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Schriftstellerin und Übersetzerin Veronica Niculescu: „Wir sind die Texte, die wir lesen“

Corina Sabău unterhielt sich mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Veronica D. Niculescu über ihren jüngsten Roman und über ihre Erfahrung als Übersetzerin.

Schriftstellerin und Übersetzerin Veronica Niculescu: „Wir sind die Texte, die wir lesen“
Schriftstellerin und Übersetzerin Veronica Niculescu: „Wir sind die Texte, die wir lesen“

, 12.11.2016, 17:30

Mein Schreiben wird mit Phantasie zubereitet, um einen auslösenden Faktor herum. »Zu Jadetälern und Hexenkraut« schafft, durch die Stimme der Miranda Dortloft, ein Plädoyer für diese Art von Schreiben, für Einbildungskraft und Konstruktion.“ Das ist die Beschreibung des eigenen Romans Zu Jadetälern und Hexenkraut der Schriftstellerin Veronica Niculescu. Der Roman erschien in diesem Jahr beim Polirom-Verlag.



In der zusammengefassten Beschreibung erfährt der Leser, dass Zu Jadetälern und Hexenkraut ein Roman über Abschiede, Verluste und Leere ist, ein Roman, der mit Zärtlichkeit geschrieben und von Überraschungen übersät ist. Ein Buch mit einer zirkulären Erzählstruktur, um ein Märchen in Tausend Versen herum. Die Hauptfigur Miranda Dortloft, die fern von der Heimatstadt, der Familie und dem Mann lebt, den sie immer noch liebt, beginnt ein Märchen in Versen zu schreiben. Die dichte Prosa, die dieses imaginäre Spiel umwebt, enthüllt das eigentliche Leben Mirandas: die im Kommunismus verbrachten Jahre, ihr gemischter Familienhintergrund, die Liebesgeschichte, bis hin zur düsteren, von Depression zerrütteten Gegenwart.“



Es war klar, dass ich diesmal eine lange Geschichte schreiben muss, denn das war die Grundidee des Buchs, und andererseits hatte ich unglaubliche Lust nach einer längeren, erarbeiteten Satzstruktur, nach den kurzen Büchern, die Plädoyers für das Kleine waren. Klein zu sein, versteckt, die Innenwelt kann riesig sein, wenn du klein bist und du es dir gemütlich machst, in einem kleinen Stuhl, im Theater etwa, mit dem Rücken zur Bühne. So ungefähr war es bei diesem ersten Roman. Es mag vielleicht nicht die klassischste aller Romanstrukturen sein, die Struktur kann verwirren, aber das sehe ich so, dass ich einen Roman geschrieben habe, der ein Märchen in Versen enthält. Sicher, wenn man das reelle Leben der Märchenautorin rund um das Märchen selbst herum webt, konstruiert man am Ende allerlei Kontraste. Denn das ist das Plädoyer für die Einfallskraft, in ihrem Leben passiert etwas, aber im Märchen ist das völlig anders, und dennoch gibt es gemeinsame Elemente. Die Märchenautorin erlebt gerade eine Depression, sie hat eine Liebe verloren, befindet sich in einer totalen Leere, ist aus ihrer Stadt gezogen, hat keine Wohnung, keine Familie mehr. Aber in dem Märchen kommen sehr viele Reichtümer vor. Sowohl Edelsteine als auch Freier und eine Hochzeit. Das wäre das Plädoyer für die Einfallskraft. Deshalb war die umfassende Konstruktion notwendig, weil man das Leben eines Menschen nur in aller Ruhe umschreiben kann. Aber ich war sehr daran interessiert, unterschiedliche Rhythmen und Töne anzuschlagen.“




Für ihren 2004 veröffentlichten Debütband Adeb“, der kurze Prosa enthielt, bekam Veronica Niculescu den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbandes für das beste Debüt. Es folgen drei weitere, vielfach ausgezeichnete Prosabänder (Das orangefarbene Orchester“, Rot, rot, Samt“, Die tierische Sinfonie“). Niculescu ist auch Co-Autorin zweier Bänder, bei denen sie mit dem Dichter Emil Brumaru zusammenarbeitete: Das Märchen von der Prinzessin Schnell-Schnell“ (2009) und Es fallen Kastanien von den Kastanienbäumen“ (2014).



In einem Interview, das die Schriftstellerin nach dem Erscheinen von Zu Jadetälern und Hexenkrautgab, bekundete sie ihr stetiges Interesse am Leser.



Ich träume von einem aufmerksamen, engagierten Leser, der sich über die Entdeckung von Brücken, von Kernen, von Inversionen freut. Er müsste aufschreien, seufzen und neu anfangen, sehen, wie die Dinge sich formen und das müsste ihn glücklich machen. Wenn es einen einzigen solchen Leser geben sollte, für ihn muss ich das tun. Und es gibt ihn. Er hat mir einen Brief geschrieben“, sagte Niculescu damals.



Diese Aussage könnte auf einen Hochmut meinerseits schlie‎ßen, die Tatsache, dass ich mir einen geduldigen und aufmerksamen Leser wünsche. Aber ich glaube, dass wünschen wir uns alle, wenn wir ein Buch schreiben und Details einschieben. Denn es bereitet einem Freude, wenn man schreibt und dabei Anspielungen einschiebt, die den Leser freuen. Und am Ende, wenn dieses Spiel fertig ist, wenn das Buch wirklich zu Ende ist, fragt man sich als Schriftsteller, ob jemand bereit ist, so tief zu graben, um all diese Spuren, diese Details zu entdecken. Und man stellt infolge der Botschaften fest, die man erhält, infolge der Briefe, dass die Menschen die Details schon bemerkt haben, auch wenn man befürchtet hatte, es würde dem nicht so sein. Ich glaube, momentan ist alles gut.“




Veronica Niculescu ist auch eine der besten Übersetzerinnen aus dem Englischen. Sie hat von den Werken von Vladimir Nabokov die Romane Der Späher, Verzweiflung, König, Dame, Bube, Das Modell für Laura, Die Gabe, Fahles Feuer sowie einen Teil der Erzählungen und den Briefwechsel mit Vera ins Rumänische übersetzt. Ferner übersetzte sie die englischsprachige Kurzprosa Samuel Becketts sowie seine Romane Murphy, Watt und Traum von mehr bis minder schönen Frauen. Für ihre Übersetzungen wurde sie ebenfalls vielfach ausgezeichnet. Alle diese Begegnungen mit berühmten Schriftstellern hätten ihr geholfen, sagt Niculescu.



Es hilft dir enorm, kann ich jetzt nach den vielen Übersetzungen sagen. Am Anfang fühlte ich nur, dass mich das langsam umbringt, so ist es in der ersten Phase. Und dann kommt die Wiederauferstehung, und wenn du wiederauferstehst, bist du bereichert. Du fühlst, dass dich das zunächst umbringt, weil man während des Übersetzens nie selbst schreiben kann. Es ist ein anderer Ton, eine andere Musik, eine andere Sprache. Aber wenn die Übersetzung fertig ist, kommt man bei den gro‎ßen Autoren nicht umhin, sich bereichert zu fühlen. Es ist ganz klar, dass man ihre Sprache, ihre Musik übernimmt, dass man lernt, indem man in die Faser der Texte eindringt. Und ich beziehe mich nicht nur auf die Übersetzer. Jedes gelesene Buch verändert und bereichert uns, wir bestehen aus den Texten, die wir lesen, aus der Musik, die wir hören, aus dem Theater, das wir sehen, aus den Filmen. Übersetzen ist eine intensive Leseart und man kommt bereichert aus dieser Erfahrung hervor, das ist unvermeidlich.“

Foto: facebook.com/Clara.the.Romanian.school.teacher
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