Rumänien auf der Internationalen Kunstbiennale in Venedig
Die Biennale in Venedig findet dieses Jahr vom 23. April bis 27. November 2022 statt. Rumänien wird u.a. mit einem multimedialen Projekt der Regisseurin und Drehbuchautorin Adina Pintilie vertreten sein.
Ion Puican, 26.02.2022, 18:17
Du bist mein anderes Ich — eine Kathedrale des Körpers“ — so heißt das Projekt, mit dem Rumänien an der 59. Kunstbiennale in Venedig vertreten sein wird. Das multimediale Projekt wurde von der Regisseurin und Drehbuchautorin Adina Pintilie geschaffen, die 2018 bei der Berlinale den Goldenen Bären für ihren höchst umstrittenen Film Touch Me Not“ gewonnen hatte. Das Biennale-Projekt wurde nach einem nationalen Auswahlverfahren bestimmt, das in Kooperation zwischen dem Kulturministerium, dem Auswärtigen Amt und dem Rumänischen Kulturinstitut organisiert worden war. Kurator für Rumänien (im Biennale-Jargon Kommissar“ genannt) war der Architekt Attila Kim, und er erzählt im Folgenden, wie die Auswahl genauer getroffen wurde:
Das Gewinner-Projekt wurde anhand eines nationalen Wettbewerbs erkoren, der vergangenes Jahr stattfand und seine Endphase in diesem Jahr hatte. Adina Pintilie wurde letztendlich zur Gewinnerin bestimmt, gerade weil sie sich mit diesem Projekt von ihrem vertrauten Medium Film entfernt; hier steht sie nicht mehr als Regisseurin hinter der Kamera sondern geht auf die Zuschauer zu. Sie destrukturiert den filmischen Part ihres Projektes in Einzelteile und lädt das Publikum aus unmittelbarer Nähe zu einem Dialog über Intimität und das Verhältnis zum menschlichen Körper ein. Diese Erfahrung wird durch eine Virtual-Reallity-Installation ergänzt, die dem Zuschauer ermöglicht, in die Haut der filmisch dokumentierten menschlichen Gestalten zu schlüpfen, um ihre körperliche Realität nachzuempfinden. Die virtuelle Erfahrung kann man entweder in der Neuen Galerie des Rumänischen Kulturinstituts in Venedig oder online machen.“
Attila Kim verrät auch, wo Rumänien seine künstlerischen Events im Rahmen der Kunstbiennale in Venedig präsentieren wird.
Rumänien hat einen eigenen Ausstellungsraum bei der Biennale in Venedig, der ziemlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht — der rumänische Pavillon befindet sich schon seit 1938 im Giardini della Biennale. Mehrere Länder haben nationale Pavillons in diesem altehrwürdigen Park, doch Rumänien befindet sich in der glücklichen Situation, gleich zwei Ausstellungsareale zu haben — eines in den historischen Gärten und ein weiteres in der Neuen Galerie des Rumänischen Kulturinstituts in Venedig. Wie bei jeder Ausgabe der Biennale gibt es nebst den nationalen Pavillons eine internationale Ausstellung, die dieses Jahr von Cecilia Alemani kuratiert wird. Insgesamt 213 Künstler aus aller Welt nehmen teil, darunter auch zwei Künstlerinnen aus Rumänien — die Performancekünstlerin und Schauspielerin Alexandra Pirici, die Rumänien bereits 2013 bei der Biennale vertrat, und die Bildhauerin Andra Ursuță, die derzeit in New York lebt. Darüber hinaus ist Rumänien bei einem weiteren wichtigen Nebenprojekt beteiligt, dem sogenannten ERIAC-Pavillon — das Kürzel steht für »European Roma Institute for Arts and Culture«, und das Projekt dient der Förderung der Kunst und Kultur der Roma aus ganz Europa. Hier stellt seitens Rumäniens der Maler Eugen Raportoru aus.
Für die Kulturchronik unterhielten wir uns auch mit der rumänischen Protagonistin der Biennale in Venedig, die dieses Jahr am 23. April startet. Adina Pintilie erzählt, wie ihr Projekt entstanden ist und welche kreativen Energien das gesamte Team hinter dem Unterfangen bündeln musste:
Es freut uns sehr, dieses Projekt Gestalt annehmen zu lassen; es wird eine schwierige Zeit mit einer Menge interessanter Arbeit sein. Es geht letztendlich um künstlerische Nachforschung, denn dieses Projekt ist eigentlich vor vielen Jahren entstanden, es ging uns um die Neugier und das Bedürfnis, uns in Bezug auf Intimität und Körperlichkeit neu zu erfinden. Wir werden alle im Familienkreis und im jeweiligen gesellschaftlichen Milieu mit bestimmten Ideen über menschliche Körper, Schönheit und Beziehungen sozialisiert, Ideen, die oft im Widerspruch zu den Erlebnissen im realen Leben stehen. Aus diesem Grund habe ich zusammen mit einer Gruppe von Performern in unserem Team eine Art Gefühlslabor oder emotionalen Brutkasten eingerichtetSkript zum Nachlesen und Online-Erlebnis. In Venedig konzentrieren wir uns auf die Video-Installation, die wir im rumänischen Pavillon vorstellen, die aber komplementär von der Virtual-Reality-Erweiterung begleitet wird, die das Rumänische Kulturinstitut ermöglicht. Es ist eine ganz andere Erfahrung als das klassische Kino-Erlebnis, bei dem man in einiger Distanz vor einer Leinwand sitzt. In den Ausstellungsraum bei der Biennale muss man als Besucher hineintreten, man ist physisch und emotional da und wird zur Selbstreflexion angeregt. Ich finde diese künstlerische Sprache äußerst interessant.“