Gedenkhaus „Nichita Stănescu“ in Ploiești: Kindheit des Dichters war voller Kreativität
In der Stadt Ploiești 60 km nördlich von Bukarest befindet sich das Memorialhaus Nichita Stănescu. Das Haus, in dem der im Jahr 1933 geborene Dichter aufwuchs, verbirgt viele Geschichten über die Kindheit eines der größten rumänischen Dichter.
Ion Puican, 08.05.2021, 17:30
Auf einer versteckten Gasse der Innenstadt von Ploiești liegt ein elegantes Haus mit einem Hof voller blühender Bäume. Es ist das Gedenkhaus Nichita Stănescu, gewidmet dem Dichter, der für Literaturkritiker als der größte rumänische Dichter der Neuzeit gilt. Die Kuratorin des Museums Ioana Roșu stellt uns das Haus vor, in dem der Dichter aufwuchs.
Ich möchte die Besucher daran erinnern, dass unsere Stadt, die für ihre Erdölproduktion berühmt ist, auch Heimatstadt vieler großer Künstler war, wie des Dramatikers Ion Luca Caragiale, des Schauspielers Toma Caragiu und des Dichters Nichita Stănescu. Der Dichter wird seit 1986, als das nach ihm benannte Poesiefestival ins Leben gerufen wurde, stark gefördert. Die Festspiele finden jedes Jahr am 31. März statt, dem Tag seiner Geburt. Dies geschah bis zum Jahr 2000, als wir das Haus der Familie Stănescu wiedererlangten und damit beginnen konnten, ihn wieder nach Hause zu bringen. Das ist das Haus seiner Geburt. Wir hatten damals das unglaubliche Glück, seine Schwester Mariana auf unserer Seite zu haben, die uns in dieser Initiative unterstützte und beriet, das Haus so wiederherzustellen, wie es war, als der Dichter hier aufwuchs.“
Die ausgestellten Gegenstände erzählen zahlreiche Geschichten über seine Kindheit. Ioana Roșu kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:
Wir haben hier ein paar Manuskripte mit biografischen Daten, Fotos, Diplome, aber das hier ist vor allem das Haus seiner Kindheit. In seinem Schlafzimmer haben wir auf seinem Bett einen Teddybär, den er als Kind sehr lieb hatte. Wir haben auch seinen Schreibtisch, als er in der Schule war, und das Klavier, auf dem er spielte, wenn er von der Schule zurückkam. Wir haben viele Gegenstände der Familie, die jetzt ausgestellt werden können. Die Hüterin der meisten Gegenstände war seine Schwester Mariana, da er die meiste Zeit seines Lebens in Bukarest lebte, obwohl er nie offiziell ein Einwohner der Stadt war. Er verbrachte dort seine Jugend. Einen besonderen Wert tragen die Bücher mit Autogrammen und seine Preise. Ich würde seine wichtigsten Preise erwähnen, denn der Schriftstellerverband hat ihn für jeden einzelnen Gedichtband ausgezeichnet. Seine höchsten Auszeichnungen waren aber der Herder-Preis, den er 1976 in Wien für seinen Band »Elegii« erhielt und der Preis der Strugaer Poesieabende 1982, den er im heutigen Nordmazedonien erhielt, ein wunderschöner goldener Kranz, der jetzt in einer Vitrine ausgestellt ist und heute eine große Attraktion für Besucher darstellt. Dieser Preis war unter Dichtern sehr begehrt, aber Nichita hat ihn tatsächlich bekommen. Er wuchs bei einem Kindermädchen, Ana Silaghi, auf, die ihn aufzog. Ab dem Alter von 6 Jahren bekam er zu Hause Klavierunterricht. Seine Mutter, Tatiana, bemerkte, dass er ein Ohr für Musik hatte. In einem Radiointerview, irgendwann im Jahr 1975, sagte sie, wenn er kein Dichter geworden wäre, wäre er wahrscheinlich ein großer Musiker geworden. Er hatte alles, was er brauchte, zusätzlich zur Unterstützung durch seine Mutter. Tatiana Stănescu sagte, dass er sein erstes Gedicht schrieb, als er im Kindergarten war. An einem Herbsttag, so erinnerte sie sich, kochte sie im Hof, hörte ihn etwas brabbeln und fragte ihn, was er sagte. Er sagte ihr das Gedicht auf, und sie ging ins Haus, um es aufzuschreiben. Sie zeigte es ihm, als er älter war, es war ein Gedicht mit Tempo und Reim, geschrieben von einem Vorschulkind. Nichita war ein lebhaftes Kind, ein echter Widder, ein Feuerzeichen. In der Schule sagte sein Mathelehrer, dass er im Unterricht Epigramme schreibe, und so förderte er ihn in diesem Fach nicht sehr, obwohl viele seiner Gedichte von Mathematik handeln, wie »Die Lektion über den Würfel«, »Die Lektion über den Kreis«, von denen manche sagen, sie seien mathematische Gedichte. Er erlebte eine großartige Kindheit, aber auch eine schlimme Zeit. In seiner Heimatstadt erlebte er die Bombenangriffe, amerikanische Kriegsflugzeuge haben Bomben auf Ploiești und die dortigen Ölraffinerien geworfen, so dass die Familie Stănescu ihr Haus verschloss und floh. Zum Glück für sie blieb das Haus von den Bomben verschont, aber das Kind nicht, einige Bilder blieben bei ihm hängen, denn in seinen Gedichten finden wir oft Bilder von Soldaten oder von brennenden Bäumen. Diese Dinge haben sich in sein Gedächtnis eingeprägt.“
Zum Abschluss unseres Besuchs sagte Ioana Roșu über ihren Eindruck von diesem Ort:
Ich versuche, den Leuten zu sagen, dass dies ein interessanter Ort ist, und viele überschreiten seine Schwelle mit dem Gefühl, dass Nichita in der Nähe ist, dass er sogar ihr Gastgeber sein könnte. Er lebte in vollen Zügen, er war eine Fackel, die hell brannte. Er ist zu schnell gestorben, aber Nichita hat in 50 Jahren wie andere in 150 Jahren erlebt und das ist alles, was zählt.“
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