„Geschichten aus Bibis Zeit“: Anspielung auf den dystopischen Roman „1984“
Der jüngste Roman von Andrei Cornea Geschichten aus Bibis Zeit“ wird von Literaturkritikern als kühnes literarisches Projekt bezeichnet. In seinem neuesten Werk tritt der Kunsthistoriker und Philosoph in einen Dialog mit der berühmten Tradition der Dysto
Monica Chiorpec, 06.07.2019, 17:30
Geschichten aus Bibis Zeit“ ist der jüngste Titel des Kunsthistorikers und Philosophen Andrei Cornea. Der Roman, der im Verlag Humanitas erschien, versteht sich als Anspielung auf den dystopischen Roman von George Orwell 1984“, in dem ein totalitärer Überwachungsstaat im Jahr 1984 dargestellt wird. In dem diktatorisch geführten Staat unterdrückt eine vom — nie wirklich sichtbaren — Großen Bruder“ geführte Parteielite (Innere Partei“) die restlichen Parteimitglieder (Äußere Partei“) und die breite Masse des Volkes, die Proles“. Auf der Buchvorstellung in der Buchhandlung Humanitas Cișmigiu sagte der Historiker Ioan Stanomir:
Ich möchte zunächst sagen, dass es eines der ehrgeizigsten Bücher ist, das kürzlich auf den Markt gebracht wurde, und zwar nur deshalb, weil Andrei Cornea versucht, einen Dialog mit einer berühmten Tradition, der Tradition der Dystopie, aufzunehmen und damit einen Dialog mit einem der beunruhigendsten Bücher des 20. Jahrhunderts, George Orwells 1984“, aus der Perspektive eines unruhigen, sensiblen Bewusstseins im 21. Jahrhundert schafft. Es ist ein unruhiges und beunruhigendes Buch, eine Meditation über die Anpassungsfähigkeit der Menschen und über die Unfähigkeit der Menschen, den Kult der Erinnerung und die Pflicht der Wahrheit zu verewigen.“
Obwohl das Werk von Andrei Cornea nach einer ersten Lektüre weniger düster zu sein scheint als der berühmte Roman 1984“, mit dem er in einen Dialog tritt, erforsche Geschichten aus Bibis Zeit“ eine moralische Verschlechterung, die das Gefühl des Pessimismus vertiefe, meint der Historiker Ioan Stanomir weiter.
Ich glaube, dass ein solches Buch in diesem Moment eine Leserschaft ansprechen kann, die aus mehreren Ebenen besteht. Es kann sich an diejenigen richten, die die menschliche Natur leidenschaftlich mögen und die Reflexionen eines gemäßigten Pessimismus über die Art und Weise entdecken können, wie die menschliche Natur durch die Diktatur fast unlösbar verdorben wird. Dann finden Sie vielleicht auch Überlegungen darüber, wie die Diktatur als kontrollierte Demokratie neu erfunden wurde.“
Wie der Literaturkritiker Cosmin Ciotloş betonte, sei das Buch von Andrei Cornea ein beispielloses literarisches Vorhaben, indem es einen Dialog mit einer der größten Dystopien des 20. Jahrhunderts aufnimmt:
Literarisch gesprochen haben wir hier eines der kühnsten Bücher, das sich nicht nur mit einem schwierigen Genre, der Dystopie befasst, sondern auch mit einem der grundlegenden Bücher des 20. Jahrhunderts. Und es macht das, indem es diesen Kontext neu erfindet. Andrei Cornea macht eine Art Doku-Fiktion höchster Qualität.“
In Geschichten aus Bibis Zeit“ greift Andrei Cornea die Hauptfigur aus George Orwells Roman auf und stellt sich ihr Leben nach dem Zusammenbruch des totalitären Regimes vor, das der Big Brother“ verkörpert. Für Cosmin Ciotloş ist das Verhalten der anderen Figuren, die sich um Winston Smith drehen, das Alleinstellungsmerkmal in Andrei Corneas Roman:
Die große Überraschung in diesem Buch sind ein paar Fragen, die sich jeder von uns stellt, weil er keine andere Wahl hat, sobald man sieht, was hier vor sich geht. Eine solche Frage ist: Wie schlecht funktioniert unser affektiv-ideologisches Gedächtnis? Wie ist es möglich, dass alle Menschen dort, abgesehen von einigen wenigen und fragwürdigen Ausnahmen, der Meinung sind, dass die Memoiren der Hauptfigur, die sie dem Verlag als Manuskript vorlegt, eine außergewöhnliche Phantasie aufweisen, eine gestörte Phantasie, wie sie ein Verleger nennt, und dass sich solche Trouvaillen sicher verkaufen werden? Das sind aber keine Trouvaillen, es ist eine Art Wirklichkeit, die der Mensch erlebt hat.“
Andrei Cornea sagte über die Rolle der Erinnerung in seinem jüngsten Roman:
Die Frage der Erinnerung, die in meinem Roman ein eigenständiges Thema ist, sollte mit einem Körnchen Relativität behandelt werden. Es stimmt, dass sich viele Menschen nur an Kleinigkeiten und eher lustige Dinge und kleine Sorgen aus der Zeit der Diktatur erinnern, und das kommt heute oft vor, viele sagen heute, dass es zu Ceauşescus Zeiten nicht so schlimm war. Ich will sie nicht kritisieren, zumindest nicht in meinem Roman, ich lasse sie auch leben. Viele haben das Gefühl, dass Winston Smith, die Figur, die ich von Orwell geliehen habe, übertreibt, dass er ein Radikaler ist. Vielleicht haben sie in gewisser Weise Recht. Ich will nicht sicher sein, denn das ist das Privileg, das der Roman gegenüber dem Essay hat. Man muss sich nicht entscheiden, aber man soll seine Figuren verschiedene Standpunkte verkörpern lassen. Man muss nicht die ganze Zeit mit sich selbst in Übereinstimmung sein.“