umfasst: Obst aus Kunststoff, Wandteppiche, den bekannten Fisch, einen Fernseher usw. Wir gehen zwei verschiedene Themenbereiche an: den religiösen Kitsch und den sogenannten Gipsy-Kitsch. Im letzten Bereich wollten wir die Elemente hervorheben, die weder der religiösen Geistlichkeit noch den typischen Traditionen der Rumänen oder der Zigeuner Rechnung tragen, vor allem was die Architektur betrifft. Wir wollen niemanden beleidigen, weder die Kirche noch die Roma-Bevölkerung. Unser Anliegen war, einige offensichtliche, sich wiederholende Elemente in der rumänischen Gesellschaft mit Humor zu behandeln und in den Vordergrund zu bringen. Der letzte Bereich betrifft den modernen Kitsch. Jede Woche kommen neue Exponate in diesen Bereich hinzu. Wir alle kennen moderne Kitschgegenstände. Nun, das sind die sechs Kitschbereiche, die wir im Museum vorstellen. Im Obergeschoss haben wir dazu noch eine Kitschkunstgalerie eingerichtet. Sämtliche rumänische Künstler, die ihre Werke hier ausstellen möchten, sind bei uns willkommen, solange ihre Werke kitschig genug sind. Das Museum beherbergt auch einen Fun-Bereich: »Make Your Own Kitsch« (»Erschaffe deinen eigenen Kitsch«). In diesem Bereich können die Besucher selbst kreativ werden. Wir stellen ihnen Material zur Verfügung wie Knetstoff, Kügelchen usw. und sie können ihrer Phantasie freien Lauf geben. Die selbstgemachten Gegenstände können im betreffenden Bereich ausgestellt werden.“
Die Exponate stammen aus der Eigensammlung des Museumseigentümers. Er schaffte die Gegenstände auf Flohmärkten an oder in Läden, die altes Zeug verkaufen. Oder er tauschte sie bei anderen Sammlern ein. Mit der Zeit weitete Cristian Lică seine Kollektion immer mehr aus. Die derzeitige Investition in das Kitschmuseum beläuft sich auf rund 15.000 Euro. Wir fragten Cristian Lică, was für eine Reaktion er von den Gästen erwarte. Ob er meint, sie würden sich amüsieren oder eher betrüben beim Anblick derartiger Gegenstände. Dazu Cristian Lică:
Wir bieten eine tragisch-komische Erfahrung an. Die Besucher des Museums haben sich bislang stark amüsiert, so ihr Feedback. Das Museum nimmt sich nicht so ernst. Wir haben es viel mehr mit einem Boutique-Museum zu tun, einer Privatanstalt, die sich selbst finanziert. Das Museum wird nur im Online-Medium beworben. Es zielt auf ein Nischenpublikum ab, auf die junge Generation, die sich für Neues interessiert. Das sind die jungen Menschen, die künftig die Elitegeneration von Intellektuellen bilden wird. Junge, gescheite Leute, die fähig sind, sich über Fehler oder Übertreibungen innerhalb der Gesellschaft, in der sie leben, lustig zu machen.“
Ich muss ehrlich gestehen: Der Anblick der Pionier-Krawatten, die wir früher trugen, hat mich nostalgisch gestimmt. Und die im Museum nachgebildete Wohnung widerspiegelt immer noch die Lebensbedingungen mancher Rumänen. Es ist irgendwie traurig. Der moderne Kitsch ist allerdings seltsam uns lustig. Schwarze trendige T-Shirts mit leuchtenden Botschaften wie z.B. Black is the new black“ oder Puppen, die glitzernde, glamouröse Party-Outfits tragen, an denen der übertriebene Glanz der Schlüssel zum Erfolg ist — das alles lässt die Besucher laut lachen. Denn es handelt sich viel zu oft um falsche Bezugspunkte innerhalb unserer Gesellschaft.
Mehr als 100 Besucher betraten täglich das Museum im ersten Monat seit der Eröffnung. Und Sie sind auch herzlichst willkommen, falls Sie sich amüsieren möchten.