Neues rumänisches Theater in der italienischen Fachpresse besprochen
Neulich veröffentlichte die italienische Fachzeitschrift Hystrio“ auf Anregung der Journalistin Irina Wolf ein umfangreiches Dossier über die neue rumänische Theaterszene.
Luana Pleşea, 15.07.2017, 17:30
Die freiberufliche Journalistin Irina Wolf lebt seit 1988 in Wien und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Förderung des rumänischen Theaters im Ausland. Der in der italienischen Fachzeitschrift Hystrio“ veröffentlichte 30-Seiten-Dossier über das rumänische Theater behandelt mehrere Themen. Irina Wolf dazu:
Das Dossier beginnt mit einem einführenden Artikel über die rumänische Theaterszene im allgemeinen, wie sie strukturiert ist, wie sie funktioniert, wieviele Theater in Rumänien existieren, wie die rumänische Theaterszene sich im Laufe der Jahre entwickelt hat. Dann gibt es Artikel über die rumänischen Regisseure, über das Gegenwartstheater, über das unabhängige Theater und auch über das ungarischsprachige Theater in Rumänien. Präsentiert werden auch die Theaterfestivals, die Theaterschulen, das Tanztheater und der Gegenwartstanz, die Bühnenbildner und auch die grenzüberschreitende Kooperation zwischen Rumänien und Frankreich. Wir haben auch ein Interview mit dem Präsidenten des rumänischen Theaterverbandes UNITER, Ion Caramitru, und mit dem Präsidenten des Internationalen Theaterfestivals in Sibiu (Hermannstadt), Constantin Chiriac, zwei wichtige Persönlichkeiten der Theaterszene in Rumänien.“
Über das rumänische Theater im Allgemeinen gab es seit langem keine Artikel in der internationalen Presse“, sagte die Theaterkritikerin Oltiţa Cântec, die Vorsitzende der Rumänischen Abteilung des Internationalen Verbands der Theaterkritiker, die bei der Erarbeitung des Dossiers mitgeholfen hat. Oltiţa Cântec:
Das, was wir zusammen mit den Kollegen vom Internationalen Verband der Theaterkritiker und mit der Redaktion der Zeitschrift »Hystrio« vollbracht haben, war sehr wichtig; durch dieses Dossier wurde die rumänische Bühnenkunst außerhalb der Landesgrenzen sichtbar. Wir haben uns bemüht, ein umfassendes Porträt darzustellen, das einem Außenstehenden, der fast nichts über die rumänische Theaterkunst weiß, eine wirklichkeitsnahe Abbildung bietet. Andererseits wollten wir zeigen, dass das rumänische Theater ein realitätsgebundenes Spezifikum hat, und zwar dass in den 30 Jahren nach der Wende von 1989 das rumänische Theater mit der postkommunistischen Ära konfrontiert wurde. Es gibt immer noch sehr viele Probleme, die auf ihre Lösungen warten. Das Dossier enthält auch sehr viele Bilder — über das Theater kann man schön und lange sprechen oder schreiben, aber die Bilder sind besonders wichtig, wenn man über einen bestimmten Schauspieler oder über eine bestimmte Aufführung spricht. Ergänzt wird unser Dossier mit einer Bibliographie, die auch in einer Weltsprache verfasst ist.“
Das Dossier Die neue rumänische Theaterszene“ beginnt mit einem Interview, das die Theaterkritikerin Daniela Şilindean mit dem Dramatiker Matei Vişniec führte. Diesmal sollte aber Matei Vişniec nicht als Dramatiker zu Wort kommen, sondern als gut informierter Theaterzuschauer, der sich mit dem rumänischen Theater vor und nach 1989 gut auskennt. Dazu sagte Daniela Şilindean:
Es war mir eine Freude, das Interview mit Matei Vişniec zu führen. Er sagte, im Dezember 1989 habe sich Rumänien in ein riesiges Theater verwandelt. Mit jener historischen Erfahrung sei man in Rumänien zu einer Form der Normalität übergegangen, zum Anfang der Demokratie. Ich entdeckte auch einige der Trümpfe des rumänischen Theaters, so wie sie von Matei Vişniec beobachtet wurden. Ein Schlüsselsatz des Interviews bezieht sich auf die rumänischen Regisseure; dabei sagt Matei Vişniec, dass es unmöglich sei, eine Liste mit den guten und sehr guten rumänischen Regisseure zu erstellen — Rumänien könne geniale Regisseure exportieren. Mehr noch: Wenn er einen spezifischen Terminus für das rumänische Theater nach 1989 wählen sollte, dann wurde er sich für »viszeral« entscheiden, ohne positive oder negative Bedeutung. Es geht dabei um eine gewisse Art des theatralischen Empfindens, das weniger dem Gehirn und mehr dem Eingeweide entspringt, das kommt aus dem Magen, aus dem Herzen, aus den Lungen, aus den Nieren und sogar aus der Gallenblase. Dies Art des Empfindens hat mit Sicherheit eine starke Wirkung auf den Zuschauer.“