News from Polska – polnische Tanzaufführungen erneut in Bukarest
Das Festival für performative Künste News from Polska“, ein Projekt, das in Zusammenarbeit des Polnischen Kulturinstituts mit dem Bukarester Tanzzentrum (CNDB) abgewickelt wurde, erlebte die bereits dritte Auflage.
Luana Pleşea, 15.04.2017, 17:32
The Tickler and the Ticklee“ war das Thema der 3. Auflage des Festivals für performative Künste News from Polska“, das vom polnischen Institut in Bukarest und dem Nationalen Tanzzentrum (CNDB) in der Zeitspanne 31. März — 9. April organisiert wurde. Larisa Crunţeanu, Kuratorin des Events, über das vorgeschlagene Thema:
»The Tickler and the Ticklee«, »Der Gekitzelte und derjenige, der kitzelt«, ist ein Thema, das mir ausgehend von einem spezifischen Konzept der Enzwicklungspsychologie vom Anfang des 20. Jahrhunderts einfiel. Die Idee ist, dass die Menschen sich nicht selbst kitzeln können. Ausgehend von diesem Paradox dachte ich nach, wie der innere Dialog funktioniert. Unser Gedächtnis ist voller Stimmen anderer Menschen, aber wir erkennen sie nicht als solche, wir können nicht unterschieden, ob das, was wir uns selbst sagen, unsere eigenen Gedanken sind oder das, was uns andere sagen. Ausgehend von diesem scheinbaren Paradox, projiziert in die mentale und Dialog-Ebene, habe ich versucht, eine Auswahl von Arbeiten zu machen, in deren Konzept der innere Dialog als neutrale Zone eingeschlossen wurde, in der es nicht klar ist, wer die Gesprächspartner sind.“
Zu entscheiden, welche Aufführungen aus einer anderen Kultur bei dir zu Hause vorgestellt werden sollen, setzt eine bestimmte Verantwortung voraus. Larisa Crunţeanu dazu:
Als ich diese Stücke auswählte, dachte ich auch daran, wie man sie wohl empfinden werde, wie sie mit dem, was jetzt auf der rumänischen Bühne zu finden ist, kontrastieren werden. Mich interessierte auch, wie Menschen, die aus dem Tanz-Bereich kommen, mit dem dramaturgischen Text arbeiten. Ich glaube, ich habe diese gerade deshalb performative Stücke genannt, um sie nicht unbedingt in die Ecke des Tanztheaters zu rücken.“
Die vorgestellten Themen bei der 3. Auflage des Festivals News from Polska“ stehen dem zeitgenössischen Menschen nahe. Make Yourself“, die Show von Marta Ziółek, in der diese zusammen mit weiteren fünf Choreographen und einer Sängerin auftritt, präsentiert ein futuristisches Universum irgendwo zwischen einem Fitnessstudio, einer Kirche und einem Großunternehmen. Make Yourself“ ist eine Show mit sehr viel Vitalität, in der Marta Ziółek die Energien der Künstler mit maximaler Intensität ausnutzt, um das Thema der Identität anzusprechen. Die Künstlerin über die Aufführung:
Ich wollte wissen, wie die Identität in unserer Gesellschaft zu einem Produkt wird, wie wir selbst ein Objekt werden können. Es ist eine im Kapitalismus übliche Fiktion. Die Freiheit wird zu einer Art Lüge. Die individuelle Freiheit ist wie ein Gefängnis, in dem wir leben. Wir sprechen über Konsumerismus und über eine bestimmte Art und Weise, über uns als freie Menschen nachzudenken. Das ist ein Paradox der zeitgenössischen Welt: Einerseits spricht man viel über die eigene Bildung und Fortbildung, über das Bedürfnis, freier zu sein, andererseits wird man zum Sklaven, unterliegt bestimmten Anforderungen und Wünschen. Mich interessierte, ob wir uns von einem solchen Kampf befreien können. In dieser Aufführung sucht man die Freiheit. Ich glaube, Freiheit hat den Ursprung in einem Energiefluss, wie eine Gemeinschaft.“
Marta Ziółek hat sich vorgenommen, eine Show zu schaffen, die das Publikum verstehen soll. Make Yourself“ war ein großer Erfolg in Polen und auch in Bukarest.
Ramona Nagabczyńska, eine der Choreographinnen, die in Make Yourself“ auftraten, wurde auch zum Festival mit dem Solo-Akt pURe“ eingeladen. Das Stück handelt von der Idee des natürlichen Körpers, ausgehend vom Konzept der Ur-Materie“, das vom polnischen Theater-Regisseur und Maler Tadeusz Kantor geschaffen wurde.
Mich interessiert der Körper als Objekt. Die Transformation stellt für mich eine wichtige Idee dar. Ebenfalls interessiert mich die Arbeit mit dem Körper als Instrument, mehr im visuellen Sinne, also den Tanz näher an die visuellen Künste zu rücken, ferner vom Theater. Ich möchte nicht etwas sehr Intellektuelles schaffen. Mich interessiert letztendlich die Wirkung meiner Arbeit auf die Menschen.“
Das Festival News from Polska“ endete mit einer Musik-Show Exit Promises“ der aus Australien stammenden ZONE-L (auch bekannt als Laura Hunt).
Seit acht Jahren arbeite ich ständig mit dem Ton, in unterschiedlicher Weise. Mich interessiert es, wie die Menschen darauf reagieren. Was für Emotionen der Ton verursacht. Der Ton ändert das Leben der Menschen. Der Ton interessiert mich auch aus musikalischer Sicht, da werde ich etwas politischer. Ich mache Bemerkungen über die Kultur, die dich ständig auffordert, besser zu werden, etwas Besseres zu tun. Ich verwende Musikaufzeichnungen, auf denen Stimmen zu hören sind, die sagen: ‚Wenn du dieses Musikstück 10 Minuten lang hörst, wird dein Leben besser.‘ Ich baue dabei Stimmen von Youtube ein, meine Quellen entstammen der ›Do it Yourself‹-Kultur. Ich spiele damit, um Tanzmusik zu erschaffen.“
Larisa Crunţeanu, die Kuratorin des Festivals News from Polska“, begründet die Einladung einer Künstlerin außerhalb des polnischen Kulturraumes:
Laura Hunt ist eine Künstlerin australischen Ursprungs. Ich habe sie gerade deswegen eingeladen, um eine Art Gegengewicht zu den politischen Tendenzen Polens, die immer nationalistischer sind, anzubieten. Das Polnische Institut war gegenüber der Idee, eine künstlerische Einstellung aus einem anderen, scheinbar exotischen Raum vorzustellen, sehr offen. Gleichzeitig muss man feststellen, dass viele am Festival teilnehmenden Künstler sich in einer prekären Situation befinden: Sie sind auf sich selbst gestellte Arbeitnehmer, die von Land zu Land ziehen, um ihre Werke und Performance zur Schau zu stellen, zumindest dort, wo sie einigermaßen unterstützt werden.“