„Kunst beißt nicht“: NGO bringt künstlerische Darbietungen in den öffentlichen Raum
Lyrik in der Straßenbahn – Poesie zum Anfassen und Selberlesen und das Festival für klassische Musik in den Bukarester U-Bahnstationen sind einige der Projekte einer NGO, die sich zum Ziel setzt, dem breiten Publikum diverse Kunstgattungen näherzubringen.
Corina Sabău, 21.12.2019, 17:30
Die öffentlichen Räume haben ein großartiges Potenzial als alternative Kunsträume und das Publikum soll dazu angeregt werden, sich an solchen Kunstprojekten aktiv zu beteiligen. Diese Idee stellt Thema der Dissertationsarbeit von Loredana Munteanu, die 2012 die Basis einer Nichtregierungsorganisation im Kulturbereich bildete. Lyrik in der Straßenbahn“ zwischen dem 10. September und dem 1. Oktober 2019, Der Workshop für reisende Briefe“, Das Museum beißt nicht“, Klassische Musik in der Straßenbahn“ sind nur einige der Projekte der Organisation Kunst beißt nicht“.
Das Projekt Tramvaiul poeziei“ (Lyrik in der Straßenbahn“) wurde von der NGO Arta nu muşcă“ (Kunst beißt nicht“) in Partnerschaft mit der Bukarester Stadtverwaltung und der Rumänischen Gesellschaft für öffentlichen Personenverkehr organisiert. Mit diesem Projekt setzten sich die Organisatoren zum Ziel, das Interesse des Publikums an Gedichten zu wecken. Laut dem Kulturbarometer 2018 erklärten 69% der Rumänen und 46% der Bukarester, sie hätten kein Buch in dem Jahr gelesen, lediglich 9% der Befragten lesen laut der Umfrage fast täglich. Auf der ersten Reise mit der gelben Tram waren überall in den Wagen Zitate aus berühmten rumänischen Dichtern zu lesen, wie Mihai Eminescu, George Bacovia, Lucian Blaga, Geo Bogza, Nichita Stănescu, Magda Isanos, Tudor Arghezi, Cristian Popescu. Für die Reisegäste gab es auch ein Musik- und Gedichtrezital der Schauspielerin Silva Helena Schmidt und des amerikanischen Künstlers Warren Walker. Wie die Reisegäste darauf reagiert haben, erläutert Loredana Munteanu:
Viele Menschen, besonders Jugendliche, haben gesagt, sie sind sich dessen bewusst geworden, dass sie mehr lesen und weniger Zeit mit dem Tablet oder Smartphone verbringen sollen. Andere dachten am Anfang, sie wären in die falsche Straßenbahn eingestiegen, und als wir ihnen erklärten, worum es geht, sagten sie, so eine Veranstaltung gab es noch nie in Bukarest. Es gab auch andere Reisegäste, die nur für eine kurze Zeit in Rumänien waren und sagten, die Idee sei ihnen aus anderen Ländern bekannt. Es hat mich gefreut, das zu hören, ein ähnliches Projekt gab es allerdings erstmals 2013 in Hong Kong. Eine der Lyrik gewidmete Veranstaltung fand nirgendwo so lange statt. Nach diesem Event wurde es klar, wie gerne die Dichterinnen und Dichter ihre Werke vorlesen. Leider genießen sie diese Möglichkeit nicht zu oft. So ein Projekt wie die Lyrik-Tram kommt sowohl den Erwartungen der Leser als auch der Dichter entgegen, und die Initiative ist zu einem erfolgreichen Projekt sowohl für Dichter als auch für Reisegäste geworden.“
Das Festival für Klassische Musik in der Straßenbahn, das in der Zeitspanne 2012–2016 stattfand, gilt als eines der erfolgreichsten Projekte der NGO Die Kunst beißt nicht“. Wir haben die Bahnsteige einiger U-Bahnstationen ad-hoc in Konzertsäle umgewandelt, dort fanden Klavierabende und zahlreiche Konzerte statt, die von jungen Künstlern dargeboten wurden. Was wir zeigen wollten, ist, dass die klassische Musik wirklich alle erreichen kann. 46% der Reisegäste haben sich daran beteiligt“, sagt Loredana Munteanu über das Festival für Klassische Musik in der U-Bahn:
Das ist unser erstes Projekt dieser Art. Seitdem wir die NGO »Die Kunst beißt nicht« ins Leben gerufen haben, haben wir dieses Projekt veranstaltet, Klassische Musik in der U-Bahn. Somit haben wir festgestellt, dass sich die Bukarester das wünschen, nämlich Festivals in öffentlichen Räumen. So haben wir auch auf die Idee verzichtet, dass die Kunst auf einem Sockel stehen soll, und wir haben versucht, sie den Menschen näherzubringen. Dass man klassische Musik nur im Athenäum hören kann, ist ein reines Vorurteil. Die klassische Musik ist für alle Menschen gedacht, genauso wie die Gedichte, sehr wichtig ist aber, wie man sie dem breiten Publikum näherbringt. Diese Erfahrung, das Festival für Klassische Musik in der U-Bahn kann ich als beeindruckend beschreiben. Es gab dem Bukarester Publikum die Chance, Künstler, Tenöre und Ballerinen aus unmittelbarer Nähe zu sehen — es war ein unglaubliches Erlebnis.“