Dokumentarfilm „Profu’“ von Alex Brendea: vom Scheitern des Bildungssystems
Nach seinem Start in den rumänischen Kinos Anfang Oktober ist Lehren“, einer der meistausgezeichneten rumänischen Dokumentarfilme der letzten Jahre, nun auch im Autokino zu sehen.
Corina Sabău, 21.11.2020, 17:30
Lehren“ erzählt die Geschichte von Dorin Ioniță, einem Mathematiklehrer in Bistrița, der das staatliche Bildungssystem verlässt und in seiner eigenen Wohnung Privatstunden zu geben beginnt. Sein größter Traum ist es, eine Schule zu haben, die nicht dem traditionellen Bildungssystem folgt, einen Ort frei von der Tyrannei konventioneller Lehrmethoden.
Der Film gewann 2019 den Preis für den besten Dokumentarfilm in Mittel- und Osteuropa in dem Wettbewerbsabschnitt Zwischen den Meeren“ des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Jihlava, in der Tschechische Republik, und 2019 den Preis für den besten Film im Rumänien-Wettbewerbsabschnitt des Astra-Filmfestivals.
Der Film sollte ursprünglich im Mai in die Kinos kommen, die Premiere wurde aber wegen der Pandemie verschoben. Kurz vor der rumänischen Premiere profitierte Lehren“ jedoch von Vorführungen mit Publikum im Tschechischen Kulturzentrum in New York, im Rahmen des Internationalen Dokumentarfilm-Festivals Jihlava“ und im Internationalen Filmfestival Transilvania (TIFF) in Cluj (Klausenburg), hier mit ausverkauften Eintrittskarten. Die Besucher der Filmvorführungen in den Kinos hatten die Gelegenheit, Dorin Ioniță, den charismatischen Protagonisten des Films Lehren“, in den Frage- und Antwortrunden zu treffen. Alex Brendea, der Regisseur des Films, erzählte uns von der Premiere in der nordrumänischen Stadt Bistrița (Bistritz), der Stadt, in der die Handlung des Films stattfindet.
Fein war es, denn zumindest in Cluj und Bistrița hatten wie ein Heimspiel, um es so zu sagen. Ursprünglich waren in Bistrița zwei Vorführungen vorgesehen, diese wurden jedoch später hinzugefügt. So sollte es beispielsweise an einem Tag nur eine Filmvorführung geben, schließlich waren es drei. Dann beschlossen die Kinobetreiber auf Wunsch des Publikums, weitere drei Vorführungstage anzusetzen. Das hat mich sehr angenehm überrascht, denn der Film wurde in beiden Kinos Bistrițas gezeigt, und viele Leute sahen sich ihn an. Eine andere Sache, über die ich mich sehr gefreut habe, war, dass viele Lehrer sich den Film zusammen mit ihren Schulklassen ansahen. Das war gut, weil wir über einen Dokumentarfilm sprechen, ein spezielleres Genre. Anscheinend war es die richtige Entscheidung, diesen Film als einen Dokumentar zu drehen, sowohl die Hauptfigur als auch das Thema haben das Publikum gefesselt. Heutzutage wird viel über Erziehung und die Art und Weise, wie das Erziehungssystem in Rumänien funktioniert, gesprochen. Viele Eltern sind unzufrieden. Nach den Filmvorführungen sprachen mich viele Eltern an. Es waren Eltern, die mit der Art und Weise, wie in Rumänien unterrichtet wird, unzufrieden sind, Menschen, die sich mehr Lehrer wie Dorin Ioniță wünschten. Die Reaktionen waren durchgehend gut, ich traf auch Lehrerinnen und Lehrer, die mir nach der Vorführung von ihren innovativen oder originellen Projekten erzählten und gleichzeitg klagten, dass sie diese aufgrund der Bürokratie oder mangelnden Interesses nicht umsetzen konnten. Eine dieser Lehrerinnen unterrichtete Geografie und wollte eine virtuelle Plattform schaffen, auf der sie den Schülerinnen und Schülern die Formen des Reliefs mithilfe von 3D-Grafiken erklären konnte, was ich für eine sehr gute Idee hielt. In Cluj traf ich auch einen Lehrer, der mir erzählte, dass es ihm durch diesen Dokumentarfilm gelungen sei, in gewisser Weise eine Alternative zum gegenwärtigen Unterrichtssystem anzubieten. Er genoss den Film, sagte mir, dass er ihn sehr mochte und sich von ihm inspirieren ließ. Mit diesem Film wollte ich zuerst einmal auf das marode Unterrichtssystem hinweisen und versuchen, auch andere Lehrer zu motivieren, ihren Träumen oder Wünschen nachzugehen und etwas Gutes für die Kinder zu tun.“
Alex Brendea hat viel Erfahrung als Bildregisseur und ist der Ansicht, dass ihm das Genre Dokumentarfilm mehr Freiheit bietet als der Spielfilm.
In gewisser Weise muss der Dokumentarfilm diese Freiheit haben, weil hinter ihm kein Drehbuch steht und man deshalb nicht weiß, welches Bild oder welches Licht er in der nächsten Sequenz einfangen wird. Und das fasziniert mich, weil ich in solchen Situationen schnell Lösungen und Antworten finden muss. In gewisser Weise erfordert der Dokumentarfilm während der Dreharbeiten etwas mehr Aufwand, aber im Vergleich zu einem Spielfilm braucht er nicht so viel Vorbereitung. Im Falle eines Fiktionfilms bereitet man sich vor dem Drehen darauf vor, den besten Rahmen und das beste Licht einzufangen — man geht gewissermaßen mit erledigten Hausaufgaben an die Arbeit. Bei dem Dokumentarfilm muss man viel freier sein, um vor Ort Lösungen zu finden.“
Eine der Auszeichnungen, die der Film Lehren“ erhielt, war der Preis für den besten Dokumentarfilm in Mittel- und Osteuropa im Wettbewerbsabschnitt Zwischen den Meeren“ des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Jihlava. Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt: Es ist ein wichtiger Film, den die Leute sehen müssen. Ein Mathematiklehrer arbeitet am Rande eines gescheiterten Bildungssystems und wird zum Mentor einer Gruppe von Schülern. Durch sein Engagement für die Erziehung lernen diese jungen Menschen die wichtigste Lektion ihres Lebens: Sie müssen sich »auf tragische Weise in das verlieben, was Sie tun«. Um das Unkonventionelle zu feiern, die Unordnung, die Fantasie und die Leidenschaft für Erziehung, geht der Preis »Zwischen den Meeren« an »Lehren«.“