Roman von Cătălin Dorian Florescu in rumänischer Übersetzung erschienen
In seinem Roman Der Mann, der das Glück bringt“ entwickelt C.D. Florescu ein Jahrhundertpanorama aus Sicht der kleinen Leute. Nicht nur Orte, sondern auch Zeiten wechseln im Werk des erfolgreichen rumänisch-schweizerischen Prosaautors.
Corina Sabău, 30.06.2018, 17:30
Ich betrachte meinen Roman nicht nur als eine Geschichte über die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt, sondern auch darüber, wie man durch Erzählung den Weg zum Anderen finden kann.“ Das sagt Cătălin Dorian Florescu über seinen jüngsten Roman Bărbatul care aduce fericirea“ (Der Mann, der das Glück bringt“), der im Verlag Humanitas in der Übersetzung der Germanistin Mariana Bărbulescu erschien. Es ist allerdings nicht zum ersten Mal, wenn der im westrumänischen Timişoara geborene Autor sagt, dass die Literatur und das Leben in enger Verbindung miteinander stehen. Der ausgebildete Psychologe hat zusammen mit seiner Familie Rumänien mit 15 Jahren verlassen. Derzeit lebt er in Zürich. In der Schweiz erschienen seine Romane Wunderzeit“ (Vremea minunilor“, 2001), Der kurze Weg nach Hause“ (Scurtul drum spre casă“, 2002) und Der blinde Masseur“ (Maseurul orb“, 2006). Im Verlag C.H.Beck sind in rumänischer Übersetzung die Romane Zaira“ 2008 und Jacob beschließt zu lieben” (Jacob se hotărăște să iubeasc㔓 2011) erschienen.
Der Prosaautor wurde mit dem Anna-Seghers-Preis und dem Swiss Book Prize für das beste Buch des Jahres 2011 in der Schweiz geehrt. Im nächsten Jahr erhielt er den Literaturpreis Josef von Eichendorff für sein literarisches Werk. In einer Rezension für die Zeitschrift Stern“ schrieb Elke Heidenreich: C.D. Florescu hat einen fulminanten Roman über ein ganzes Jahrhundert der Wanderschaften, Vertreibungen, Fluchten, Glückssuchen geschrieben… Ein Roman, der von Fantasie, Schönheit und fantastischen Bildern schier platzt. Florescu hat schon früher bewiesen, was für ein begnadetes Fabuliertalent er ist. Hier liefert er sein Meisterstück.“
Der Schriftsteller entwickelt ein Jahrhundertpanorama aus Sicht der kleinen Leute. Das Romangeschehen beginnt Ende des 19. Jahrhunderts und wird über drei Generationen hinweg erzählt. Der Erzählstrang führt den Leser über den Atlantik nach New York und ins Donaudelta. Nicht nur Schauplätze und Zeiten wechseln, sondern auch die Erzählperspektiven. Die beiden Erzähler begegnen einander am 11. September 2001, als die World Trade Center“-Türme einstürzen; Ray ist ein amerikanischer Vaudeville-Sänger von der Ostküste, Elena, die in einer Textilfabrik arbeitet, ist ein Waisenmädchen, das in Adoptivfamilien aufgewachsen war. Die beiden episodenreichen Erzählstränge sprechen den Leser emotional sehr unterschiedlich an. Die Romane von C.D. Florescu sind in der Wirklichkeit tief verwurzelt. Die Hauptfigur des Romans Zaira“ war beispielsweise eine berühmte Darstellerin von Puppentheater aus Temeswar, die vor zwei Jahren verstorben ist. Die Recherche spielt für seine Romane eine besonders wichtige Rolle. Für den Roman Der Mann, der das Glück bringt“ teilte der Prosaautor sein Leben drei Jahre lang zwischen Europa und Amerika, zwischen dem rumänischen Donaudelta und New York. Im Donaudelta stand er jeden Tag um vier Uhr morgens auf, um die Fischer auf ihren Fischreisen zu begleiten. Ohne eine eigene Lebensvision kann aus dem Stoff, den man gesammelt hat, kein Roman entstehen, glaubt der Autor:
Derzeit versuche ich, Bukarest zu verstehen, meine Heimatstadt ist Temeswar und Bukarest habe ich nie wirklich erlebt. Ich habe die Stadt mit ihren schönen und weniger schönen Teilen erkundet, ich habe versucht, ihre Geschichte zu verstehen, weil ich einen Roman schreiben möchte, dessen Handlung sich hier abspielt. Die Recherchearbeit ist für mich sehr interessant, sie hilft mir eigentlich, weiterzumachen, ich mag es immer, vor Ort zu sein, mit den Stadtbewohnern zu sprechen. Das ist vielleicht auf meinen Beruf zurückzuführen, ich bin Psychologe und das bleibt neben der Prosa meine Leidenschaft. Das ist eine Geisteswissenschaft, die wichtige Sachen miteinbezieht, die ich in meinem Alltag ganz oft übe: die Art und Weise, in der man sich mit den anderen in Verbindung setzt, den Dialog, die Neugier, den Mut, sich selbst kennenzulernen. All diese Aspekte sind mir wichtig, wenn ich für mein Thema recherchiere. Dann, wenn ich meine Bücher schreibe, versuche ich, die Ergebnisse meiner Recherche nicht zu berücksichtigen und beim Schreiben einfach nur meinen common sense, mein Alltagsdenken einzuschalten. In den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit stelle ich die Beobachtung der Menschen, denn einige bleiben Menschen, egal wo sie das Leben führt und egal wie oft sie das Leben auf die Probe stellt, andere werden hingegen mit der Zeit entmenschlicht. Die große Geschichte der menschlichen Existenz interessiert mich eigentlich. Es handelt sich um eine Geschichte, die immer wieder in meine Prosa vorkommt und die ich in jedem neuen Roman mit einem neuen Aspekt bereichere. Meine Romanhelden sind eigentlich die kleinen Menschen, sie versuchen, durch das Leben ohne Angst zu gehen und Menschen zu bleiben.“
Über die Möglichkeit, die sein Roman den Lesern bietet, durch Erzählung die anderen zu erreichen, sagte der Prosaautor:
Elena und Ray verbergen sich in der Nacht vom 11. auf den 12. September in einem unterirdischen Theater auf der 13. Straße in Manhattan und erzählen sich ihre Lebensgeschichten. Auf dem Erzählstrang kehrt Elena 100 Jahre zurück in Rumänien, die Erzählung führt auch Ray ein Jahrhundert zurück ins New York der Einwanderer am Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Roman handelt also auch von dem Bedürfnis, das wir alle empfinden, zu erzählen. Wir erzählen immer unsere Leben. Wichtig ist, dass wir wahre, authentische Geschichten erzählen, Geschichten, in denen wir unser wahres Selbst offenbaren. Jede Geschichte hat eigentlich einen Ray und eine Elena, die aus unterschiedlichen Welten stammen und von unterschiedlichen Sachen träumen. Ray glaubt an den amerikanischen Traum, er glaubt, dass er ein Star wird, das schafft er aber nicht. In ihrer Welt hat Elena hingegen keinen amerikanischen Traum, sie kommt aus einer harten Welt und muss lernen, sich selber zu vertrauen.“