Minderheiten: Ausstellung über Wahrnehmung ethnischer Gruppen in der visuellen Kultur
Die Ausstellung Ethnische Minderheiten in der visuellen Kultur – Fokus Rumänien“ kann in Bukarest vom 9. Oktober bis 3. November besichtigt werden.
Andrei Popov, 08.10.2016, 18:04
Zwischen dem 20. August und dem 4. Oktober hat die Kulturstiftung PostModernism Museum in Brüssel das Forschungsprojekt Ethnische Minderheiten in der visuellen Kultur — Fokus Rumänien“ ausgestellt. Die Initiative ist im Kontext der aktuellen Frage der Integration der Flüchtlinge entstanden, die Europa beschäftigt. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Tatsache, dass in Rumänien 18 Minderheiten leben, die durch je einen Abgeordneten im Parlament vertreten werden. Das Projekt erinnert an den 100. Jahrestag der Gründung Großrumäniens, der am 1. Dezember 2018 gefeiert wird, und bringt Konzepte wie Identität, kulturelle Vielfalt und Staatsangehörigkeit in den Vordergrund. Wir haben den Kurator Cosmin Năsui um Einzelheiten gebeten:
Unser Interesse als Forscher in diesem Feld lag nicht darin, neue Etiketten zu identifizieren, laut denen ethnische Gruppen eingestuft werden könnten, sondern den multikulturellen Faktor zu identifizieren und den durchaus wichtigen Beitrag der Minderheiten zu unserer jungen Nation zu betonen. Wir wollten dem Publikum bewusst machen, dass die ethnischen Volksgruppen einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung der rumänischen Identität geleistet haben. Ganz interessant war für uns, zu erfahren, welche Minderheiten in den letzten 100 Jahren über unser Territorium nach anderen Teilen Europas gezogen sind und welche als sogenannte ‚übernationale‘ ethnische Gruppen eingestuft werden, das heißt Gruppen, die in ganz Europa leben, so zum Beispiel die Roma und die Juden. Sehr interessant war auch die Frage der Minderheiten, die in unserer Nachbarschaft leben, also der Volksgruppen, die im Kontext der politisch bedingten Schrumpfung und Ausdehnung des Territoriums entstanden, also als Rumänien zu einem gewissen Zeitpunkt in der Geschichte Bevölkerung der Nachbarstaaten eingliederte oder als sich solche Gruppen großen Gemeinschaften auf unserem Territorium anschlossen. Ein gutes Beispiel wären die Ungarn und die Deutschen in der südostrumänischen Dobrudscha sowie die Schwaben im westrumänischen Banat. Es handelt sich also um vielfältige Gemeinschaften, die einen äußerst interessanten Beitrag zur sogenannten visuellen Kultur gebracht haben.“
Die Ausstellung ist in zwei Abschnitte unterteilt: Die erste wird den alten Minderheiten und ihren Abbildungen in der visuellen Kultur Rumäniens gewidmet, also den Juden, Griechen, Lipowanern, Ungarn, Deutschen, Türken, Tataren, Roma, die zweite den neuen Minderheiten, die nach der Wende nach Rumänien gezogen sind — Chinesen, Engländer, Franzosen, Inder, Libanesen. Cosmin Năsui kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:
Wir stellen sowohl Originalstücke der Malerei, Graphik, Skulptur und Fotografie als auch Werke der graphischen Datenverarbeitung aus, die letzteren werden verschiedenen Unterthemen gewidmet: Exotik, Diskriminierung, Autonomie, Exil und Kolonisation. Es handelt sich um Bild und Text, die überlappt werden, damit sie leicht verstanden werden, denn wir setzen uns mit einem Thema auseinander, dem wir über 100 Jahre folgen.“
Die alten“ Minderheiten sind in interessanten Gemälden rumänischer Maler wie Iosif Iser, Nicolae Tonitza, Octav Băncilă, Nicolae Grigorescu und in Bildern und Postkarten abgebildet. Im Fall der Volksgruppen, die nach Rumänien nach der Wende gezogen sind, lässt sich eine andere Situation auszeichnen. Cosmin Năsui erläutert:
Diese Volksgruppen sind meistens in der visuellen Kultur zu finden, zum größten Teil im Bereich der Filmkunst. Die neue rumänische Kinowelle thematisiert oftmals das Leben der ethnischen Volksgruppen. In der Dokumentation »Anul dragonului« (»Das Jahr des Drachen«) setzen sich die Regisseure Adina Popescu und Iulian Manuel Ghervas mit dem Alltag der Chinesen in Rumänien auseinander, Radu Gabrea thematisiert in »Mănuşi roşii« (»Rote Handschuhe«) und »Cocoşul decapitat« (»Der geköpfte Hahn«), einer Verfilmung der gleichnamigen Romane von Eginald Schlattner, das Leben der Siebenbürger Sachsen. Es gibt zudem Spielfilme, Dokumentationen und Doku-Spielfilme wie die Produktion von Alexander Nanau »Toto şi surorile lui« (»Toto und seine Schwestern«), die sich mit der Situation der Roma-Minderheit auseinandersetzt. In Bukarest fanden außerdem zahlreiche Ausstellungen zum Thema Diskriminierung statt, in Kronstadt und Klausenburg gibt es eine Reihe von Denkmälern, die nach der Anerkennung des Holocausts errichtet wurden. Die ersten visuellen Zeichen, die an die Holocaust-Anerkennung auf rumänischem Territorium erinnern, waren die Schilder, die an die Wände der Bahnhöfe befestigt worden sind, von wo die sogenannten Züge des Todes ihre unheilvolle Reise in die Vernichtungslager antraten.“
Das Projekt Ethnische Minderheiten in der visuellen Kultur — Fokus Rumänien“ regt zum Nachdenken an, die Kommentare, die das Publikum hinterlässt, werden zum Teil des Ausstellungskatalogs. Die Ausstellung wurde anschließend nach Bukarest verlegt, wo sie zwischen dem 9. Oktober und dem 3. November im zum Museum der Stadt Bukarest gehörenden Villa Minovici zu besichtigen ist. Von Bukarest wandert die Ausstellung weiter nach Kronstadt, Klausenburg und Craiova. 2017 soll das Projekt die Benelux-Länder erreichen.
Deutsch von Ana Nedelea