Nationaltheater aus Chişinău auf Tournee in Rumänien
Vom 19.-27. Januar 2017 war das Nationaltheater Mihai Eminescu“ aus der Hauptstadt der Moldaurepublik auf Rumänien-Tournee.
Luana Pleşea, 28.01.2017, 17:30
Das Nationaltheater Mihai Eminescu“ aus Chişinău war vom 19.-27. Januar auf Rumänien-Tournee, im Rahmen des Projekts Rumänisches Theater in Bukarest, Iaşi und Chişinău“. Das Projekt wurde auf Initiative des Chişinău-Nationaltheaters gestartet — 2014 eröffnete das Chişinău-Nationaltheater mit seinen Aufführungen die Spielzeit des Bukarester Nationaltheaters. Eine Woche später präsentierte das rumänische Nationaltheater einige Aufführungen auf der Bühne des Nationaltheaters in Chişinău. Dieser Tournee-Austausch ist inzwischen Tradition geworden, sagte uns der Schauspieler und Regisseur Petru Hadârcă, Direktor des Nationaltheaterrs Mihai Eminescu“ aus Chişinău:
Dieses Projekt war und ist weiterhin ein großer Erfolg. In der Regel kommen wir nach Bukarest in der Woche um den 24. Januar, wenn in Bukarest und Iaşi die Vereinigung der Fürstentümer Walachei und Moldau von 1859 gefeiert wird. Und in der Woche um den 27. März, wenn die Vereinigung Bessarabiens mit Rumänien gefeiert wird, kommen die Nationaltheater aus Bukarest und Iaşi nach Chişinău. Theater kennt keine Grenzen — wir haben rumänisches Theater in Bukarest, Iaşi, Chişinău, denn auf all diesen Bühnen wird auf Rumänisch gespielt. Wie der Dichter Nichita Stănescu sagte: ‚Unsere Heimat ist die rumänische Sprache.‘“
Das Nationaltheater Mihai Eminescu“ aus Chişinău präsentierte in Bukarest und Iaşi drei erfolgreiche Aufführungen aus seiner jüngsten Spielzeit. Die Aufführung În ochii tăi fermecători“ (In deinen zauberhaften Augen“), Regie Alexandru Vasilache, ist eine Bühnenadaption nach einigen Novellen des rumänischen Schriftstellers Gib Mihăescu, der in der Zwischenkriegszeit Mitglied im künstlerischen Komitee des Chişinăuer Nationaltheaters war. Die anderen zwei in Bukarest aufgeführten Premieren waren Aveţi ceva de declarat?“ (Etwas zu verzollen?“) von Georges Feydeau, Regie Petru Hadârcă und Casa Mare“ (Das große Haus“) des moldauischen Autors Ion Druţă, Regie Alexandru Cozub.
Die Schauspieler des Nationaltheaters Chişinău spielen nur auf Rumänisch, und ihr Repertoire enthält Stücke aus der internationalen Dramatik. Theaterintendant Petru Hadârcă dazu:
Wir suchen uns vor allem Themen aus, die uns naheliegen, Themen, die eine direkte Verbindung zu Chişinău oder Bessarabien haben. Wir sind ein Nationaltheater und 80% unserer Aufführungen sind Inszenierungen moldauischer Dramatiker. Wir versuchen, auf den Geschmack aller Kategorien von Zuschauern zu kommen. Wir haben auch eine Aufführung mit jungen Schauspielern unseres Theaters zu einem harten, dramatischen Kapitel aus der Geschichte der Republik Moldau. Die Produktion »Copiii foametei« (»Kinder der Hungersnot«) ist eine Inszenierung nach Zeitzeugnissen, gesammelt von Alexei Vakulovski. Es geht um die Hungersnot von 1946–1947, während des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau. Damals waren etwa 500.000 Bessarabier verhungert — es war eine für uns besonders schmerzhafte Zeit. Ich schaue mir das Publikum an — das sind ältere Leute, die diese Erfahrung als Kinder erlebt haben, und die Aufführung mit besonderem Interesse verfolgen, weil sie die Erinnerung wachhalten wollen. Unser Publikum in Chişinău kann ich nicht genug loben. Wir bewundern und lieben unser Publikum, genauso wie das Publikum uns Schauspieler liebt. Und da wir von Schauspielern reden: In unserer Gesellschaft gibt es zurzeit sehr viele sogenannte Schauspieler, die sich im Fernsehen oder im Parlament zur Schau stellen. Wir, die echten Theaterschauspieler, lachen diese falschen Komödianten aus — sie machen ein großes Theater in unserer Gesellschaft, während wir uns die Mühe geben, auf der Theaterbühne natürlich zu bleiben.“
Während der Bukarester Tournee hielt Petru Hadârcă auch die Konferenz Die Dokumente — eine unschlagbare Macht gegen historische Spekulationen. Das Nationaltheater in Chişinău — die Etablierung einer rumänischen Kultureinrichtung im Sinne der Großen Vereinigung von 1918“. Im Rahmen der Konferenz wurden auch zwei Bände mit Dokumenten aus dem Bukarester Nationalarchiv und aus dem Archiv der Bibliothek der Rumänischen Akademie über die Geschichte des Nationaltheaters in Chişinău vorgestellt, und zwar Die Genese des Nationaltheaters in Chişinău: 1918–1960“ von Iurie Colesnic und Eine Chronik des Chişinăuer Nationaltheaters »Mihai Eminescu«: 1918–1930“, herausgegeben von Petru Hadârcă, Schauspieler, Regisseur und Direktor des Nationaltheaters Mihai Eminescu“. Mehr dazu von Petru Hadârcă:
Jedes Mal, wenn ich an diese Dokumente denke, freue ich mich wie ein Kind: Im Archiv entdeckte ich die Urkunde über die Einrichtung des Chişinău-Nationaltheaters vom Oktober 1921, mit dem Briefkopf des Theaters und dem Stempel »Das Nationale Theater in Chişinău«. Das ist unglaublich! Zur Zeit des sowjetischen Regimes behaupteten die Historiker, das Theatergebäude sei zwischen 1953-1954 von zwei sowjetischen Architekten gebaut worden. Aber die Dokumente, die ich im Archiv fand, sind Zeugnisse einer ganz anderen Geschichte. 1930 war das Theatergebäude bereits errichtet, nach einem Projekt, das dem Bukarester Athenäum sehr ähnlich war. In den Dokumenten stehen Berichte über Erfolge des Nationaltheaters in Chişinău in der Zwischenkriegszeit, über Themen, die bis 1990 in der ex-sowjetischen Republik Moldau Tabu waren. Und sogar nach 1990. Jetzt, nach der Veröffentlichung dieser Bände, gab es mehrere Angriffe seitens einer gewissen moldauischen Presse. Diese sogenannten Journalisten, die uns angreifen, haben ihren eigenen Standpunkt, sie wollen die Wahrheit vertuschen, sie haben die Geschichtsprüfung nicht bestanden. Was ich in diesen Büchern gesammelt habe, macht mich stolz: Ich freue mich, sagen zu können, dass das Nationaltheater in Chişinău eine sehr schöne Geschichte hat. Bis jetzt wusste man nicht, wieviele Spielzeiten es in unserem Theater gab. Zum ersten Mal konnte ich stolz verkünden: Dieses Jahr führen wir unsere 95. Spielzeit.“
Das Theater Mihai Eminescu“ aus Chişinău präsentierte seine Aufführungen in zwei Sälen des Bukarester Nationaltheaters: im Großen Saal, mit 940 Plätzen, und im Studio-Saal, mit 500 Plätzen. Auch wenn es ein Nationaltheater ist, werden nur 80% der Ausgaben vom Staatshaushalt finanziert; die restlichen 20% kommen vom Kartenverkauf und von privaten Finanzierungen.