Basketball spielen… einmal anders!
Rollstuhlbasketball ist eine Sportart für Behinderte und Disziplin der Paralympics. Neben Menschen mit körperlicher Behinderung dürfen auch Nichtbehinderte mitspielen.
Ana-Maria Cononovici, 20.11.2014, 17:25
Rollstuhlbasketball ist eine Sportart für Behinderte und Disziplin der Paralympics. Neben Menschen mit körperlicher Behinderung dürfen auch Nichtbehinderte mitspielen. Die Regeln sind an die des klassischen Basketballs angelehnt und in einigen Punkten an die Anforderungen des Rollstuhlgebrauchs angepasst. In unserer Reihe Rumänien einmal anders“ berichten wir über ein Basketballspiel zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, das auf die Situation der Behinderten in Rumänien aufmerksam machen sollte.
Ende Oktober traten Rollstuhlbasketballspieler von der Stiftung Motivation und bekannte rumänische Blogger bei einem gemischten Basketballspiel in einem Bukarester Einkaufszentrum gegeneinander an. Neben dem sportlichen Charakter der Veranstaltung (übrigens, es war ein starkes Spiel, bei dem die erfahrenen Rollstuhlsportler ihren Gegnern klar überlegen waren) sollte die Begegnung auch dazu dienen, auf die verschiedenen Diskriminierungsformen aufmerksam zu machen, mit denen die Behinderten konfrontiert werden. Projektkoordinator Adrian Szelmenczi erzählt, wie er auf die Idee dieses gemischten Spiels gekommen ist:
Die Idee zu diesem Spiel war relativ einfach. Es reicht schon, einen kurzen Spaziergang durch Bukarest zu machen — man merkt sofort, dass die Behinderten kaum Zugang zu einem normalen Leben in der Gesellschaft haben. Ich meine damit die einfachsten Alltagssituationen, wie das Fahren mit dem Rollstuhl über eine hohe Bordsteinkante, wenn man über die Straße muss, oder das Benutzen eines öffentlichen Verkehrsmittels in Bukarest, sei es ein Bus oder eine Straßenbahn. Bei der U-Bahn sieht die Lage etwas besser aus, aber die Busse und Straßenbahnen lassen noch viel zu wünschen übrig. Dazu kommen noch die vielen geparkten Autos auf dem Bürgersteig, die den Rollstuhlfahrern viele Probleme bereiten, weil sie einfach nicht durchkommen können. Daraus schlussfolgerten wir, dass die Bukarester Stadtverwaltung sich nicht genug darum kümmert, die Stadt zugänglicher zu machen. Es geht dabei nicht nur um Rollstuhlfahrer, sondern auch um Mütter, die mit ihren Kindern im Kinderwagen unterwegs sind, oder um Senioren, die eine Gehhilfe benutzen. Deshalb betrachten wir dieses Spiel als eine gute Gelegenheit, auf die Existenz der Behinderten in unserer Stadt aufmerksam zu machen. Es gibt sie ja, auch wenn man sie meistens nicht wahrnimmt, auch wenn sie sich oft gezwungen sehen, zu Hause zu bleiben.“
Der 24-jährige Soziologiestudent und Rollstuhlfahrer Andrei Bratu sagte uns, warum er an dieser Aktion teilgenommen hat:
Die Organisation Active Watch und die Stiftung Motivation hatten die Initiative für dieses Freundschafts-Basketballspiel — wir sollten einfach aus der Wohnung heraus. Das ist für uns leichter gesagt als getan, weil die rumänische Hauptstadt Bukarest nicht besonders rollstuhlfahrerfreundlich ist. Wir tun halt, was wir können. Basketball spiele ich seit 2012 — ich habe es in einem Sommerlager in Bran zum ersten Mal probiert, es hat mit gut gefallen, und ich dachte mir, dass ich auch in Bukarest weitermachen sollte. Inzwischen ist Basketballspielen mein Hobby geworden.“
Andrei fährt mit seinem Privatwagen zur Uni und studiert in einem Gebäude, das mit einem Aufzug versehen ist. Infolge eines ärztlichen Fehlers wurde Andrei schon als Kind an den Rollstuhl gefesselt. Am komischen Verhalten der Nichtbehinderten gegenüber Behinderten hat er sich inzwischen gewöhnt. Sein Vorschlag wäre, dass alle Leute mal öfter aus der Wohnung herausgehen und mehr Sport treiben sollten.
Die Sportler von der Stiftung Motivation spielen seit langer Zeit Basketball und beteiligen sich an Sportsbegegnungen auf nationaler Ebene. Irina Zamfirescu von Active Watch sagte uns, dass nach diesem besonderen Basketballspiel eine Kampagne zur Sensibilisierung der Bukarester Stadtverwaltung folgen wird. Die Stadtverwaltung soll verstehen, dass die Stadt allen Mitbürgern zugänglich sein muss. Darüber hinaus sollten sich auch die Bürger in Geduld üben. Irina Zamfirescu:
Die Diskriminierung der Behinderten ist ein Problem, das wir auf die Agenda der Öffentlichkeit bringen wollen. Zurzeit haben Behinderte keinen Zugang zum größten öffentlichen Gut, zu ihrer Stadt, Bukarest. Anschließend führt das zur Diskriminierung in den Bereichen Ausbildung und Zugang zum Arbeitsmarkt — es ist ein Alarmsignal.“
Gegen die Rollstuhlbasketballer von der Stiftung Motivation spielten bekannte rumänische Blogger, die für dieses Spiel in Rollstühlen saßen. Vor dem Spiel versuchten die Blogger, die mitmachen wollten, sich die besonderen Regeln des Rollstuhlbasketballspiels schnell, an Ort und Stelle, zu merken. Der Trainer der Mannschaft Motivation Ilfov, Alin Săftel, sagte uns, das Spiel sei sehr spannend gewesen. Über die Blogger-Mannschaft sagte er:
Ich versuchte, ihnen einige Tipps über das Benutzen des Rollsuhls zu geben, aber das ging ihnen zu schnell. Wir haben während des Spiels gesehen, dass es ihnen schwer fiel, den Rollstuhl zu lenken. Bis sie sich daran gewöhnt hatten, war das Spiel leider schon zu Ende.“
Cristian China Brita ist einer der Blogger, die sich entschieden hatten, an diesem Basketballspiel teilzunehmen. Wie hat er es empfunden?
Es war eine Lektion fürs Leben. Einige Minuten lang haben wir empfunden, wie sich die Rollstuhlfahrer jeden Tag fühlen. Wir nehmen es als selbstverständlich hin, dass wir uns auf den eigenen Beinen frei bewegen können. Für uns, ‚Beinchen‘, wie uns die Leute von der Motivation Stiftung nennen, ist das ganz natürlich. Diesmal mussten wir uns in den Rollstuhl setzen und damit fahren — oh, Mann, sie haben uns bei diesem Basketballspiel vielleicht geschlagen! Wir wurden mit einem unerbittlichen Punkteunterschied besiegt. Wir waren am Boden geschlagen, und sie waren großartig. Es ist wunderbar zu sehen, was hier passiert, man spürt die Energie und den Enthusiasmus der Leute, man schaut sie sich an und lernt ganz viel von ihnen. Die kleinen Probleme des Alltags werden nach und nach vergessen, und man beginnt, das Leben mehr zu genießen.“