Kinotipp: „Maritza“ – Reise in einer alten Klapperkiste
Das Road Movie um einen alten Dacia und eine Vater-Sohn-Beziehungskiste ist das Spielfilmdebüt von Cristi Iftime.
Corina Sabău, 03.02.2018, 17:45
Das Festival von Karlovy Vary hat dem Film einen Preis verliehen und auch im Inland wurde er beim Indie-Festival Anonimul“ prämiert. Die europäischen Kritiker überzeugte die — wie es in der Laudatio heißt — einfach gehaltene Regie dieser Alltagsgeschichte einer Familie, deren Mitglieder trotz Trennung der Eltern spontan die positive Energie einer Begegnung zu genießen verstehen“.
Die Story hat mit einem Vorfall zu tun, der den Regisseur Cristi Iftime nicht mehr losließ: Obwohl seit langer Zeit getrennt, gehen eine Frau und ein Mann nach einer Begegnung nicht auf ihre aktuellen Autos zu, sondern auf ihr altes Familienauto — einen Dacia, den sie früher auf den weiblichen Namen Mariţa getauft hatten. Eine offenbar unbedeutenden Geste — taugt sie eigentlich als Anstoß für einen Film? Diese Geste hat mich ganz schön beeindruckt, sie beschäftigte mich ständig und meine Filme gehen in der Regel von solchen Augenblicken aus, die mich nicht mehr loslassen. Ich habe also nicht groß nachgedacht, ob es ein Risiko ist oder nicht, davon auszugehen. Man sagt im Filmgeschäft ‚Kill your darlings!‘ — verzichte auf die Elemente, die dir in einer Geschichte am wichtigsten erscheinen. Das funktioniert zumeist, aber bei »Mariţa« habe ich diese Regel ignoriert“, erzählt Cristi Iftime.
Er versuchte, so viel wie möglich in den Film zu packen, dass der Film dabei aber nicht zu dicht wird. Wichtig war für Iftime, dass die Zuschauer die Figur von Sandu verstehen. Er ist der Besitzer von Mariţa, Vater von drei Söhnen, Briefmarkensammler, selbst erklärter Bonvivant und immer bereit, aus seinem Erfahrungsschatz zu berichten. Doch die Zuschauer sollten mit ihm nicht zu hart ins Gericht gehen. Das tun ja zur Genüge seine Söhne, allen voran Costi, der den Vater beim Weihnachtsessen nicht leicht davonkommen lässt:
Mich hat vor allem die Entfremdung interessiert — die Menschen treffen sich, aber sie sind in Wirklichkeit nicht zusammen. Sie treffen sich, und für einige Stunden haben wir eine freundliche, angenehme Atmosphäre. Doch die Verbindung löst sich dann auf, denn es war nur die Situation selbst, die sie an der Oberfläche als Familie zusammengeführt hat.“
Der Film ist keine reine Story über den Vater. Er ist auch ein Road Movie, der eine Art Übergangsmoment im Leben eines jungen Menschen dokumentiert — die Loslösung vom Vater. Dieses komplexe Zusammenspiel einer äußeren Straße und eines inneren Werdegangs hat den Schauspieler Alexandru Potocean überzeugt, einer der besten der neuen Generation. Über 30 Rollen spielte er in Produktionen von Radu Muntean, Cristian Mungiu, Cristi Puiu oder Constantin Popescu. Dieses ganze Gefüge von Beziehungen um den Vater war mir plötzlich sehr wichtig und erschien mir auch seltsam vertraut. Und so habe ich die Vaterfigur von Sandu verstanden und auch die Art und Weise, in der Costi mit seinem Vater umgeht. Bei den Proben ging es mir anfangs, Sandu ständig zur Rechenschaft zu ziehen. Aber darum geht es im Endeffekt nicht. Es passiert zwar auch, aber es geht vordergründig nicht darum, über Sandu zu urteilen. Es geht darum, ihn zu verstehen und zu begreifen, wie er die Welt sieht. Auch wenn uns das nicht immer passt“, meint Potocean.
Adrian Titieni, der gerade für eine andere Rolle beim Festival von Chicago prämiert wurde, gehört auch zu den am meisten nachgefragten Schauspielern seiner Generation. Allein letztes Jahr spielte er 12 Rollen. Mit Cristi Iftime arbeitete er auch in Kurzfilmen mit. Jetzt wollte er gerne bei Iftimes erstem Spielfilm dabei sein, sagt Titieni: Cristi hat als Regisseur einen sehr interessanten Hintergrund. Er hat nicht nur Film studiert, sondern auch Philosophie und hat deshalb eine andere Perspektive. Er passt sehr stark auf Details auf, hat eine Vision, die mir sehr gut gefällt. Ich mag es, mit Leuten zu arbeiten, die auch jenseits der unmittelbaren Realität sehen. Das ist für mich eine Herausforderung. Ich freue mich riesig, dass er an mich gedacht hat“, sagt Adrian Titieni, der die komplizierte Rolle des Vaters spielt.