Vorfahrt für Radler
Seit einigen Jahren wird Radfahren auch in Rumänien als umweltgerechtes Transportmittel immer beliebter. Als Reaktion auf diesen europaweiten Trend starteten zahlreiche Gemeinden und Unternehmer Aktionen zum Fördern des Fahrradfahrens.
Ana-Maria Cononovici, 16.10.2014, 15:42
Radfahren ist eine angenehme Freizeitbeschäftigung, die in den letzten Jahren auch als optimale Sportart zum Fitbleiben gilt. Viele Artikel in Hochglanz-Illustrierten oder Wellness-Zeitschriften empfehlen das Fahrradfahren mit vielversprechenden Titeln wie Radfahren verbrennt Kalorien“, Radfahren lädt Ihre Batterien mit Energie auf“, Radfahren kräftigt die Muskeln“ usw. usf. Eines ist mindestens sicher: Eine tägliche Runde auf dem Drahtesel“ stärkt nicht nur das Herz und die Gefäße, sondern es gibt auch kaum eine Sportart, die die Gelenke entlastet und sie gleichzeitig beweglich erhält — das ist eine ideale Vorbeugung gegen Gelenkverschleiß.
Wer jeden Tag zur Arbeit radelt, hat ein wirksames und leicht zu parkendes Transportmittel, vermindert den Alltagsstress und genießt auch weitere Vorteile. Zum Beispiel: In Sibiu/Hermannstadt wurde neulich das erste Restaurant eröffnet, in dem Radfahrer eine 10%-Ermäßigung bekommen. An der Tür des Restaurants Kulinarium, am Kleinen Ring, befindet sich ein Plakat mit einer Fahrradfahrer-Silhouette drauf. Die Aufschrift ist einladend: Wer mit dem Fahrrad hierher kommt, hat 10% Ermäßigung“. Der Restaurantmanager Radu Coică erzählt, wie er auf diese Idee gekommen ist:
Die Idee ist nicht so neu — sie entstand 2007, als in Sibiu die ersten Fahrstreifen für Radler markiert wurden. Mehr Fahrradspuren brachten auch mehr Radfahrer in die Stadt, es wurden Aktionen zur Förderung des Radfahrens gestartet und Fahrrad-Clubs gegründet. Wir wollten auch diese Initiativen unterstützen und überlegten uns eine Aktion für Radfahrer. Im Frühjahr eröffneten wir unser Restaurant, und wir dachten, dass die Idee einer Ermäßigung für Radfahrer gar nicht so schlecht sei. Leute, die Rad fahren und fit bleiben wollen, möchten auch gesund essen, und daher schlagen wir unseren radfahrenden Kunden unter anderen auch fettreduzierte und vegetarische Gerichte vor. Die Fußgängerzone in Sibiu ist ziemlich groß — dazu gehören der Huet-Platz, der Große Ring, der Kleine Ring, die Fußgängerstrecke Bălcescu, und deshalb ist Radfahren in der Hermannstädter Altstadt für immer mehr Leute interessant geworden.“
Während viele Lokale nur freie Fahrradparkplätze anbieten, haben Fahrradfahrer im Restaurant Kulinarium 10% Ermäßigung. Am Eingang, an einer Tafel mit der schon erwähnten Fahrradfahrer-Silhouette, befinden sich die Tagesangebote. Jeden Tag stehen mehrere Fahrräder vor dem Restaurant. Die Drahtesel“-Besitzer entspannen sich an den Tischen, genießen die angenehme Atmosphäre, eine köstliche Mahlzeit und… die 10% Ermäßigung. Die Gäste sind außerdem froh darüber, dass der Fahrradparkplatz absolut sicher ist. Was bestellen normalerweise die Fahrradfahrer? Radu Coică antwortet:
Die Fahrradfahrer verbrennen normalerweise viele Kalorien. Manche haben großen Hunger und wollen etwas Deftiges essen. Andere wiederum achten auf ihre Figur und wollen nach dem Radfahren eine leichtere Mahlzeit zu sich nehmen. Wir haben keine speziellen Fahrradfahrer-Menus, sondern bieten verschiedene Gerichte aus der rumänischen und der internationalen Küche an. Pizza und Pasta haben wir immer auf der Speisekarte, sie sind bei jungen Leuten sehr beliebt, aber wir bieten zum Beispiel die leckere Bohnensuppe im Brotlaib an (ein rundes Brot mit dicker Kruste wird ausgehöhlt und mit Bohnensuppe gefüllt) und auch siebenbürgischen Gulasch im Brotlaib. Auf unsere Desserts sind wir besonders stolz; wir verwöhnen unsere Kunden mit ‚lapte de pasăre‘ (deutsch Schnee-Eier, oder Schneenockerl mit Kanarimilch) und mit ‚papanaşi fierţi‘ (deutsch Topfenknödel oder Topfennockerl), die gekocht werden, und nicht gebraten, wie in den meisten Restaurants. Viele Gäste kommen extra zu uns, um die gekochten Topfenknödel zu genießen.“
Das ist nicht die einzige Aktion zugunsten der Fahrradfahrer in Sibiu/Hermannstadt, aber viele Leute kommen speziell zum Restaurant Kulinarium, um sich mit dem Werbeplakat zu fotografieren. Es geht ihnen nicht unbedingt um die 10% Ermäßigung, sondern um die Idee. Das ist aber nur eine von vielen Aktionen zum Fördern des Radfahrens. Radu Coică:
Es gibt bei uns Unternehmen, die das Radfahren unterstützen. Auch die Evangelische Kirche in Hermannstadt fördert das Radfahren; bei der Entlohnung der Angestellten spielt auch die Zahl der Fahrradkilometer eine Rolle. Es gibt verschiedene Aktionen in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und dem Kreisrat Sibiu. Neulich wurde ein Radfahrstreifen zwischen der Stadt Răşinari und der Gemeinde Poplaca eingerichtet. Das ist der erste Teil einer Radverkehrsanlage, die Răşinari und Poplaca mit Sibiu verbinden wird. Ein sicherer Radfahrstreifen außerhalb einer Stadt ist in Rumänien immer noch eine Seltenheit.“
Es gibt mehr als 71 Km Radfahrstreifen in Sibiu/Hermannstadt; am meisten benutzt sind die Streifen, die zum Park Dumbrava führen. Auch in anderen rumänischen Städten hat man ein Herz für Radfahrer: In Timişoara (Temeswar) gibt es schon 60 Km Fahrradstreifen, in Bukarest 100 Km. Es sei aber längst nicht genug, meinen die Fahrradfahrer, und hoffen auf weitere Unterstützung, damit auch die rumänischen Städte sich der europäischen Tendenz anschließen können.