Filmfestspiele in Cannes: Rumänien mit zwei Streifen vertreten
Zwei rumänische Filme hatten Weltpremiere auf den 72. Internationalen Filmfestspielen von Cannes, die vom 14. bis zum 25. Mai 2019 stattfanden.
Corina Sabău, 25.05.2019, 17:30
Der Spielfilm von Corneliu Porumboiu La Gomera / The Whistlers“ wurde vergangenen am Samstag auf dem 72. Filmfestival in Cannes beim Grand Théâtre Lumière uraufgeführt. Die rumänische Produktion erntete großen Beifall, so die offizielle Facebook-Seite der Veranstaltung. La Gomera“ ist der fünfte Spielfilm von Corneliu Porumboiu, der 2018 in Rumänien, Spanien und Singapur gedreht wurde. Der Film zeigt Vlad Ivanov in der männlichen Hauptrolle sowie Catrinel Menghia, Rodica Lazăr, Sabin Tambrea, Agustí Villaronga, Cristóbal Pinto und Antonio Buíl in Nebenrollen und erzählt die Geschichte von Cristi, einem korrupten rumänischen Polizisten, der an einem illegalen Geschäft mit der Mafia beteiligt ist, bei dem 30 Millionen Euro auf dem Spiel stehen, und auf der spanischen Insel La Gomera landet. Hier lernt er El Silbo“, eine von den Einheimischen verwendete Pfeifsprache. Mithilfe dieser will er Zsolt, einen Schmuggler, der als einziger weiß, wo das Mafia-Geld versteckt ist, aus der Haft in Bukarest befreien. Corneliu Porumboiu sagte uns, wie er zu dieser Geschichte gekommen ist und wie er sich dafür dokumentiert hat:
In Frankreich habe ich einen Fernsehbeitrag über die Insel und die Pfeifsprache gesehen. Das war vor ungefähr 10 Jahren, als ich den Film »Poliţist, adjectiv« beendet hatte. Der Dokumentarfilm hat mich nicht losgelassen und ich habe angefangen, mich über die Pfeifsprache zu informieren. Ich dachte zuerst an einen Krimi-Thriller, habe dann mehre Varianten geschrieben, bis ich vor vier Jahren konstant an den Film zu arbeiten begann. Letztendlich ist er in die Richtung des »Film noir« gegangen. Um den Film zu drehen, habe ich mich umfassend dokumentiert, am Anfang im Internet. Letztendlich bin ich auf die Insel gereist. Ich wollte selbst diese Sprache erleben. Es reicht nicht aus, nur darüber zu lesen, du musst sie selbst hören und verstehen. Ich bin drei oder viermal nach La Gomera gereist, war dort jeweils für eine Woche. Weil die Sprache geschützt ist und dort als Pflichtfach in den Schulen unterrichtet wird, habe ich mit einem Professor gearbeitet. Der Leiter des Lehrstuhls für El Silbo auf der Insel ist nach Rumänien gekommen und hat die Schauspieler unterrichtet. Wir hatten also einen Spezialisten zu Seite.“
Für Corneliu Porumboiu ist La Gomera“, ein Film, der im Wettbewerb mit Streifen von Pedro Almodóvar, Jim Jarmusch, Quentin Tarantino, Ken Loach konkurriert, eine natürliche Fortsetzung seines cineastischen Schaffens.
Thematisch steht der Film in der Reihe mit zwei anderen Werken: »A fost sau n-a fost?« (»East of Bucharest«) und »Poliţist, adjectiv« (»Police, adjective«). Auch bei diesen Filmen steht die Sprache im Mittelpunkt. In »A fost sau n-a fost?« versucht eine ganze Gemeinschaft, das Konzept der Revolution zu definieren und zu verstehen, was jeder eigentlich erlebt hat, während es in »Poliţist, adjectiv« auch um Sprache geht, und zwar um Beamtensprache, Politikersprache. Dieser Film ist also eine natürliche Fortsetzung, eine Suche. Ich glaube in allen meinen Filmen steht das Thema Kommunikation in den Mittelpunkt, es ist ein wiederkehrendes Thema.“
Ultimul drum spre mare“ (The Last Trip to the Seaside“), der Film, der in der Nebensektion Semaine de la critique“ antritt, welche der Entdeckung neuer Talente gewidmet ist, ist das Zweitwerk des jungen Regisseurs Adi Voicu. Sein erster Film, Ceaţa“ (Nebel“), wurde auf den Filmfestivals in Angers und Sankt Petersburg ausgezeichnet. Die Handlung findet in dem Abteil eines Zuges statt, der ans Schwarze Meer fährt. Die sechs Reisenden unterhalten sich, bis wegen eines plötzlichen Verdachts die Handlunge aus den Fugen gerät. Bevor er angefangen hat, Fiction-Filme zu drehen, hat Adi Voicu die Regie für verschiedene Dokumentarfilme geführt. Er sagt, er wolle sich nicht auf ein bestimmtes Genre festlegen. Adi Voicu:
Auch der Fiction-Film ist Kino. Während einige Geschichten als Dokumentar erzählt werden können, eignen sich andere besser für das Fiction-Genre. Ich glaube, aus diesem Grund ist die Fiktion entstanden, aus dem Bedürfnis heraus, Geschichten zu erzählen, die nicht in einem Doku erzählt werden können. Um ein Beispiel zu nennen: Man kann nicht in einen Polizeiwagen steigen und den Weg zur Wache filmen. Das Gesetz erlaubt es nicht. Um solche Einstellungen zu zeigen, muss man schon auf Fiktion zurückgreifen.“
Im Film Ultimul drum spre mare“ (The Last Trip to the Seaside“) wirken mit: die bekannte Dichterin Angela Marcovici (Marinescu), Ana Ciontea, Cristina Juncu, Silviu Debu, der türkische Schauspieler Salih Yildirim und Alina Vior. Vor der Premiere in Cannes hat die Schauspielerin Ana Ciontea über ihre Zusammenarbeit mit Adi Voicu gesprochen.
Ich freue mich sehr, dass dieser Film bei den Festspielen in Cannes konkurriert. Ich beglückwünsche Adi Voicu dafür! Ich habe von Anfang an an seinen Film geglaubt. Es war eine angenehme Erfahrung in dem Film »Ultimul drum spre mare« mitzuspielen. Das Drehbuch hat mich sofort fasziniert, obwohl Adi später viele Änderungen darin vorgenommen hat. Auch während der Dreharbeiten habe ich verstanden, dass dieser ein guter Film wird. Was sehr wichtig ist — es hat mir sehr geholfen, dass Adi Voicu uns, den Schauspielern, Vertrauen entgegengebracht hat. Das hat mich einerseits berührt und andererseits hat es mir sehr geholfen.“