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Internationales Literaturfestival in Temeswar (FILTM): Mittel- und Osteuropa im Rampenlicht

Herbstzeit ist Festivalzeit: Nach dem Bericht zum Theaterfestival vor einer Woche blicken wir heute nach Temeswar, wo 20 Schriftsteller aus 10 Ländern zum Internationalen Literaturfestival eingeladen waren.

Internationales Literaturfestival in Temeswar (FILTM): Mittel- und Osteuropa im Rampenlicht
Internationales Literaturfestival in Temeswar (FILTM): Mittel- und Osteuropa im Rampenlicht

, 18.11.2017, 20:27

Zum ersten Mal gab es beim Literaturfestival in Temeswar auch einen Gedicht-Marathon, an dem Autoren aus Mittel- und Südosteuropa beteiligt waren. Und ferner fand auch das sogenannte Literary Death Match statt, zum ersten Mal stieg die Literatur also in den Ring. Die Geschichte zwischen Erinnerung und Fiktion“ lautete eine der von den Veranstaltern vorgeschlagenen Themen bei der gerade abgeschlossenen Auflage des Festivals. Festivalintendant und Dichter Robert Şerban erklärt die diesjährige Themenwahl.



Ich glaube, dass eigentlich jeder von uns, der schreibt und liest, mit der Geschichte etwas zu tun hat. Es muss gesagt werden, dass dieses Festival den Zusatz »Im Westen des Ostens / Im Osten des Westens« bekommen hat. Und in dieser Region, in Mittel- und Osteuropa gibt es eine Reihe von Geschichten, die wir kennen müssen. Das sind unsere Geschichten, die Geschichten unserer Nachbarn, Geschichten mit denen wir uns auseinandergesetzt haben und es immer noch tun. Geschichten, die uns kulturell, historisch und letztenendes menschlich geformt haben. Rund um Rumänien gibt es Länder, mit denen Rumänien ständig zu tun hatte, mit denen das Land einen ständigen Dialog führte und es ist extrem wichtig, deine Gesprächspartner kennenzulernen. Und ebenfalls sehr wichtig ist es, die Menschen an unserer Seite zu kennen, vielleicht noch wichtiger als die Menschen auf anderen Kontinenten.“




Am ersten Festivalabend wurde den Literaturfans in Temeswar die Chance geboten, sich mit zwei der wichtigsten rumänischen Schriftsteller unserer Zeit zu treffen: mit der Schrifstellerin Gabriela Adameşteanu, die am meisten übersetzte lebende Autorin aus Rumänien, sowie mit Ion Vianu, dem Schriftsteller, der sein Schicksal zwischen der Schweiz und Rumänien teilt. Er ist einer der besten rumänischen Psychiater der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und einer der angenehmsten Überraschungen der Literatur der 2000er Jahre, wie Festivalintendant Robert Şerban uns erklärte.



Wir haben am ersten Abend bewährte Schriftsteller zusammengeführt. Bekanntlich sind Gabriela Adameşteanus Werke die am meisten übersetzten Werke einer rumänischen Schriftstellerin. Sie gab Mitte der 1970er ihr Debüt, war in den 1990ern sehr aktiv in den rumänischen Medien, das hei‎ßt unmittelbar nach der Wende leitete sie das Magazin »Revista 22« und gehörte der Gruppe für Sozialen Dialog an. Was Ion Vianu anbelangt — er war einer der wenigen mutigen Menschen in Rumänien während der Ceauşescu-Ära, einer der wenigen, die sich mit dem Dissidenten Paul Goma solidarisch zeigte. Wegen der sich abzeichnenden Vergeltungsma‎ßnahmen ging er anschlie‎ßend ins Exil in die Schweiz. Es war also ein Abend, der diesen Schriftstellern gewidmet war, die über die Geschichte und ihre aktuellen Sorgen gesprochen haben, ein Abend, der von der Schriftstellerin Adriana Babeţi moderiert wurde, eine der Kulturpersönlichkeiten, auf die Temeswar stolz ist.




Am zweiten Abend des Literaturfestivals in Teweswar standen sich folgende Autoren gegenüber: Serhij Schadan, bekannter ukrainischer Dichter und Veteran des Euromaidans, neben dem deutschen Prosaautoren polnischer Herkunft Matthias Nawrat, der Moldauerin Tatiana Ţîbuleac, Autorin eines der besten Romane vom vergangenen Jahr, und schlie‎ßlich Dan Lungu, der am häufigsten übersetzte junge rumänische Autor. Vor ihrer Teilnahme am Festival in Teweswar, wo sie als Offenbarung der zeitgenössischen rumänischen Literatur vorgestellt wurde“, war Tatiana Ţîbuleac beim Internationalen Literatur- und Übersetzerfestival FILIT in Iaşi zu Gast, wie sie selbst strahlend erzählte.



Sowohl das Festival in Iaşi als auch das in Temeswar waren für mich Feiertage. Neben der unerwarteten Überraschung, eingeladen zu werden, war es für mich auch eine gro‎ße Freude, soviele Menschen zu treffen, die ich nur aus ihren Büchern kannte und auch zum ersten Mal als Schriftstellerin dabei zu sein. Bislang war ich nämlich immer nur als Journalistin anwesend. Beim Festival in Temeswar, das weniger gut besucht war als FILIT, hat mir die Organisationsarbeit besonders gut gefallen. Die Diskussionsrunden, bei denen ich dabei war und an denen ich mich beteiligt habe, waren wichtig für mich als Schriftstellerin; ich konnte herausfinden, wo ich gerade stehe. Ebenso die Gespräche nach dem Festival mit Ion Vianu, mit Gabriela Adameşteanu. Diese Menschen haben Bücher geschrieben, die als echte Literaturstunden gelten könnten. Als ich unlängst Gabriela Adameşteanus Werke las, stellte ich fest, dass sie vor Jahren von Dingen schrieb, die uns heute neu erscheinen. Deshalb ist es wichtig, an der Literatur und dem Kontext angeschlossen zu sein und zu verstehen, dass die Themen sich wiederholen, nur schreiben wir auf unterschiedliche Art und Weise darüber.“




Kurz und intensiv, Tatiana Ţîbuleacs herrlicher Roman ist der Durchbruch einer Prosaautorin, an die ich die grö‎ßten Erwartungen stelle“ — schreibt Radu Vancu über den Roman Der Sommer, in dem meine Mutter grüne Augen hatte“, der beim Verlag Cartier erschien. Tatiana Ţîbuleac sprach in Temeswar auch über die Entstehungsgeschichte des Romans:



Als ich anfing, zu schreiben, dachte ich nicht, dass es ein Buch werden würde. Ich begann die Geschichte einer Frau zu schreiben, die mich vergangenen Sommer beeindruckt hat. Ich habe aber festgestellt, dass je länger ich schrieb, es desto schwieriger wurde, aufzuhören, und dass sehr viele Dinge aus meinem Kopf, die auf einer Art verborgener Regale gestanden hatten, auf einmal in die Geschichte mit einflie‎ßen. Und da habe ich mir gedacht, weiter zu machen, um den Ausgang zu erfahren. Und irgendwann wusste ich, dass in diesem Buch bis ans Ende gehen muss. Es gab viele Dinge, die ich lautstark sagen wollte, aber bislang hatte ich noch nicht die Form oder die Gelegenheit oder den richtigen Zeitpunkt dafür gefunden. Und dieses Buch hat mir die Gelegenheit, den Platz dafür geboten. Und nachdem ich es fertig geschrieben hatte, bin ich mir bewusst geworden, wie gut es auch mir getan hatte, diese Dinge offen anzusprechen.“




Der Roman von Tatiana Ţîbuleac wird als durchschlagender Publikums- und Kritikererfolg im kommenden Jahr auch beim französischen Verlag Syrtes erscheinen.

Foto: facebook.com/Clara.the.Romanian.school.teacher
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