Künstler-„Nomadin“ Mariana Gordan: Kritischer Geist in britischer Wahlheimat beibehalten
Als sie 1979 Rumänien mit einem falschen Pass verließ, riskierte Mariana Gordan 30 Jahre Gefängnis wegen ihrer Freundschaft mit englischen Imperialisten und regimefeindlichen Umtrieben“, wie es damals in der Propaganda-Sprache hieß.
Corina Sabău, 04.08.2018, 17:30
Wäre sie in Rumänien geblieben, hätte sie nicht überlebt, glaubt sie. Doch so wurde London zu ihrer Wahlheimat. Das Publikum in namhaften Galerien erkannte ihre Arbeit an, sie durfte drei U-Bahn-Stationen gestalten: Oxford Circus, Tottenham Court Road und Finsbury Park Station. Und sie stellte in Paris, Venedig, Florenz, Avignon, Ulm, Berlin, Tokyo, Seattle oder Washington aus. Am meisten liegt ihr der Experimentierstil — sie orientiert sich an Museen und dem Alltag, weniger an der Theorie. Dabei scheiterte Mariana Gordan in Rumänien an der Aufnahmeprüfung für die Kunstuniversität. Die Professoren bescheinigten ihr zwar Talent, aber das sei nicht ausreichend:
Meine Mutter war sehr betroffen und hatte Angst, dass ich meine Laufbahn kaputtmachen könnte. Sie erahnte, dass ich eine waschechte Künstlerin bin und keinen anderen Job annehmen werde“, erzählt Gordan. Kurze Zeit später fand sie mit Schwierigkeiten einen Job in einer Hotelrezeption am Schwarzen Meer. Dort zeichnete sie die Porträts von englischen Touristen, die sich dann mit den Bilden zeigten. Die Geheimpolizei bekam Wind — die Hotelchefin verdächtigte die junge Frau, von den Touristen Geld zu kassieren und es nicht mit ihr zu teilen, also erzählte sie eine sehr belastende Geschichte. Die Touristen sagten zwar aus, dass sie kein Geld bezahlt hatten, aber sie wurde trotzdem gefeuert. Nun begannen aber die Engländer Unterschriften unter den restlichen Urlaubern zu sammeln.
Am nächsten Morgen wurde Mariana Gordan wegen Verdachts auf illegalen Streiks und Verschwörung gegen den Staat verhaftet. Die Engländer verschafften ihr einen falschen Pass und kriegten sie aus dem Land. Drei Monate lang berichteten die Zeitungen darüber, es hagelte Drohungen von der Securitate. Die Künstlerin verarbeitete ihre Erfahrungen im Buch State Property: My cold-war memoir“, das 2015 im Charmides-Verlag in Bistriţa-Năsăud erschien. Darin erzählt sie auch über die anfänglichen Berührungsängste:
Der erste Schock war der Kontakt mit der britischen Höflichkeit. In der Polizeistation, wo ich meinen falschen Pass ablieferte und um politisches Asyl ersuchte, brachte mir eine Polizeibeamtin eine Tasse Tee — ich war überzeugt, dass Drogen drinstecken. Ich konnte nicht glauben, dass es Polizisten gibt, die dich als Mensch behandeln — der Unterschied zu Rumänien, wo man bei Behörden der letzte Dreck war, erschien gewaltig“, erinnert sich die Künstlerin Mariana Gordan. So viel Freundlichkeit war ihr misstrauisch, sie befürchtete eine Falle.
Den zweiten Schock kriegte sie an der Uni. Auf Empfehlung der damals in Großbritannien lebenden rumänischen Bildhauers Paul Neagu ging sie zur Durham University. Keine strenge Aufnahmeprüfung, nur ein Vorstellungsgespräch anhand des eigenen Portfolios. Doch nach der Aufnahme stellte sie fest, dass die meisten ihrer Kommilitonen und Professoren Linke waren — trotzkistische Linke. Mitten im Kalten Krieg erzählten sie einer Frau aus einem indoktrinierten Land, dass eine Weltregierung erforderlich sei, wunderte sich Gordan.
Auch andere, weniger angenehme Überraschungen standen der Künstlerin bevor: 1984 bewarb sich Mariana Gordan für die GLC Clement Attlee Portrait Competition“, einen Wettbewerb für die beste Plastik von Clement Attlee, der gleich nach dem 2. Weltkrieg Premierminister war. Die Skulptur sollte an einem prominenten Platz im Zentrum von London stehen, vor der Bibliothek Limehouse. Die Jury unter Vorstand von Dame Elisabeth Frink wählte unter 500 Bewerbungen den Vorschlag Mariana Gordans. Doch als die Jury sah, dass hinter dem Projekt eine nur 25-jährige Frau aus Osteuropa stand, gaben sie den Auftrag an den nächstplatzierten Vorschlag. Immerhin blieb sie moralische Siegerin der Ausschreibung. Nach 1989 durfte Mariana Gordan endlich in ihrer Heimat ausstellen und sie tat es ausgiebig in Bukarest, Târgu Mureş (Neumarkt), Cluj (Klausenburg) und Bistriţa (Bistritz).