UNESCO-Weltkulturerbe: Rumänischer Wandteppich ist Neueintrag
Seit Dezember 2016 steht der traditionelle rumänische Wandteppich (rum. scoarţă“) auf der Liste des Kulturerbes der Menschheit.
Ana-Maria Cononovici, 29.12.2016, 17:30
Die UNESCO-Experten haben bestätigt, dass die Art und Weise, in der der traditionelle rumänische Teppich, der sogenannte scoarţă“, gewebt wird, von Generation zu Generation weitergetragen wurde. Der traditionelle Teppich sei der Ausdruck der Kreativität, der Identität und der sozialen Kohäsion. Die Herstellungstechnik dieser Wandteppiche wurde Anfang Dezember 2016 ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.
Rumänien ist auf der repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit mit dem Ritual des Căluş“ (Pferdetanz) (2008), der Doina“ (einem langsam vorgetragenen wehmütigen Volkslied) (2009), der Verarbeitungstechnik der Keramik von Horezu (2012), dem Weihnachtsliedersingen der Männerscharen in Rumänien und der Moldaurepublik (2013) und dem Burschentanz“ (2015) vertreten.
Früher wurde der rumänische traditionelle Teppich, scoarţă“ genannt, besonders als Wanddekoration verwendet. Jede Braut musste in der Truhe einen derartigen Teppich haben. Heute wird der scoarţă“ als ein Kunststück betrachtet. Dr. Doina Işvănoni, Ethnologin beim Nationalen Dorfmuseum Dimitrie Gusti“ in Bukarest, erklärt, dass die UNESCO-Begründung besonders die Lebendigkeit des Webens in Betracht gezogen habe:
Rumänien erhielt die Ratifizierung des Dossiers für die Evaluierung der Herstellungstechnik des »scoarţă« in Rumänien und der Moldaurepublik bei der 11. Sitzung des Zwischenstaatlichen Ausschusses in Addis Abeba, Äthiopien. Dieses Element ist eines der repräsentativsten, weil es sich auf eine althergebrachte Beschäftigung bezieht, und zwar die Weberei. Es geht um ein Element, das schon im Neolithikum als eine Tätigkeit in der menschlichen Vorgeschichte nachgewiesen ist. Andererseits wissen wir, dass der »scoarţă«, dieses Weberei-Stück, das das Haus schmückt, sogar auf den Mitgiftpapieren der rumänischen Prinzessinnen stand. In den Bauernhäusern ist der Wandteppich ein Element des Prunks. Der UNESCO-Ausschuss und die Evaluierungsmechanismen schätzen die Kenntnisse der Menschen, derartige wertvolle Stücke herzustellen. Die UNESCO interessiert sich für die Art und Weise, in der die Menschen sich diese Elemente als Form der kulturellen Identität, als Form des Stolzes für die kulturellen Aspekte, mit denen sie sich als Ethnie identifizieren, übernehmen.“
Warum diese internationale Anerkennung bedeutend ist, sagte uns weiter Dr. Doina Işvănoni:
Durch diese internationale Ratifizierung wurde bestätigt, dass in Rumänien und in der Moldaurepublik Menschen leben, die sich weiterhin damit beschäftigen. Sie weben Teppiche und unsere Geschichte hat daraus ein Identifikationsobjekt gemacht, womit wir uns als Rumänen repräsentiert fühlen. Der »scoarţă« ist das Element, das in seiner Entität am besten die Eigenschaft der Rumänen verkörpert. Der rumänische Wandteppich war Anfang des 20.Jh. in allen Ausstellungen in Paris, New York und Barcelona zusammen mit unserer Volkstracht, die Königin des rumänischen Pavillons.“
Die Geschichte des rumänischen scoarţă“ ist sehr alt. Die Bäuerinnen haben die Teppiche am Webstuhl gewebt. Sie haben die Balken von der Wand, die mit Borke bedeckt waren, mit den gewebten Wandteppichen ersetzt. Daher der Name scoarţă“, der im Rumänischen auch Borke, verkorkte Baumrinde bedeutet. Die Bräute waren früher sehr stolz, sie in den Truhen zu haben und ihr neues Haus damit schmücken zu können. Heute aber weben immer weniger junge Frauen. Die Arbeit ist sehr schwer und verlangt viel Geduld. Deshalb geht dieses Handwerk leider verloren. Trotzdem schätzen die Rumänen den traditionellen Wandteppich sehr. Die Ethnologin Doina Işvănoni dazu:
Die meisten Rumänen, die das Land verlassen haben, haben einen rumänischen Wandteppich mitgenommen. Das bestätigt die rumänische Identität und ist eine Wertschätzung dieser schweren aber wertvollen Arbeit. Die Rumänen nehmen dieses Gewebe und ein traditionelles Leinenhemd mit nach Spanien, Italien, Amerika oder Kanada. Sie wollen damit zeigen, woher sie kommen, wer sie sind, und wollen mit Würde beweisen, was sie alles im Stande sind. Wir bestätigen durch unsere Kenntnisse, durch diese Stücke der Volkskunst unsere Kreativität, Originalität, unseren Fleiß, aber auch den guten Geschmack und die Raffinesse.“
Rumänien ist zurzeit bemüht, das Dossier für die Anerkennung der Wallfahrt der Siebenbürger Szekler-Ungarn zu Pfingsten bei Şumuleu Ciuc als Teil des immateriellen Kulturerbes zu ergänzen. Für das kommende Jahr nehmen sich Rumänien, die Moldaurepublik, Bulgarien und Mazedonien vor, die in all diesen Ländern vorkommenden Praktiken und Rituale rund um das als Märzchen“ bezeichnete Frühlingsamulett in die UNESCO-Liste einzutragen.